26.07.2024
GASTBEITRAG

Olympia 2024: Leadership-Zehnkampf – die Königsdisziplin der Führung

Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, vergleicht den Zehnkampf mit den Erfordernissen von modernem Leadership. Und findet in den jeweiligen Disziplinen des Königswettbewerbs der Leichtathlet:innen einige Leadership-Learnings.
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Zehnkampf, Olympa, Leadership, Stöttinger, WU Executive Academy,
(c) WU Executive Academy - Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy,

Am 26. Juli werden in Paris die 33. Olympischen Sommerspiele feierlich eröffnet, bei denen Athlet:innen in verschiedenen Sportdisziplinen um Medaillen rittern. Jede Disziplin ist dabei etwas Besonderes, eine allerdings sticht zweifelsohne heraus: der Zehnkampf. Bei diesem Wettkampf genügt es nicht, in einer Disziplin Weltklasse zu sein. Nur echte Allround-Talente schaffen es, in allen zehn Einzelbewerben Top-Leistungen abzurufen. Für Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, drängen sich die Parallelen zum Leadership daher geradezu auf: Auch Führungskräfte müssen in vielen “Disziplinen” gleichzeitig reüssieren, um ihre Teams und ihre Unternehmen in unsicheren Zeiten erfolgreich in die Zukunft zu führen. Was sich Führungskräfte von Zehnkämpfern in den jeweiligen Disziplinen abschauen können, erfährt man im Folgenden.


Mit vier Lauf-, drei Sprung- und drei Wurfdisziplinen, die von den Athlet:innen enorme Vielseitigkeit, Ausdauer und Flexibilität erfordern, wird der Zehnkampf nicht umsonst als Königsdisziplin der Leichtathletik bezeichnet. Und genauso verhält es sich auch bei der Führungsarbeit: Leadership ist die Königsdisziplin des Managements, weil Führungskräfte über ein umfangreiches Set an Hard-, Soft- und Meta-Skills verfügen müssen, um ihren immer anspruchsvolleren Aufgaben gerecht zu werden.

Führungskräfte – die Zehnkämpfer unter den Managern

Anlässlich der olympischen Sommerspiele 2024 in Paris hat sich Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, genauer angesehen, was Führungskräfte in den jeweiligen Lauf (A), Sprung (B)und Wurfdisziplinen (C) von Zehnkämpfern lernen können:

A: Die Laufdisziplinen – Schnelligkeit, Koordination und Ausdauer

Disziplin: 100-Meter-Lauf
Um beim 100-Meter-Lauf erfolgreich zu sein, braucht der Läufer unterschiedliche Zutaten: Schnelle Reaktionsfähigkeit nach dem Startschuss, Explosivität aus dem Startblock, um schnell Geschwindigkeit aufzunehmen, kraftvolle, koordinierte Schritte in der richtigen Körperhaltung und die entsprechende Schnelligkeitsausdauer bis zum Schluss, um nicht schon vor dem Ziel Geschwindigkeit einzubüßen.

Leadership-Learning: Auch als Führungskraft gibt es regelmäßig Situationen, in denen für eine kurze Zeit die Maximalleistung abgerufen werden muss. In einer plötzlich eintretenden Krisensituation etwa ist es unerlässlich, blitzschnell auf unerwartete Ereignisse zu reagieren und jene Maßnahmen zu ergreifen, die sofort Wirkung erzielen. Dazu ist es notwendig, das Team so zu motivieren, dass es kurzfristig Höchstleistungen erbringen und über sich hinauswachsen können. Führungskräfte müssen dabei in der Lage sein, einerseits verschiedene Aufgaben und Prioritäten gleichzeitig zu managen, und andererseits unter Druck klar zu denken, ruhig zu bleiben und Zuversicht auszustrahlen, um bis zum Schluss gemeinsam durchhalten zu können.

Disziplin: 110-Meter-Hürdenlauf
Alle Eigenschaften des 100-Meter-Läufers sind auch bei dieser Disziplin unerlässlich. Was allerdings hinzukommt, ist die Fähigkeit, Schnelligkeit beim Laufen mit Geschicklichkeit und der richtigen Vorausschau zu verbinden, um die Hürden am effizientesten zu überwinden.

Leadership-Learning: Führungskräfte sehen sich häufig in Projekten mit ähnlichen Situationen konfrontiert: Auch bei noch so exakter Planung poppen immer wieder Schwierigkeiten und unvorhergesehen Ereignisse auf, die schnell gelöst werden müssen, um die zeitlichen Vorgaben des Projekts einzuhalten. Dabei ist es für Führungskräfte besonders wichtig, sich nicht nur flexibel auf neue Situationen einstellen und zukünftige Hindernisse antizipieren zu können, sondern auch nach Rückschlägen schnell wieder auf die Beine zu kommen und den Fokus nicht zu verlieren, damit das Team weiterhin handlungsfähig bleibt.

Disziplin: 400-Meter- und 1500-Meter-Lauf
Im Unterschied zu den beiden vorhergegangenen Laufdisziplinen geht es beim 400- und 1500-Meter-Lauf vor allem um Ausdauer, Energieverteilung und Rhythmus. Für den Läufer ist es notwendig, die Geschwindigkeit über die ganze Distanz so zu dosieren, dass er in allen Phasen des Rennens schnell genug ist, am Ende aber noch ausreichend Energie für den Endspurt hat.

Leadership-Learning: Ein Beispiel, in dem sich Führungskräfte in einer ähnlichen Situation wie ein 1500-Meter-Läufer befinden, ist ein Produktentwicklungsprozess. Auch hier ist es wichtig, dass der Entwicklungsprozess mit einer intensiven Phase beginnt, in der die Vision, Ziele und Anforderungen klar definiert werden. Es ist entscheidend, dass das Team schnell an Fahrt gewinnt, um erste wichtige Meilensteine zu erreichen. Nach den Prototypen und einer ausführlichen Testphase geht es in Richtung Produkt-Launch und Skalierung.

Beim Leadership und für die Führungskraft ist es entscheidend, über den gesamten Prozess hinweg durch regelmäßige Kommunikation, Anerkennung von Leistungen und Unterstützung in schwierigen Phasen das Team motiviert und fokussiert zu halten. Gleichzeitig sollte sie die Resilienz und die Flexibilität im Team fördern, um Herausforderungen zu meistern und den Entwicklungszyklus erfolgreich abzuschließen. Und schließlich bedarf es noch einmal einer besonderen Anstrengung (von allen) im Finish, wenn es darum geht, die Markteinführung des Produkts vorzubereiten (intensive Marketingaktivitäten, Vertriebsstrategien und eventuell letzte Anpassungen am Produkt) und zu begleiten.

B: Die Sprungdisziplinen – Vorbereitung, Risikoabschätzung und Zielsetzung

Disziplin: Weitsprung
Beim Weitsprung kommt es für Athlet:innen auf zwei Dinge an, um einen möglichst perfekten, also weiten, Sprung hinzulegen: erstens, die Vorbereitung. Die exakte Schritttechnik (Länge, Rhythmus, dynamische und kraftvolle Ausführung, etc.) im Anlauf ist entscheidend, um das optimale Timing beim Absprung zu schaffen. Das führt uns gleich zu zweitens: den Mut zum Risiko. Nur jene Sportler haben das Zeug zum Olympiasieger, die auch bereit sind, ganz nahe an die Grenzen (hier: die Absprunglinie) zu gehen, ohne zu übertreten.

Leadership-Learning: Auch bei der Führungsarbeit gilt: Vorbereitung ist alles, denn in fast jeder Situation beeinflussen die “Schritte” vor dem Start das Ergebnis maßgeblich. Egal, ob es sich um ein Projekt, um die Neuausrichtung des Teams oder die Eroberung eines neuen Marktes geht – wer sich entsprechend vorbereitet, ist den halben Weg Richtung Erfolg schon gegangen.

Gleichzeitig bewahrheitet sich auch im Business-Kontext die Weisheit “Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.”: Gerade in unserer schnelllebigen und volatilen Zeit gehört Mut zu den wichtigsten persönlichen Eigenschaften einer Führungskraft: die Fähigkeit, Risiken entsprechend zu bewerten, Neues auszuprobieren und kluge Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen voranbringen, ohne es unnötig zu gefährden.

Disziplin: Hochsprung und Stabhochsprung
Auch bei diesen beiden Disziplinen gilt natürlich, was auch für den Weitspringer wichtig ist. Eine besondere Eigenschaft, die allerdings für den (Stab-)Hochspringer dazukommt, ist es, bereits im Vorfeld genau einschätzen zu können, wie hoch man hinaus will bzw. welche Latte man sich zu überspringen zutraut.

​Leadership-Learning: Auch Führungskräfte sind gut beraten, sich Ziele zu setzen, die durchwegs ambitioniert sein können, aber dennoch realistisch zu erreichen sind. Es bringt nichts, immer nur nach den “Low-hanging Fruits” Ausschau zu halten. Genauso wenig empfiehlt es sich, bei jedem Projekt völlig unrealistische Zielsetzungen zu definieren. Dies führt nur zu Frustration und Resignation bei den Mitarbeitern und deutlich verminderter Produktivität und Qualität.

Manchmal allerdings gibt es Rahmenbedingungen, die ein Ergebnis zulassen, das weit über den gesteckten Zielen liegt. Diese Rahmenbedingungen zu identifizieren und sie entsprechend zu nutzen, zeichnet außergewöhnliche Führungsgespräche aus.

C: Die Wurfdisziplinen – Fokus, Explosivität und perfektes Timing

Disziplin: Speerwurf
Neben der Beherrschung der (sehr komplexen) Wurftechnik geht es beim Speerwurf vor allem um Konzentration, Fokus und Selbstvertrauen. Die Fähigkeit, sich zum einen mental auf den Wurf vorzubereiten und sich auch unter schwierigen Bedingungen konzentrieren zu können, und zum anderen das Ziel und die Zielzone genau vor Augen zu haben und den Speer im richtigen Moment loszulassen, zeichnet einen Weltklasse-Speerwerfer aus. Entscheidend dabei ist auch, dass Athlet:innen ihre eigenen Fähigkeiten bedingungslos vertrauen und im richtigen Moment Maximalleistung abrufen können.

Leadership-Learning: Damit Führung gelingt, braucht es auch hier ein umfangreiches Set an Knowhow, Erfahrungen, ein Growth-Mindset und die entsprechenden (Meta-)Skills. All das ist notwendig, um in unserer BANI-Welt (Anm.: brittle, anxious, non-linear, incomprehensible) die unternehmerischen, aber auch die persönlichen Ziele und jene für das Team zu erreichen.

Das gelingt am besten, wenn Führungskräfte klare Ziele definieren, sie transparent ans Team kommunizieren und diese auch konsequent verfolgen, indem sie alle Maßnahmen und Aktivitäten darauf ausrichten. Auch hier der Schlüssel zum Erfolg: das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und Entscheidungen.

Disziplin: Kugelstoßen
Kugelstoßen ist im wahrsten Sinn des Wortes die schwerste Disziplin beim Zehnkampf. Ziel ist es, eine Metallkugel (bei Frauen min. 4 kg und bei Männern min. 7,26 kg) aus einem klar definierten Wurffeld, dem Stoßring (2,135 m Durchmesser), möglichst weit in ein begrenztes Landefeld, dem sogenannten Abwurfsektor (= Ausschnitt des Leichtathletikstadions von knapp unter 35°) zu werfen, ohne zu übertreten.

Dabei müssen die Athlet:innen unter allen Umständen einen kühlen Kopf bewahren und kurzfristig ihre ganze Kraft und Entschlossenheit aufbringen, um die schwere Kugel so weit wie möglich zu stoßen. Mentale Stärke ist hier besonders wichtig, um sich auf den schweren Stoß so vorzubereiten, damit sie im Bruchteil einer Sekunde explosionsartig maximale Leistung abrufen können.

​Leadership-Learning: Besonders in Krisensituationen können sich Führungskräfte von Kugelstoßern einiges abschauen: Auch sie müssen in kürzester Zeit ihre ganze Energie bündeln, dabei unter Druck schwierige und zugleich schwerwiegende Entscheidungen treffen, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Sie dürfen nicht davor zurückscheuen, (auch noch so) schwere Aufgaben besonnen anzupacken, müssen innerhalb eines gewissen “Spielfelds” agieren und gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum durchhalten.

Disziplin: Diskuswurf
Diskuswerfer sind Meister der Vorbereitung. Sie haben eine besondere Gabe, sich den perfekten Wurf bereits im Vorfeld zu visualisieren und so einzuprägen, damit sie ihn anschließend beim Wettkampf auch genauso ausführen können. Neben einem komplexen Bewegungsablauf kommt es beim Diskuswurf vor allem auch auf das richtige Timing der Rotationsbewegung und des Ablaufs an, weil der genaue Zeitpunkt des Loslassens der Wurfscheibe und der Abwurfwinkel maßgeblich über die Weite entscheiden.

Leadership-Learning: Damit Dinge auch im beruflichen Kontext “abheben” bzw. so richtig “ins Fliegen kommen”, brauchen Führungskräfte ähnliche Qualitäten und Eigenschaften: Da wir in einer Welt leben, in der Fünf-Jahres-Pläne völlig überholt sind, weil sich Rahmenbedingungen in immer kürzeren Abständen verändern, wählen moderne Führungskräfte auch eine Visualisierungstechnik, und zwar jene des “Strategic Foresight”.

Dabei geht es darum, sich mögliche Szenarien durchzuspielen, wie sich Dinge entwickeln könnten, um so treffsicherer planen und besser gerüstet für die Zukunft zu sein. Aber auch hier gilt: Kein Meister ist jemals vom Himmel gefallen. Mit der richtigen Übung und der entsprechenden Weiterentwicklung der eigenen Skills ist es dann möglich, die richtigen Entscheidungen im richtigen Moment zu treffen.

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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