16.06.2017

Accelerator-Programme: Schnelles Wachstum für Startups

Ein Startup in kurzer Zeit zu möglichst viel Wachstum führen – das ist die Aufgabe von Accelerator-Programmen. Doch der Erfolg ist von vielen Komponenten abhängig.
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(c) fotolia.com - Olivier Le Moal

„Zeit ist Geld“ – dieses bekannte Sprichwort geht auf Benjamin Franklin zurück. Er prägte den Satz 1748 in seinem Buch „Ratschläge für junge Kaufleute“. So sehr sich die Zeiten inzwischen geändert haben – der Spruch ist, gerade für junge Unternehmer, hochaktuell. Denn Startups stehen immer vor der gleichen Herausforderung: Das Geschäft muss schnell anlaufen, der Break-Even-Point muss bald nach der Gründung erreicht sein. Bleibt man nicht im Zeitplan, geht das Geld aus und man scheitert. Gelingt es hingegen, schneller zu sein als kalkuliert, hat man Reserven für weitere Investitionen übrig.

+++ Unterschiede zwischen Accelerator und Inkubator – Was Startups wissen sollten +++

Mehr Ablenkung als Beschleunigung?

Genau um diese Beschleunigung, das Übertreffen des Zeitplans, geht es bei Accelerators (engl.: Beschleuniger). In kurzer Zeit soll bei Startups möglichst viel Wachstum kreiert werden. Doch nicht jedes Beschleunigungsprogramm hält, was es verspricht. „Viele Accelerators tragen mehr zur Ablenkung als zur Beschleunigung bei“, sagt Martin Bittner. Der Mann weiß, wovon er spricht: Mit seinem Startup acccoi
(Acceleration & Coinnovation) berät er Konzerne und Initiativen beim Aufbau von Accelerator-Programmen und betreibt daneben mit dem „Scaleway Accelerator“ ein eigenes Programm für Later-Stage-Startups. Gelernt hat der Serial Entrepreneur das bei Cisco, wo er in drei Jahren mit seinem Team zwei erfolgreiche Corporate Accelerators aufbaute. Nun betreibt er mit acccoi, wie er es nennt, einen „Accelerator
für Accelerators“.

Die ganze Organisation mitnehmen

„Ein gutes Accelerator-Programm hat eine klare Matrix“, sagt er. Es müssten konkrete Ziele verfolgt werden. Das Motto „Schauen wir
einmal, was dabei rauskommt“ führe zu nichts. Mit seiner Firma betreut Bittner mehrere Corporate Accelerators. Dort sei es wichtig, dass die Startups wirklich in das Businessmodell der Corporates passen. Man müsse die ganze Organisation mitnehmen können, sagt Bittner. Für ihn sei es auch essenziell, bereits vorab festzulegen, wie der Konzern mit dem Startup kooperieren will. Dabei gebe es fünf Möglichkeiten: Die beiden Firmen können voneinander lernen und lose verbunden bleiben; das Corporate kann Kunde des Startups werden; es kann die Technologie des Startups über eine Lizenz integrieren; es kann über ein Co-Investment Anteile des Startups erwerben; oder es kann das Startup übernehmen und komplett integrieren. „Wenn wir mit einem Corporate arbeiten, fordern wir diese Entscheidung schon sehr früh ein. Die sind es nicht gewohnt, dass man sie so festnagelt, aber es führt zum Erfolg“, erzählt Bittner.

Der richtige Zeitpunkt

Auch für Startups gilt es, den Gang in einen Accelerator gut vorzuplanen. Rudolf Ball, Founder des Kärntner Smart-City-Startups Symvaro warnt davor, zu früh an einem Programm teilzunehmen: „Das Produkt sollte bereits am Markt, Kunden bereits vorhanden sein“, sagt er. Zunächst hatte er ein Accelerator-Programm für sein Startup nicht in Erwägung gezogen: „Ich dachte mir: Wir sind auf einem guten Weg, wir wachsen schnell. Was sollten diese Leute uns beibringen können?“ Doch dann konnte ein Programm aus Ljubljana, das an ihn herangetreten war, Ball überzeugen. Und er bereute es nicht: „Tatsächlich hat der Accelerator unser Wachstum schnell enorm beschleunigt.“ Verantwortlich dafür sei das umfassende Mentorennetzwerk gewesen. Zugleich fand er über das Programm neue Business Angels, die insgesamt 300.000 Euro in Symvaro investierten.

„Wenn ich höre, dass ein Startup zugleich in zwei Accelerators ist, mache ich mir Sorgen.“

Nichts für Early-Stage-Startups

Auch Bittner ist überzeugt, dass das Startup den richtigen Zeitpunkt wählen muss: „Die Gründer brauchen die nötigen zeitlichen Ressourcen. Die Finanzierung muss vorab für die Dauer des Programms gesichert sein, denn die Investorensuche geht sich neben diesem
Prozess nicht aus“, sagt er. „Wenn ich höre, dass ein Startup zugleich in zwei Accelerators ist, mache ich mir Sorgen.“ Was die Phase des Unternehmens angeht, in der die Teilnahme an einem Programm sinnvoll ist, stimmt er mit Ball überein: Early-Stage-Startups hätten oft noch ganz grundsätzliche Dinge zu lernen und wären daher mit anderen Modellen als einem Accelerator-Programm besser beraten.

+++ Tipp von Acccoi für digitale Zukunft: Co-Innovation statt Corporate Innovation +++

Fünf zahlende Kunden und Finanzierung für die nächsten 22 Wochen

Mit dem Scaleway Accelerator, einem eigenen Programm, das er mit acccoi auf die Beine gestellt hat, spricht Bittner ausschließlich Later-Stage-Startups aus dem IT-Bereich mit einem B2B-Modell an. „Wir wollen Firmen, die skalieren können, ein Businessmodell haben und das auch exekutieren können“, sagt er. Die Startups müssten fünf zahlende Kunden vorweisen und die Finanzierung für 22 Wochen, die das Programm dauert, gesichert sein. Dafür hat der Scaleway Accelerator auch einiges zu bieten: Der Fokus des Programms liegt auf dem Sales-Bereich – dort haben Bittner und sein Team langjährige Erfahrung und ein umfassendes Netzwerk. In den ersten sechs Wochen des Programms wird gemeinsam mit einem persönlichen Sales-Consultant eine Strategie erarbeitet. In den folgenden 16 Wochen geht es dann auf intensive Kundenakquise im Netzwerk.

Contra Anteile: “Ringkampf mit bestehenden Investoren”

Startup-Anteile will Bittner dafür nicht haben. „Wenn man bei einem Later-Stage-Startup Anteile nimmt, gerät man in einen Sumo-Ringkampf mit bestehenden Investoren“, sagt er. Genauso ablehnend steht er einem Work-for-Equity-Deal von Early-Stage-Accelerators gegenüber: „Am Beginn Anteile zu nehmen verkompliziert alles extrem.“ Denn statistisch gesehen würden 80 Prozent der Startups scheitern und man müsse diese Beteiligungen dann alle verwalten. Besonders drastisch drückt er es in Bezug auf konzerneigene
Programme aus: „Ein Corporate Accelerator ist keine Bank. Er hat nicht die Aufgabe, über Anteile reich zu werden.“ Die Entscheidung über eine Investition müsse später getroffen werden.

Pro Anteile: “keine homöopathischen Beträge”

Ganz anders handhabt es Serial Founder Martin Pansy (unter anderem sms.at, Nuki) mit seinem Grazer Accelerator Up to Eleven: „Die Startups, die wir aufnehmen, finanzieren wir nicht mit homöopathischen Beträgen“, sagt er. Up to Eleven beteilige sich prinzipiell mit 30 Prozent oder mehr. Ziel sei es, das Startup ein ganzes Jahr finanzieren zu können und in dieser Zeit rasches Wachstum zu erzielen. Dazu ergänzt er die Startups, die aus dem Mobile-Bereich kommen müssen, mit Experten aus seinem breit aufgestellten Team: „In Österreich gibt es häufig Teams, die aus drei ausgezeichneten Technikern bestehen, wo aber niemand Sales oder Marketing beherrscht. Umgekehrt gibt es Leute, die haben eine gute Idee und das wirtschaftliche Knowhow, ihnen fehlt aber die technische Kompetenz“, erklärt Pansy sein Konzept.

Fazit: Es will gut überlegt sein

So unterschiedlich die Erfolgsrezepte der verschiedenen Accelerators auch sein mögen: Für Startups lässt sich die Option, an so einem Programm teilzunehmen, letztendlich auf eine einfache Formel hinunterbrechen: Es will gut überlegt und geplant sein. Denn der Nutzen ergibt sich nur dann, wenn man die Ressourcen hat, das im Accelerator Gebotene auch wirklich zu verwerten. Dazu muss man vorbereitet sein und das Programm auswählen, bei dem man für die eingesetzte Zeit am meisten bekommt. Denn am Ende bewahrheitet sich wieder die alte Weisheit: „Zeit ist Geld.“

+++ Interview mit Martin Pansy: 100 Prozent sind nicht genug +++

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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