12.03.2019

2Min2Mio: fernöstliche Saucen, Flatulenzen-Filter und codende Kinder

Die sechste Folge der aktuellen Staffel von "2 Minuten 2 Millionen" bot Gründer, die sich Gedanken über Blähungs-Gerüche machen, thailändische Kulinarik importieren und Pensionisten als Arbeiter beziehungsweise Kinder als Programmierer im Blick haben.
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(c) Gerry Frank - Acodemy-Gründerinnen Anna Relle und Elisabeth Weißenböck möchten Kinder zum Programmieren animieren.

Der erste Pitch des Abends in der sechsten Folge der aktuellen Staffel von “2 Minuten 2 Millionen” kam von Klaus und Tochter Anna Fuchs. Ihr Startup Chok Chai vereint Saucen, Gewürze und Pasten aus Thailand unter einer Dachmarke.  Zudem zeigt sich das Duo sozial engagiert. Das Unternehmen unterstütz aktiv kranke, missbrauchte und hilflose Kinder in Österreich und Thailand. Für die Vorstellung ihrer Idee haben die Gründer die thailändisch-stämmige Köchin Sasimas Süss mit ins Studio geholt. Sie forderten 100.000 Euro für 20 Prozent Beteiligung.

+++ Benu: 2Min2Mio-Deal wegen weiterer Interessenten noch nicht durch +++

Chok Chai bei Merkur Hoher Markt erhältlich

Die Umsätze der letzten drei Jahre betrugen bei Chok Chai 40,000, 70,000 und 100,000 Euro. Der Vertrieb der Produkte passiert über den Online-Shop, Werbemittelpartner und Einzelhandel, wie etwa beim Merkur Flagship Store am Hohen Markt in Wien. Von den Investoren stieg überraschend Hans Peter Haselsteiner als erster aus. Der Wunschinvestor des Duos ist für sein soziales Engagement bekannt. Er nannte die Idee “großartig” und wünschte dem Duo viel Glück.

Startup-Ticket für die Gründer

Während Wein-Guru Leo Hillinger sich auf Kostproben freute, schaltete sich Markus Kuntke ein, der für BIPA, Merkur und BILLA bei “2 Minuten 2 Millionen” mit dabei ist und “Startup-Tickets” (maßgeschneidertes Coaching von Verkaufs- und Marketingprofis der REWE-Group) verteilt. Kuntke hellte die Stimmung der Gründer nach Haselsteiners Ausstieg auf und lud sie zur Kooperation ein.

Überraschende Wende beim Deal

Das benötigte Kapital stand indes noch auf der Kippe. Mediashop-Chefin Katharina Schneider hatte eine Idee im Kopf. Sie überlegte beim Verkauf von Küchengeräten auf ihrem Kanal an ihre Kunden die Saucen als Geschenke zu verteilen. Allerdings bot sie nur 20,000 Euro für zehn Prozent Anteile, da der Fokus ihrerseits auf der vertrieblichen Seite und nicht beim Cash-Investment liege. Auch Leo Hillinger hatte ein Angebot: 100,000 für 25,1 Prozent Beteiligung. Er wollte sowohl Schneider als auch Martin Rohla mit ins Boot holen. Nach kurzer Beratung entschieden sich die Gründer zur allgemeinen Überraschung nur für den Deal mit der Fernseh- Marketing-Expertin.

Mit Struktur gegen Flatulenzen

Der zweite Auftritt des Abends bei “2 Minuten 2 Millionen” brachte einen Einwegpofilter, der Blähungen geräusch- und geruchlos machen soll. Oxxxo von Leopold Trimmel arbeitet dabei gegen Flatulenz-Gerüche mit einer spezielle Gewebestruktur. Ein persönliches Erlebnis auf einer Zusammenkunft hatte dem gelernten Bäcker die Idee zu seinem Startup geweckt. Das seit 2018 patentierte Produkt wird im Anus eingesetzt und entfernt sich auf natürlichem Weg wieder selbst. Trimmel forderte 300,000 Euro für 30 Prozent der noch zu gründenden Firma.

(c) Gerry Frank – Mit seiner Idee eines Po-Ventils zur Bekämpfung von Blähungs-Gerüchen konnte Gründer Leopold Trimmel keinen Investor überzeugen.

Kein “Zapferl” für Hillinger

Die Jury zeigte sich teils amüsiert, teils interessiert an der Klassifizierung des Produkts. Der Gründer selbst meinte, er würde es im Hygiene-Bereich sehen. Fehlende Studien und ein kein Prototyp sorgten jedoch für Kritik seitens der Investoren. Zudem meinte Hillinger, dass für ihn bereits ein “Zapferl” ein Problem gewesen sei und stieg aus. Schneider empfahl eine Kickstarter-Kampagne, um zu sehen, wie der Markt reagiert. Der enttäuschte Gründer blieb ohne Deal.

Silver Ager Thema bei “2 Minuten 2 Millionen”

Den dritten Auftritt des Abends legten Klaudia Bachinger und Carina Roth mit ihrem Startup WisR hin. Dabei handelt es sich um eine Online-Recruitingplattform für Silver Ager, also ältere Arbeitnehmer und Pensionisten. Dort werden projektbasierte Teilzeit und saisonale Arbeit vermittelt und Pensionisten auf Arbeitssuche mit den passenden Jobangeboten verbunden. Die Gründerinnen wollten für elf Prozent 400.000 Euro haben.

Media-Budget-Angebot von SevenVentures

Das Social Impact Startup, das vorhandene Investoren und Mitgründer Martin Melcher als Unterstützung hinter den Kulissen hatte, erregte die Neugier von Florian Gschwandtner, der rechtliche Fragen zur Pension und Arbeitserlaubnis stellte. Mitten in der Diskussion schaltete sich Daniel Zech im Namen von SevenVentures ein, der heuer wieder Media-Budget an Startups verteilt. Er bot 400.000 Euro TV-Werbebudget für zehn Prozent Anteile.

Angebote abgelehnt

Hillinger verstand zwar die stimmige Thematik des Unternehmens, hatte aber, wie schon so oft Probleme mit der Firmenbewertung. Schneider nannte sie gar utopisch. Nichtsdestotrotz bot Florian Gschwandtner, wie er es nannte, 100,000 Euro “smartes Geld” für zehn Prozent und stellte sein breites Netzwerk in Aussicht. Das Gründer-Duo zog sich zur Beratung zurück. Haselsteiner und der Runtastic-Gründer, der sich darin unnachgiebig zeigte, erwarteten, dass Bachinger und Roth verhandeln würden. Beide wurden aber eines Besseren belehrt. Die Founderinnen lehnten sowohl Gschwandtners als auch Zechs Angebot ab, machten aber dem Juror ein Gegenangebot.

(c) Gerry Frank – WisR-Gründerinnen Klaudia Bachinger und Carina Roth zeigten sich in der Verhandlunsgrunde kämpferisch.

Runtastic-Gründer ins Boot holen

Sie luden Gschwandtner ein, sich an der zukünftigen Finanzierungsrunde – mit einem zehnprozentigem Discount – zu beteiligen, da sie seine Expertise und sein Netzwerk gut gebrauchen könnten. Gschwandter stimmte den Verhandlungen zu. Wie es nach der Sendung mit WisR weiterging, kann man hier nachlesen.

Eine Schule fürs Programmieren

Acodemy hieß das nächste Startup, dass bei “2 Minuten 2 Millionen” vorgestellt wurde. Gründerinnen Anna Relle und Elisabeth Weißenböck bieten Kurse an, in denen Kinder spielend Programmieren lernen. Das Wiener Unternehmen unterrichtet bereits über 300 Kinder. Die Gründerinnen benötigte für ihren Rollout 180.000 Euro für zehn Prozent Anteile.

Die “vierte Grundfähigkeit”

Mit ihrem Motto, Programmieren als “vierte Grundfähigkeit” neben Lesen, Schreiben und Rechnen, fanden sie in Gschwandtner einen Fürsprecher. Besonders beeindruckend: Während des Pitches hatte die Schülerin Helena in der kurzen Zeit ein Spiel in der Programmiersprache “Scratch” vor laufender Kamera erstellt. Feriencamps, Workshops und 40 laufende Kurse brachten dem Startup 2018 bisher einen Umsatz von 200,000 Euro ein.

Aus eins mach zwei

Während Haselsteiner sich schwer tat, für sich selbst ein lukratives Geschäftsmodell bei Acodemy zu erkennen, lobte er die Idee und dachte über andere Wege der Unterstützung für die Gründerinnen nach. Gschwandtner sah das ähnlich, wusste aber um die Zukunftsträchtigkeit des Programmierens. Er bot zuerst 50,000 Euro für fünf Prozent und versuchte Haselsteiner wieder zu aktivieren. Der wiederum sah selbst diese Bewertung zu hoch und meinte, er hätte gern zehn Prozent für 50,000 Euro. Schlussendlich boten die Juroren von “2 Minuten 2 Millionen” gemeinsam 100.000 Euro für jeweils zehn Prozent Firmenanteile.

Zurück zum Ursprung

Das Duo zeige sich nach langer Beratung umso mehr überzeugt von seinem Konzept und lehnte Haselsteiners Offerte ab, brachte aber Gschwandtners Erstangebot wieder ins Spiel. Jener bestand auf eine Überprüfung der Firmenzahlen und schlug mit Relle und Weißenböck ein.

Mit Kashmir den DACH-Raum erobern

Den Abschluss der Sendung bildete Matthias Gebauer mit seinem Startup Direct Cashmere. Der ehemalige Fußballer der Wacker Innsbruck Jugend musste seine Sportkarriere aufgrund einer Verletzung ad Acta legen. Nun bietet er mit einem Produzenten in der Mongolei den direkten Verkauf von Kashmir-Pullovern von echten Nomaden ohne Zwischenhändler an. Vertrieben wird das Kleidungsstück über einen Online-Shop. Er wollte für 15 Prozent 180.000 Euro haben, um der größte Kashmir-Produzent im DACH-Raum zu werden.

“Verhandlungs-Hin-und-Her”

Nach Anprobe-Sessions und der Fragerunde stieg Haselsteiner als erster aus. Er sah kein Geschäftsmodell und eine zu hohe Bewertung. Schneider riet, die Pullover zu branden, investierte aber nicht, da sie nicht im Fashion-Markt daheim sei. Gschwandtner sah das Potential für E-Commerce und meinte, die Webseite gehöre optimiert. Rohla fand den Ansatz des Gründers zur großen Transparenz gut und bot für 25,1 Prozent 100,000 Euro. Gebauer wartete mit 20 Prozent für 120,000 Euro als Gegenvorschlag auf. Inklusive eines Mitspracherechts im Vertrag. Der Investor kämpfte jedoch um mehr Anteile und wollte 25 Prozent für die geforderten 120,000 Euro haben. Dieser Deal ging dann durch.


⇒ Chok Chai

⇒ Oxxxo

⇒ WisR

⇒ Acodemy

⇒ Direct Cashmere

⇒ Puls4/2Min2Mio

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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