19.03.2019

2Min2Mio: Intimrasur-Pitch zum “genieren” und überzeugende Brote

In der siebten Folge der aktuellen Staffel der Startup-TV-Show "2 Minuten 2 Millionen" gab es herbe Kritik an einer Geschäftsidee für den Intimbereich, Lob für Pilze auf Kaffesatz und ein Investment von allen Investoren in ein Linzer Startup.
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(c) Gerry Frank - Florian Hoffmanns Online Shop simply Bread weckte die Lust aller Investoren an ein Investment.

Die siebte Folge der aktuellen Staffel von “2 Minuten 2 Millionen” wurde von Martin Konrad, Klemens Stutzenstein und Max Walchshofer eröffnet. Ihr Startup Viita Watches stellt die Smartwatch Viita Active HRV her. Das Health-Wearable misst den Wasserhaushalt des Körpers, Stress, die körpereigene Regeneration und zeigt zudem Trainingsempfehlungen an, die individuell angepasst sind. In die Entwicklung des Produktes wurden von den Gründern bereits mehr als eineinhalb Millionen Euro gesteckt.

+++ 2Min2Mio: Wiener Startup schnappt sich alle Investoren +++

2 Millionen-Forderung für 25,1 Prozent

Der einstudierte Pitch hob die Vorteile der smarten Uhr hervor, darunter 100 Meter Wasserdichte, eine bis zu zweiwöchige Akkulaufzeit, GPS, ein mitlernender Algorithmus und ein Materialverbau aus Titan und Saphirglas. Die Founder wollten für 25,1 Prozent Unternehmensanteile zwei Millionen Euro.

Mehr als 300 Händler gewonnen

Wenig verwunderlich drehte sich alles nach der Vorstellung um die Firmenbewertung. Wein-Experte Hillinger meinte spaßeshalber, er müsse dafür ein Drittel seiner Firma verkaufen, Hans Peter Haselsteiner warf ein, dass diese Forderung wohl mehr auf Bedarf, denn auf Überzeugung fuße. Die Gründer blieben ruhig und diskutierten mit der Jury über ihre USP und die lange Laufzeit. Sie brachten den Umsatz von knapp 1,2 Millionen Euro in drei Monaten als Argument. Zudem wies das Trio auf den eigenen Online-Shop hin und betonte, dass bereits mehr als 300 Händler als Vertriebspartner gewonnen wurden.

Smart-Watch-Markt zu riskant für Investoren

Haselsteiner war es aber “zu riskant” zu investieren, da es sich um einen “Wahnsinns-Markt” handele. Media-Shop-Chefin Katharina Schneider schloss sich an. Auch Martin Rohla stimmte in den Chor seiner Vorredner ein und stieg aus. Wunsch-Partner Florian Gschwandtner, der sich aus seiner Zeit bei Runtastic durchaus mit der Arbeit und der “Engineering-Power” der Gründer identifizieren konnte, war der Hardware-Bereich ebenfalls zu risikoreich. Er bot allerdings seine Hilfe an, Kontakte zu knüpfen.

Hillinger als Fan der Viita Watch

Leo Hillinger offenbarte, dass er das Produkt bereits kenne, da er Sportler sei. Er wisse um die zahlreichen Möglichkeiten der Uhr, die einem etwa auch sage, wie viel man trinken müsse. Sichtlich geknickt, meinte der Juror, er wäre sehr gerne dabei, aber die Forderung sei für ihn zu hoch. Kein Deal für Viita Watches bei “2 Minuten 2 Millionen”.

Drei Gründerinnen, eine Pilzart

Pitch zwei kam von Mercedes Springer. Ihr Unternehmen Pilzkiste spezialisiert sich auf die Produktion und Weiterverarbeitung von aus Kaffeesatz gezüchteten Austernpilzen. Neben einer zu 95 Prozent aus Austernpilzen bestehenden (essbaren) Pilzcreme, bietet das Startup auch Grow-Kits an. Die Gründerin forderte mit ihren Co-Founderinnen Jasmin Kabir und Nina Bercko 125.000 Euro für 15 Prozent Anteile.

(c) Gerry Frank – Pilzkisten-Gründerinnen Jasmin Kabir, Mercedes Springer, und Nina Bercko verhandelten gleich mit zwei Investoren.

Pilzkiste als Franchise?

Nach kurzer Verwirrung rund um die Produkte, Produktion und Klärung des Umsatzes von 57.000 Euro für 2018 zeigte Impact Investor Rohla Interesse. Er brachte eine Franchise-Idee ins Spiel, die von den Damen als möglich bezeichnet wurde. Gschwandtner freute sich über Frauen als Gründerinnen, habe aber mit Pilzen nichts am Hut. Er stieg aus. Hillinger war einmal mehr die Bewertung zu hoch, während Schneider zwar kein Investment, aber zukünftige Gespräche in Aussicht stellte.

Zwei Investoren bei “2 Minuten 2 Millionen” für die Pilzkiste

Nachhaltigkeits-Experte Rohla war voll des Lobes und bot 100.000 Euro für zwanzig Prozent Beteiligung. Haselsteiner indes stellte die geforderte Summe in Aussicht, verlangte aber 25,1 Prozent und wünschte sich eine Partnerschaft mit Rohla. Das Gegenangebot des Trios lautete 20 Prozent für 125,000 Euro für beide Investoren. Haselsteiner weigerte sich ein Minderheits-Beteiligter zu sein und bot mit Rohla nach Diskussionen gemeinsam 140.000 Euro für weiterhin 25,1 Prozent. Die Gründerinnen nahmen an.

(Scham)haarige Angelegenheit

Peter Weider und Dean Matijevic versuchen es im Feld der Intim-Rasur. Mit Shavyx bieten sie sowohl maskuline als auch feminine Intimrasurschablonen an. Dabei handelt es sich um eine Art Pflaster, das auf die bevorzugte Stelle geklebt wird. Das Duo wollte für zehn Prozent 300.000 Euro.

Wütender Haselsteiner: “Jetzt können sie sich genieren”

“Jetzt können sie sich genieren”. So lautete die Reaktion von Haselsteiner auf diese Forderung von Weider und Matijevic. Der Investor erregte sich weiter über die mangelnde Ernsthaftigkeit in einer Startup-Show und nannte die Firmenbwertung “a pflanz”. Er verabschiedete sich entschieden als möglicher Investor für das bisher umsatzlose Startup.

Doch noch ein Happy End?

Selbst der sonst ruhige Florian Gschwandtner ließ sich etwas von der Aufregung im Studio anstecken und hielt eine Mini-Keynote in Sachen richtiger Pitch mit richtigen Firmenzahlen. Auch er stieg, wie der Rest aus. Als Haselsteiner die beiden schockierten Gründer mit einem wirschen “Wiederschaun” aus dem Studio schicken wollte, meldete sich Daniel Zech von Seven Ventures zu Wort, der auch heuer wieder Media-Budget an Startups verteilt. Er erwähnte die Mehrheitseigentümerschaft beim Erotik-Shop Amorelie.com und bot eine Listung auf der Plattform an. Die Gründer nahmen an.

(c) Gerry Frank – Mit ihrer Idee von Intimrasur-Schablonen konnten Gründer Peter Weider und Dean Matijevic zwar kein Investment, dafür aber eine Listung bei Amorelie ergattern.

Individuelle Brotmischungen per Mausklick

In Florian Hoffmanns Online-Shop simply Bread können Kunden individuelle Brot-Backmischungen konfigurieren und bestellen. Jeder kann seine gewählte Basismischung mit vier weiteren Komponenten aus über 30 Zutaten zusammenstellen und per Mausklick zu sich nachhause liefern lassen. Back-Utensilien und ein handelsübliches Backrohr würden genügen, um das Wunschbrot in zwei Minuten teigfertig zu machen und in weiteren 45 Minuten zu backen. Er bot 15 Prozent für 100.000 Euro.

Ein Investoren-Angebot und ein Startup-Ticket

Im ersten Jahr konnte das Linzer Unternehmen ohne viel Marketing 5.000 Stück verkaufen, fürs zweite Jahr sind 11.000 eingeplant, was einen prognostizierten Umsatz von 40.000 Euro ergibt. Einer intensiven Fragerunde zum Userbestellverhalten folgte die Kostprobe. Danach startete Haselsteiner mit dem Angebot von 25,1 Prozent für 100,000 Euro. Hillinger wiederum rief Markus Kunkte auf den Plan, der nicht lange auf sich warten ließ. Kuntke ist heuer wieder für BIPA, Merkur und BILLA bei “2 Minuten 2 Millionen” mit dabei und verteilt “Startup-Tickets”, die maßgeschneiderte Coachings von Verkaufs- und Marketingprofis der REWE-Group umfassen. Der simply Bread-Gründer nahm selbstverständlich das Angebot an.

Das Investoren-Triumvirat

Doch es ging weiter. Rohla konkurrierte mit Haselsteiner und wollte ebenfalls 25,1 Prozent für 110,000 Euro Investment. Auch Kathrina Schneider wollte einsteigen und stellte einen breiten Vertrieb in Aussicht. Sie wollte sich Haselsteiner anschließen, als Hillinger daraus ein Investoren-Triumvirat machte. Gschwandtner dagegen sah das Unternehmen als digitales Business und hatte Abo-Modelle im Sinn. Er wollte mit der Runde gehen oder allein 100.000 Euro für 30 Prozent bieten.

(c) Gerry Frank – Florian Hoffmanns Online Shop simply Bread weckte die Lust aller Investoren an ein Investment.

Erfolg auf ganzer Linie

Dieses allgemeine “Herumschlawienern” über mögliche Beteiligungsmodelle wollte Leo Hillinger auflösen, indem er meinte, Hofmann würde alle fünf Investoren mit 100,000 Euro Investment für 25,1 Prozent bekommen. Daraufhin überlegte Haselsteiner laut, sein “überlegenes” Kapital einzusetzen, ließ sich aber auf den fünffach-Deal ein. Der Gründer nahm an.

Elektrische Freunde

Den Abschluss in der siebten Folge von “2 Minuten 2 Millionen” bildete eFriends Energy von Fritz und Klara Dimmel sowie Matthias Katt. Diese Plattform soll Privatpersonen ermöglichen, sowohl Öko-Strom anzubieten als auch kaufen zu können. Das Jungunternehmen hat für ihre Idee aus Hard- und Software eine eigene Technologie entwickelt. Über eine App werden Anbieter und Interessenten miteinander verbunden. So sollen User, die etwa per Photovoltaik-Anlage Strom produzieren und nicht alles nutzen, mit anderen Personen über einen “eFriends Cube” vernetzt werden. Die Founder forderten 200.000 Euro für zehn Prozent Anteile.

Bis zu vier Leute anschließen

Es folgte eine harte Fragerunde über Modalitäten und den Nutzen für den User. Katt wusste auf jede Frage eine Antwort und argumentierte damit, dass ein Photovoltaik-Anlagen-Besitzer im Schnitt nur rund ein Drittel des erzeugten Stroms nutze. Mit dem Cube könne er bis zu vier Leuten den überschüssigen Strom verkaufen. 100 Pilot-Kunden würde es in Österreich bereits geben.

Florian Hoffmanns Online Shop
(c) Gerry Frank – Das Startup eFriends möchte mit seinem Cube ein neues Bewusstsein für Stomverbrauch entfachen.

Ein Investor plus nahezu einer

Rohla bot für zehn Prozent 150.000 Euro, was Hillinger auf den Plan rief. Auch er stellte die selbe Summe für die gleiche Beteiligung in Aussicht, forderte aber vorher ein Arbeitsmeeting zwischen den Gründern und einem ihm bekannten Photovoltaik-Experten. Die Founder nahmen die Option des Wein-Experten an und schlugen zudem mit Rohla gleich ein.


⇒ Viita Watches

⇒ simply Bread

⇒ Shavyx

⇒ Pilzkiste

⇒ eFriends Energy

⇒ Puls4/2Min2Mio

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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