02.02.2021

“2 Minuten 2 Millionen”: Schoko-Startup ruft 25 Millionen Euro-Bewertung auf

In dieser Folge der PULS 4-Sendung "2 Minuten 2 Millionen" ging es um Hirn-Teppiche, Weinregale die an Lego erinnern, Frauentaxis und Naturkosmetik. Zudem rief ein Startup die höchste Bewertung der Showgeschichte auf.
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2 Minuten 2 Millionen, Nucao
(c) PULS 4/Gerry Frank - Das Nucao-Team pflanzt für jeden verkauften Riegel einen Baum.
kooperation

Die erste bei “2 Minuten 2 Millionen” war Antonia Santner. Mit ihrem Kort.X-Teppich möchte die Tirolerin gegen Demenz ankämpfen. Der spezielle Teppich dient als Unterlage für ein Gehirntraining auf Basis aktueller sport- und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. Auf einem Quadratmeter kann man über drei Millionen Übungsvariationen durchführen, um gezielt Nervenleitbahnen zu aktivieren und neuronale Netzwerke im Gehirn aufzubauen. Für ihren Teppich und eine Online-Trainingsplattform forderte sie 60.000 Euro und bot 18 Prozent Anteile.

Nummerierte Felder

Der Teppich ist mit verschiedenen nummerierten Feldern bestückt, die dazu dienen sollen die jeweiligen Übungen durchzuführen. Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner meldete sich gleich als Versuchskaninchen, machte gute Figur und erfuhr, dass es sogar eine eigene Kort.X-Musik für die Einheiten gibt.

(c) PULS 4/Gerry Frank – Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner beim Gehirntraining mit Kort.X-Gründerin Antonia Santner.

2017 betrug der Umsatz des Startups rund 32.000 Euro, 2018 45.000 Euro, 2019 54.000 Euro – alles nebenberuflich. Mittlerweile ist die Gründerin zur Gänze in ihrem Unternehmen tätig.

Online plus Trainer

Bau Tycoon Hans Peter Haselsteiner, der lange ruhig war, dachte über die Hürde für Kunden nach, so einen Teppich zu kaufen – wer gäbe gerne zu, dass er Training fürs Gehirn brauche. Santner sagte daraufhin, dass es neben dem Onlineprogramm auch Kurse mit Trainern gebe, die in Sachen sozialer Interaktion für Viele wertvoll wären. Die Teilnehmer würden sich schnell sehr ehrgeizig zeigen, um die Übungen korrekt auszuführen, so die Gründerin.

Ein gesellschaftlicher Mehrwert mit Kort.X

Haselsteiner meinte dennoch, es sei kein Produkt “fürs große Geld”, er sehe aber einen gesellschaftlichen Mehrwert im Teppich. Und schlug vor, dass alle Juroren gemeinsam 50.000 Euro für 20 Prozent investieren. Mediashop-Chefin Katharina Schneider, die Sportwissenschaften studiert hat, schloss sich an, sie hätte auch alleine investiert.

5-fach-Deal bei “2 Minuten 2 Millionen”

Florian Gschwandtner kam daraufhin mit der Idee auf, <das Produkt digital zu ergänzen. Er wäre dabei. Auch Neu-Juror Alexander Schütz machte es kurz und stieg mit ein. Hotelier Bernd Hinteregger komplettierte die Runde der Interessenten. Schneider erhöhte am Ende im Namen aller daraufhin sogar das Angebot auf 60.000 Euro. Deal für Kort.X.

Noch was für Santner

Als Santner bereits auf Weg war, schaltete sich Daniel Zech von 7 Ventures plötzlich zu. Er bot der Gründerin an im Start-Up Village im Donauzentrum und der Shopping City Süd ihre Produkte feilzubieten.

Nachhaltige Kosmetik aus Österreich bei “2 Minuten 2 Millionen”

Eliah Sahil Organic Care vom Bregenzer Silvio Perpmer setzt auf biologische und nachhaltige Kosmetik- und Körperpflegeprodukte aus Österreich. Sein neues bio-zertifiziertes, tierversuchsfreies und veganes Duschpulver ist in vier verschiedenen Ausführungen für Frauen, Männer, Kinder und als Sensitiv-Variante für Allergiker erhältlich. Die waschaktiven Pflanzenstoffe aus Waschnussschalen, Saponine aus Teeblättern und Heilerde sollen die Haut ohne reizende Tenside reinigen, während Aloe Vera und ayurvedische Pflanzenextrakte die Haut mit Feuchtigkeit versorgen. Das Duschpulver ist nach dem Zero-Waste-Konzept gestaltet und die Produkte werden klimaneutral hergestellt. Dank einem innovativen Nachfüllkonzept können die Alu-Dosen wiederverwendet werden. Die Forderung für den Einstieg in sein Unternehmen, das bisher über 30 Produkte anbietet und eine halbe Million Euro Umsatz machte: 400.000 Euro für 20 Prozent Beteiligung.

(c) PULS 4/Gerry Frank – Silvio Perpmer bietet mit Elia Sahil Naturkosmetik aus Österreich.

Nach dem Pitch und ein paar Fragen zu den einzelnen Produkten, wie Duschbad für Allergiker, gab es erneut Besuch von Daniel Zech. Er bot auch Perpmer eine Promo im Start-Up Village an. Nachhaltigkeitsexperte Martin Rohla tat es leid, dass er in keine Kosmetika investiere, blieb aber seinen Prinzipien treu. Ähnlich agierte Haselsteiner.

Ein Deal, zwei Deals, kein Deal?

Bernd Hinteregger meinte, seine Hotels würden Pepmers Produkte aufnehmen, aber er würde, so wie Schütz, nicht investieren. Katharina Schneider hingegen zeigte ihre Affinität zu Kosmetika, besonders von naturbelassener. Sie bot 70.000 Euro für fünf Prozent Anteile. Daraufhin änderte Schütz seine Meinung und wollte zu denselben Konditionen mitmachen. Überraschenderweise lehnte der Gründer die insgesamt 140.000 Euro für zehn Prozent ab, vergewisserte sich, ob und wie Schneider umsatztechnisch helfen könne und sah, dass sich Daniel Zech ein drittes Mal bereits an diesem Abend einschaltete. Er sprach dem Gründer ins Gewissen, er solle sich das Angebot gut überlegen. Dies wirkte. Deal für Eliah Sahil.

Female Drivers für female Customers

Der nächste auf der “2 Minuten 2 Millionen”-Bühne war Eden Biniaurishvili, Gründer der WOTA App. Dabei geht es schlicht um weibliche Taxi-Fahrer für weibliche Fahrgäste. Der App-Designer hatte die Idee zu „female drivers“, da seine jüngere Schwester gerne bis in die tiefen Abendstunden ausgeht, sich aber unwohl fühlt, wenn sie mit dem Taxi heimfährt. Aufgrund der Coronakrise musste der Gründer die App offline nehmen. Seine Forderung für den Neustart: 155.000 Euro für zwölf Prozent Anteile.

10.000 Registrierungen auf Plattform

Winzer Leo Hillinger merkte an, dass es Cab-Services mit weiblichen Fahrern bereits gebe. Dies bejahte der Gründer, meinte aber, dass seine App für Frauen einzigartig wäre. Zudem hätte er in zwei Monaten am Markt vor der Pandemie bereits 10.000 Registrierungen auf seiner Plattform lukrieren können.

(c) PULS 4/Gerry Frank – APP-Designer Eden Biniaurishvili erhielt etwas anders von einem Investor als gedacht.

Bisher hatte Biniaurishvili keinen Euro für Marketing ausgegeben und dennoch Erfolg gehabt. Mit einem möglichen Investment strebte er an, bis zu einer halben Million an Registrierungen zu erreichen. Hillinger verabschiedete sich als erster, er sah keine Möglichkeit zur Skalierung.

“Von einer anderen Welt”

Haselsteiner meinte, der Gründer sollte die Bewertung etwas überdenken, zudem sehe er Apps “als von einer anderen Welt” und ging auch ohne Angebot. Katharina Schneider und Alexander Schütz wollten auch nicht investieren, sodass nur der Ur-Enkel von Ferdinand Porsche überblieb.

MIT statt mit Investor

Stefan Piëch nannte das Startup “early stage” und wollte deshalb kein Angebot machen. Jedoch hatte er eine andere Überraschung für den Gründer parat: Er bot Biniaurishvili an, zum einwöchigen Boot Camp am MIT (USA) zu kommen. Um Leute kennenzulernen, die auf seiner Ebene seien und mit denen er auf globaler Ebene am Problem arbeiten könne. Kein Deal für WOTA.

Zuckerarme Nascherei

Es folgte ein Trio bei “2 Minuten 2 Millionen”. Mit Nucao haben Christian Fenner, Matthias Tholey und Thomas Stoffels eine nachhaltige und zuckerarme Nascherei entwickelt. Ihr Schokoriegel ist mit Nährstoffen aus Hanfsamen, Nüssen & Co vollgepackt und enthält dabei 65 Prozent weniger Zucker. Verpackt wird er in plastikfreier, heim-kompostierbarer Folie und für jeden verkauften Riegel wird ein Baum gepflanzt. So konnten schon über 3,5 Millionen Bäume mithilfe von Eden Projects gepflanzt werden. Der angestrebte Jahresumsatz der Gründer lag zur Zeit der Aufzeichnung bei 7,5 Millionen Euro. Die Forderung: 750.000 Euro für drei Prozent – bisher die höchste Firmenbewertung der Sendung.

Umsatz verdreifacht

Vertrieben wird über den Handel und über den eigenen Onlineshop. In Österreich ist der Riegel noch nicht großflächig erhältlich. Das wollen die Gründer ändern. Bernd Hinteregger wollte mehr Argumente für die hohe Bewertung hören. Die Antwort: Bisher hatte Nucao zweimal seinen Umsatz verdreifacht, allerdings mache man im Moment noch 1,5 Millionen Euro Verlust.

(c) PULS 4/Gerry Frank – Die Nu Company brachte eine 25 Millionen Euro Firmenbewertung mit.

Katharina Schneider stieg als erste aus. Die Bewertung sei das Problem. Auch Alexander Schütz ging. Er meinte, das aggressive Wachstum würde nicht immer so weitergehen. Nach dieser zweiten Absage kam der sehnsüchtig erwartete Markus Kuntke, Trendmanager der REWE-Group, und bot statt dem Startup-Ticket eine Kooperation an, um sie in die Regale von Merkur und Billa zu bringen.

“Prohibitive Bewertung”

Danach ging auch Hinteregger ohne Angebot. Martin Rohla fand die Idee gut, den Geschmack hervorragend, jedoch wäre die Bewertung “prohibitiv”, um einzusteigen. Stefan Piëch meinte, ihn würde ein Kinderprodukt zur gesunden Ernährung interessieren. Er habe ja einen Kindersender namens RIC, wo darauf geachtet wird, keine Werbung zu machen, die “dick & doof” macht. Er könnte sich einen “Mediawert” vorstellen und bot für ein Prozent 200.000 Euro TV-Budget. Für die Gründer allerdings war das Angebot für das Kinderprodukt noch zu früh. Man müsse es erst entwickeln und das “Branding” drumherum bauen. Kein Deal für Nucao.

Das Wein-Tischkarussell bei “2 Minuten 2 Millionen”

Die Ehre des letzten Auftritts bei “2 Minuten 2 Millionen” gebührte Klaus Weinzierl und Thomas Enne von Rack Art. Dabei handelt es sich um ein patentiertes und drehbares Wein-Regalsystem, das bei seiner Zusammensetzung an Legosteine erinnert. Die Modelle im Sechser-Starter-Set bis zum großen “Tischkarussell” (insgesamt 48 verschiedene Formate) sind fahrbar oder stationär. Die Forderung: 175.000 Euro für 20 Prozent Beteiligung.

(c) PULS 4/Gerry Frank – Thomas Enne und Klaus Weinzierl packen Weinflaschen in ein drehbares Regalsystem.

Winzer Leo Hillinger als Wein-Guru meldete sich gleich als erster zu Wort. Er ging sicher, dass auch andere Flaschen dort gelagert werden konnten. Zweifelte aber an der Behauptung, das Regal sei wirklich platzsparend. Dieses Argument entkräfteten die Gründer mit Beispielen aus der Praxis. Bisherige Kunden hätten dieselben Sorgen gehabt und seien mit dem Ergebnis hochzufrieden, da sie mehrere Weinflaschen auf einem Quadratmeter platzieren könnten und die Kundenkäufe um bis 15 Prozent gestiegen wären.

Wenig Profit möglich

Hans Peter Haselsteiner ging als erster. Er sah wenig profitable Möglichkeiten für einen Investor einzusteigen. Katharina Schneider gefiel das Regal optisch, sie könne aber nicht helfen. Auch Stefan Piëch sah sich als falschen Investor und ging so wie Alexander Schütz.

Auch Winzer ohne Angebot

Auch die letzten Hoffnungen starben, als schlussendlich Leo Hillinger ebenfalls nicht investieren wollte. Er würde dafür innerhalb seines Wein-Netzwerks nachfragen, ob jemand Interesse an Rack Art hätte. Kein Deal fürs Weinregal.

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Am diesjährigen Global Leaders Summit haben wir mit der dänischen Founderin Ida Tin gesprochen. Wie sie zur Mother of Femtech wurde und warum sie glaubt, Europa fehle die Vision.
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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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