30.01.2017

Startup-Paket im aktuellen Regierungsprogramm

Nächtelang wurde im Bundeskanzleramt verhandelt. Doch am Sonntagabend war es dann so weit, die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ kamen zu einer Einigung. Auch das böse N-Wort (Neuwahl), das immer wieder im Raum stand, ist kein Thema mehr. Erfahrt hier, was das neue Regierungsprogramm für die Startup-Szene beudetet.
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Harald Mahrer fordert auch mit dem neuen Regierungsprogram, dass Österreich Gründerland Nummer 1 in Europa wird.

“In diesem Programm hat sich in vielen Punkten die Zukunft gegen das Mittelalter durchgesetzt. Unsere Projekte sollen Österreich Richtung Innovationsführerschaft und Weltspitze führen und langfristig viele neue Jobs schaffen. Mit der Digitalisierung zieht sich ein Megathema durch das gesamte Programm, das für die Zukunft Österreichs entscheidend ist”, sagt Staatssekretär Harald Mahrer über das neue Regierungsprogramm.

“Weltmarktführer hervorbringen”

Was natürlich auch in einem neuen Regierungsprogramm nicht fehlen darf, ist Mahrers wiederkehrende Forderung, Österreich zu Europas Gründerland Nummer 1 zu machen. Es wurde ein eigener Bottum-Up Prozess ausgearbeitet, der dieses Ziel etwas näher rücken lassen soll. Wissenschaft, Forschung, Bildungseinrichtungen, Wirtschaft, Industrie und das Startup-Ökosystem sollen sich “gemeinsam Richtung Zukunft” bewegen. Aus den entstehenden Clustern und Exzellenznetzwerke, werden in dann in weiterer Folge neue Weltmarktführer herausgebracht – zumindest in der Theorie.

Redaktionstipps

Der Bottum-Up Prozess

Open Innovation Prozess

  1. Um Schwerpunktfelder zu identifizieren, in denen ein hohes Potenzial zur internationalen Marktführerschaft gesehen wird, starten BMWFW und BMVIT einen Open Innovation Prozess. Unter Beteiligung von Startups, Inkubatoren, Leitbetrieben sowie Wissenschafts-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen werden die bestgeeignetsten Schwerpunktfelder mit dem größten Potenzial herausgearbeitet.

    Analyse

  2. Aus der Analyse ergeben sich Stärkebereiche in denen Österreich einen spezifischen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern hat bzw. zukünftig haben könnte. Es erfolgt eine Entscheidung, welche Bereiche und Innovationssysteme am besten »skalierbar« sind und wo Österreich auf Grund seiner Gegebenheiten international Weltspitze sein kann. Zudem wird analysiert, welche Maßnahmen jeweils für ein konkretes Exzellenznetzwerk oder einen Cluster notwendig sind. Dieser Prozess soll bis Ende 2017 abgeschlossen sein.

    Einsatz privates Risiko- und Wachstumskapital verbesseren

  3. Im Jahr 2018 erfolgt die Umsetzung der definierten Maßnahmen in einer Partnerschaft zwischen Unternehmen und Staat. Um dies zu unterstützen, soll der Einsatz privaten Risiko- und Wachstumskapitals verbessert werden. Insgesamt soll eine Milliarde Euro von Banken, Versicherungen und Stiftungen für die Finanzierung und Investments in Startups, Spin-Offs und Wachstumsunternehmen mobilisiert werden. Dafür sollen primär kapitalschonende Instrumente, wie staatliche Garantien und aufkommensneutrale Maßnahmen, wie eine Flexibilisierung des Stiftungsrechts sowie eine Reformierung von Veranlagungsvorschriften zur Anwendung kommen. Diesbezüglich legen BKA, BMWFW und BMF bis Ende Juni 2017 einen konkreten budgetneutralen Entwurf vor.

    Jeder Cluster ist einem Fachbereich gewidmet

  4. Jedes Exzellenznetzwerk und jeder Cluster ist einem Fachbereich gewidmet und soll über optimale Forschungsanbindung, weltweit einzigartige Industriepartnerschaften, eine attraktive Infrastruktur (von Räumlichkeiten bis Datenanbindung), internationale Kooperationen und Finanzierungsmöglichkeiten für die Gründungs- und für die Wachstumsphase verfügen. Gefördert wird beispielsweise die Finanzierung von Grundlagen- und angewandter Forschung in Verbindung mit Prototypenentwicklung, Infrastrukturkosten (z. B. Geräte, Co-Working Spaces etc.), gemeinsam nutzbare Innovations-, Gründungs- und Finanzierungsexpertise sowie Beratungsleistungen wie etwa Steuer- oder Rechtsberatung, Personalkosten für gemeinsame administrative Services.

Ohne Infrastruktur keine Digitalisierung

Zu Mahrers Kernfoderungen im Bereich der Digitalisierung gehört der Ausbau der digitalen Infrastruktur. “Ohne Infrastruktur keine Digitalisierung. Wir wissen, dass wir im internationalen Vergleich Aufholbedarf haben, die Breitbandmilliarde auf Verbesserungen geprüft werden und Österreich schon jetzt beginnen muss, Maßnahmen zu setzen, um 5G Pionier-Land zu werden”, erklärt Mahrer.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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