14.06.2021

Unito: Der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit

Wer zukünftig wirtschaftlich erfolgreich handeln will, muss das Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf seiner Agenda haben, sondern als fixen Bestandteil in seine Unternehmensstrategie integrieren. Greenwashing ist keine Option, betonen Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group und Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung des Tochterunternehmens Unito.
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Alexander Birken und Harald Gutschi Otto Group
Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group und Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung von Unito wollen wirtschaftliches und werteorientiertes Handeln miteinander in Einklang bringen.
© Otto Group, Unito/Simon Möstl

Es war ein schwieriges, wenn auch erfolgreiches Geschäftsjahr 2020/2021 (1. März 2020 bis 28. Februar 2021) für die Otto Group und ihr österreichisches Tochterunternehmen Unito (u. a. Universal, Otto Österreich, Quelle, Lascana). Denn zu Beginn der Coronakrise im März/April 2020 war man mit mehr Fragen als Antworten auf die lockdownbedingt hohe Konsumzurückhaltung konfrontiert. Man ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und startete ab Mai voll durch – mit großem Erfolg wie die Bilanz deutlich zeigt. Die Unito Unternehmensgruppe erwirtschaftete 423 Millionen Euro Umsatz und kann ein Wachstum von 20 Prozent verbuchen. “Corona hat uns mit Lichtgeschwindigkeit 5 Jahre in die Zukunft gebeamt”, sagt Harald Gutschi, Sprecher der Unito-Geschäftsführung und spielt damit auf das besonders hohe Wachstum im Segment E-Commerce an, das die Entwicklung der in mehr als 30 Ländern agierende Mutter Otto Group in Summe deutlich vorangetrieben hat. Dieses legte nämlich um satte 26 Prozent auf 10 Milliarden Euro zu. Aber auch das Gesamtgeschäft ist erfreulich verlaufen. Der Umsatz kletterte um 17,2 Prozent auf ein Gesamtvolumen von 15,6 Milliarden Euro.

Nachhaltigkeit im Fokus

“Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben”, betont Alexander Birken, Vorstandsvorsitzender der Otto Group. Den Grund für die gute Performance sieht er neben der coronabedingten Zunahme der Internetbestellungen aber auch im jahrelangen Investment in die Digitalisierung der Geschäftsmodelle sowie in einen Kulturwandel im Unternehmen. Die Flexibilität, die auch zukünftig stark gefordert werde, habe dafür gesorgt, dass der Restart nach ein paar Wochen der Unsicherheit rasch erfolgen konnte. Jetzt stehen die Zeichen klar auf der Forcierung des Nachhaltigkeitsengagements; ein Thema, das im Konzern schon seit 30 Jahren gelebt wird. Bereits 1986 begann man, ausgehend vom frühen Engagement des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. Dr. Michael Otto, Umweltschutz als Unternehmensziel zu definieren. Die 2020 abgeschlossene Nachhaltigkeitsstrategie gab für den Klimaschutz als Ziel die Reduktion der CO2-Emissionen um 50 Prozent auf Basis des Jahres 2006 aus. Dieses Klimaziel wurde schon ein Jahr zuvor und vollständig ohne Kompensationsmaßnahmen erreicht. Ein Leitsatz, der auch dafür sorgen soll, die Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit nicht einzubüßen. 

Reduktion statt Kompensation

Diese Vorreiterrolle innerhalb des Konzerns wird im Übrigen auch stark der Österreich-Tochter Unito zugeschrieben. Diese steuert gemeinsam mit den in Österreich ansässigen Konzerngesellschaften fast drei Prozent zum Gesamtumsatz der Otto Group bei und hat in Schlüsselbereichen wie der Digitalisierung oder eben der Nachhaltigkeit vergleichsweise oft die Nase vorn. Und sie liefert Strategien, von denen der gesamte Konzern profitieren kann. “Solche Vorreiter braucht es für die Gesamtentwicklung der Gruppe”, hält Birken fest. Gutschi schließt an und betont, dass jetzt der Zeitpunkt sei, den Kunden, die auch deutlich nachhaltiger agieren – die Rücksendequoten seien um 28 Prozent zurückgegangen – etwas zurückzugeben. Eine Herausforderung, wie Birken zugibt, denn der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gipfle naturgemäß in einem Zielkonflikt. Wer sich dem Thema annehme, müsse es aber auch ernst nehmen und sich sukzessive um die Reduktion und Vermeidung von CO2-Emissionen kümmern. „Im Unterschied zu Unternehmen, die ebenfalls Klimaneutralität für sich beanspruchen und dabei in erster Linie auf Kompensation über den zum Teil sehr günstigen Erwerb von Zertifikaten setzen, verstehen wir unter Klimaneutralität das Vermeiden sowie Reduzieren von Treibhausgas-Emissionen“, macht Birken deutlich. Das ist auch für Gutschi oberste Prämisse: „Wir bemühen uns seit Jahren, CO2-Emissionen zu verringern.“ Bis 2020 konnten diese bei Unito im Vergleich zum Basisjahr 2006 um 74 Prozent gesenkt werden. Kompensation von nicht vermeidbaren Emissionen sieht man als Möglichkeit, mittelfristige Klimaschutz-Maßnahmen früher wirksam zu machen. „Deshalb war es uns auch so wichtig, mit 1. Jänner 2021 bei all unseren Bestellungen die CO2-neutrale Zustellung umzusetzen“, fügt Gutschi hinzu.

Klimaneutralität bis 2030

Mit Beginn des Geschäftsjahres 2021/22 wurde die neue CR-Strategie der Otto Group vorgestellt, die im Themenfeld “Klima” die Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 vorsieht. Diese bezieht sich auf eigene Standorte, Transporte, Mitarbeiter*innen-Mobilität und externe Rechenzentren sowie Cloud-Dienstleistungen. Darüber, dass es noch viel weiteres Potenzial gibt, ist man sich bewusst. “Deshalb haben wir bereits erste Projekte initiiert, um unsere Lieferanten durch Energiesparmaßnahmen dabei zu unterstützen, den Treibhausgas-Ausstoß im Produktionsprozess zu reduzieren, und wir investieren in innovative Technologien wie etwa der Färbetechnik CleanDye“, so Birken.

Kooperation mit Berliner Startup Grover

Um die Kunden auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu unterstützen, arbeitet man im gesamten Konzern an innovativen Projekten und setzt auch im Sortiment selbst zahlreiche Maßnahmen. So werden bis 2025 bei Eigen- sowie Lizenzmarken 100 Prozent der verwendeten Hölzer FSC-zertifiziert und 100 Prozent der verwendeten Baumwolle nachhaltig sein. Bis 2023 kommen ausschließlich Verpackungen aus nachhaltigen Materialien zum Einsatz. Im Herbst 2021 wird es bei Otto Österreich erstmals nachhaltige Dirndl aus Biobaumwolle geben. Zudem sollen nachhaltige Produkte in allen Webshops von Unito noch heuer deutlicher gekennzeichnet sein.

Gute Resonanz gab es auch auf die Kooperation mit dem Berliner Startup Grover, die 2019 bei Otto Österreich gestartet wurde und nun auch für die Marken Universal und Quelle umgesetzt wird. Beim gemeinsamen Projekt “Mieten statt kaufen” soll durch das Mieten von Technikprodukten Elektroschrott reduziert werden.

Miteinander statt gegeneinander

Um den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu meistern, ist es für Birken abschließend noch einmal wichtig zu betonen, beide Bereiche im daily business unter einen Hut zu bringen. Die Konsumenten seien sehr sensibel und würden genau erkennen, wenn sich Unternehmen Nachhaltigkeit ausschließlich zur Imagepolitur auf die Fahnen heften. Man müsse sich in den verschiedensten Geschäftsmodellen permanent verändern und diese in der digitalen Welt so ausrichten, dass sie profitabel sind. Um die 50.000 Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen, habe man mit der konzernweiten Weiterbildungsinitiative TechUcation eine neue Lernkultur etabliert und die Themen Lebenslanges Lernen und digitale Bildung für alle Beschäftigten geöffnet. In diesem Mehrklang sieht man sich – so Birken – gut für die Zukunft gerüstet und ist davon überzeugt, auch den nächsten Generationen gute und sichere Arbeitsplätze zur Verfügung stellen zu können.

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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

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Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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