26.06.2019

Sandboxes bis RWR-Card: JW mit 9 Forderungen für eine KI-Strategie

Wann es tatsächlich eine nationale KI-Strategie für Österreich geben wird, ist unklar. Die Junge Wirtschaft (JW) platzierte heute jedenfalls einen Forderungskatalog dazu.
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(c) fotolia / sdecoret

Das Thema Künstliche Intelligenz beflügelt momentan wie kaum ein anderes die Fantasie von Entscheidern und solchen, die es gerne wären. Neben großen gesellschaftlichen Fragestellungen steht dabei – etwas nüchterner gesehen – vor allem die wirtschaftliche Entwicklung zur Disposition. Man will nicht sprichwörtlich zwischen China und den USA zerquetscht werden. Auch bei der Jungen Wirtschaft (JW) macht man sich Sorgen, ob Österreich noch rechtzeitig eine KI-Strategie zustande bringt, die das Land vor derzeit gerne lancierten Worst-Case-Szenarien bewahrt.

+++ KI-Roadshow: Junge Wirtschaft präsentiert erfolgreiche KI-Unternehmen +++

KI-Strategie “muss zentraler und vorrangiger Inhalt werden”

Denn nach dem vorzeitigen Ende der türkis-blauen Regierung sind Pläne für eine KI-Strategie on hold. Wann es damit weiter geht, und wie die Strategie am Ende aussehen wird, ist entsprechend unklar. JW-Bundesvorsitzende Christiane Holzinger stellt jedenfalls klar: “Welche Regierung auch immer ab Herbst am Zug ist: das KI-Potenzial für Österreich zu heben, muss zentraler und vorrangiger Inhalt werden. Immerhin wissen wir aus aktuellen Berechnungen, dass durch den Einsatz von KI bis 2035 ein Wachstum von drei Prozent für die österreichische Wirtschaft erreicht werden kann”.

9 Punkte von JW und AI Austria

Dazu entwickelte die JW gemeinsam mit dem Think Tank AI Austria unter Führung von enlite.ai-Gründer Clemens Wasner einen neun Punkte starken Forderungskatalog. Basis dafür seien auch die Ergebnisse der von der JW im ersten Halbjahr 2019 durchgeführten Roadshow zum Thema KI gewesen, an der mehr als 1.300 Unternehmen teilgenommen haben.


1. “Big Data-Infrastruktur bereitstellen”

Der Zugang zu Daten sei essenziell für die Forschung, Anwendung und Weiterentwicklung von KI-Lösungen, heißt es im JW-Paper. Österreich solle als Vorreiter und Vorbild in Europa eine funktionierende Big Data Infrastruktur aufbauen (GDPR konform, State-of-the-Art Datensicherheit), die Forschung und Implementierung von KI Use Cases vereinfache und möglichst vielen Akteuren den Zugriff ermögliche. Denn je mehr Player Zugang zu Daten bekämen, desto mehr Anwendungen könnten getestet, umgesetzt und weiterentwickelt werden.

2. “Regulatory Sandboxes schaffen”

“Unternehmen und insbesondere Startups sollen neue Entwicklungen möglichst einfach und unbürokratisch testen können”, wünscht man sich bei der JW. Ein bewährtes Instrument sei die Einführung gesetzlicher Sandboxes, in denen keine traditionellen regulatorischen Innovationshürden bestehen. Im Bereich FinTech wird diese Modell übrigens bereits angewendet.

3. “Eigentum innovationsfreundlich sichern”

Die einheitliche Regelung von Intellectual Property-Rechten in Bezug auf Daten und Modelle sei ein wichtiger Erfolgsfaktor für Forschung, Entwicklung und Anwendungen im KI-Bereich, heißt es von der JW. “Zudem sollen grundlegende Standardpatente implementiert werden, welche die Interkonnektivität und Interoperabilität zwischen KI-Systemen sichern”. Dazu kommt ein weiterer konkreter Vorschlag: Die Etablierung von öffentlichen Patent-Pools erleichtere den schnellen Austausch von Know-how und fördere die Verbreitung der Technologie sowie die Nutzung von Erkenntnissen für verschiedene Use Cases.

4. “Fachkräfte aus- und weiterbilden”

Österreichs Wirtschaft brauche ausreichend qualifizierte Fachkräfte in den Bereichen Machine Learning (ML) und KI, wünscht sich die JW. Bei der Ausbildung der Fachkräfte in den unterschiedlichen Bildungseinrichtungen und auf unterschiedlichen Niveaus sei eine strukturierte Vorgangsweise notwendig, die sich an der Wertschöpfungskette orientiere. Die JW streicht dabei konkrete Kompetenzprofile heraus: Für Forscher, Ingenieure, Manager und “Helfer” im KI-Bereich brauche es demnach entsprechend unterschiedliche Ansätze.

5. “RWR-Card für KI-Fachkräfte weiterentwickeln”

Zusätzlich zur ambitionierten Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Inland in den Bereichen KI und ML müsse Österreich verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland anwerben, heißt es von der JW. Die geplanten Verbesserungen bei der RWR-Card (Rot-Weiß-Rot-Karte) seien auch unter diesem Aspekt konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln. Das gelte besonders für die Punkte leichtere Anerkennung der Qualifikation, (insbesondere für nicht-formale Bildung und Praxis), Absenkung des Mindestgehalts, Streichung des Erfordernisses “ortsübliche Unterkunft”, Einführung einer digitalen Antragseinbringung und Schaffung einer maximalen Verfahrensdauer von acht Wochen auch bei der Erteilung von job seeker-Visa

6. “Wahlweise Bilanzierung eigenerstellter immaterieller Vermögensgegenstände”

Heute werde zunehmend in Software, Forschung und Entwicklung, Konzessionen, Patente, Lizenzen, Marken-, Urheber- und Verlagsrechte, Zuteilungsquoten, Kontingente, Syndikatsrechte, ungeschützte Erfindungen, Geheimverfahren, Belieferungsrechte, und bestimmte Optionsrechte investiert, ist im Paper zur KI-Strategie zu lesen. “Immaterielle Vermögensgegenstände sollen daher auch als solche in der Bilanz dargestellt werden können”, wünscht sich die JW. Die geforderte wahlweise Aktivierungsmöglichkeit ermögliche es der Standortpolitik, gezielt ausländische Firmen mit hohen Anteilen an immateriellen Investitionsgütern anzusiedeln. Andere Länder hätten bereits entsprechende Möglichkeiten geschaffen.

7. “Gemeinsame KI-Strategie für Europa”

“Während insbesondere asiatische Regierungen ihre KI-Bemühungen intensivieren und strategisch entwickeln, hat Europa noch keinen umfassenden Plan für die notwendige Aufholjagd”, bekrittelt die JW. Aktuelle Schritte der EU-Kommission seien zu begrüßen, aber zu wenig weitreichend. “Eine gemeinsame KI-Dachstrategie für Europa muss u.a. auf mehr Wagniskapital, steuerliche Anreize in der Grundlagenforschung, verstärkte Ambitionen in Aus- und Weiterbildung und vor allem auf eine bessere Koordination der nationalen Initiativen ausgerichtet sein. Die bestehende KI-Expertengruppe auf EU-Ebene ist um Praktiker aus Unternehmen zu erweitern. In den EU-Programmen sind entsprechende Rahmenbedingungen für KI zu gewährleisten, wie u.a. die Förderung von Infrastruktur sowie die Umsetzung von Open Data-Konzepten für europäische Forscher und Unternehmen”, fordert die JW. Konkret wünscht man sich dazu, dass Horizon Europe mit mindestens 120 Milliarden Euro dotiert wird, davon 60 Prozent “zur Stärkung der Wertschöpfungsketten der europäischen Wirtschaft durch innovative Impulse aus Schlüsseltechnologien wie KI”.

8. “Awareness schaffen”

Maßnahmen zur Information der Bevölkerung und zur Förderung des Austauschs mit KI-Experten seien als Begleitmaßnahme von zentraler Bedeutung, heißt es von der JW. Die Information und Diskussion müsse dabei “faktenbasiert und in verständlicher Sprache” stattfinden. “Die Potenziale von KI für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung sind in Informationskampagnen zu kommunizieren”.

9. “KI-Entwicklung gesellschaftlich begleiten”

Die Entwicklung und Anwendung von KI sei nicht losgelöst von gesellschaftlichen Normen und ethischen Wertvorstellungen zu sehen, räumt die JW abschließend ein. “Vor diesem Hintergrund ist eine qualifizierte ethische Begleitung der KI-Einführung in den unterschiedlichsten Lebens- und Gesellschaftsbereichen notwendig. Dies kann durch die Etablierung u.a. einer globalen KI- oder Datenethikkommission (auf Ebene der UN) gewährleistet werden, die sich mit ethischen Grundprinzipien bei der Entwicklung, Programmierung und Nutzung von KI, mit ethischen Grenzen für den Einsatz von KI und Robotern, mit der Kontrolle von Maschinen, die auf KI-Basis arbeiten, sowie mit den Grundwerten der Freiheit und Verantwortung unter den Bedingungen Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt”, heißt es im KI-Strategie-Paper. Dabei ginge es auch darum, “unbegründete Ängste vor KI-Anwendungen zu nehmen”.


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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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