04.05.2021

Wiener VC Apex Ventures investiert mit Partnern siebenstellig in Robotik Startup

Es geht um Künstliche Intelligenz für die Textilindustrie: APEX Ventures, Bayern Kapital und der HTGF investieren ins Münchner Robotik-Startup sewts.
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Apex Aventures, sewts, Robotik, Textil-Industrie
(c) sewts - Das Münchner Startup sewts setzt in der Textil-Industrie auf Automatisierung von Arbeitsprozessen.

Das Robotik-Startup sewts hat eine Seed-Finanzierungsrunde im insgesamt siebenstelligen Bereich abgeschlossen. Es entwickelt eine Software-as-a-Service-Lösung, mit deren Hilfe Industrieunternehmen Prozesse automatisieren können, in denen leicht verformbare Materialien verarbeitet werden. Zum Beispiel Textilien oder Folien. Zunächst soll die Technologie in industriellen Wäschereistraßen zum Einsatz kommen, langfristig sind branchenübergreifende Anwendungen in der Textilindustrie sowie im Hochtechnologiebereich geplant. An der Runde beteiligt haben sich APEX Ventures aus Wien, Bayern Kapital sowie der High-Tech Gründerfonds (HTGF). Auch der Bestandsinvestor “Initiative for Industrial Innovators” und ein Konsortium erfahrener Business Angels haben ihre Engagements bekräftigt.

Problem Rechenleistung

In der Produktions- und Verarbeitungs-Industrie gibt es einige Robotik- und KI-basierte Lösungen zur Behandlung von festen und formstabilen Rohstoffen wie Metallen. Die Automatisierung von Fertigungs- oder Montageprozessen stellt Computer und Bildverarbeitungsprogramm heute noch vor enorme Probleme, denn die Anforderungen an die benötigte Rechenleistung sind zu groß.

Der Blick in die Zukunft

Derzeit verfügbare Roboter und Greifsysteme können deshalb solche, für Menschen einfache Vorgänge, wie etwa das Greifen eines Handtuches oder Kleidungsstückes, bislang nur unzureichend erfüllen. Die 2019 gegründete sewts GmbH mit Sitz in München hat mit ihren rund 20 Mitarbeitern sich des Problems angenommen und deshalb eine Steuerungs- und Bildverarbeitungssoftware entwickelt, die es Robotern ermöglicht, das Verhalten von forminstabilen Materialien beim Greifen auf Grundlage von selbst entwickelten, intelligenten Algorithmen in Echtzeit vorherzusagen.

Kern dieser Prognose-Technologie ist ein Ansatz zur Generierung künstlicher Trainingsdaten für die KI, welcher auf sogenannten Finite-Elemente-Methode-Simulationen beruht. Mithilfe dieses neuartigen Ansatzes kann das Startup ein breites Spektrum von Industrie-Prozessen automatisieren, die bisher technisch nicht darstellbar waren – wie etwa das Handling von Textilien oder Carbonfasern- und halbzeugen.

Automatisierung

Profitieren davon sollen beispielsweise industrielle Wäschereien: Einzelne Schritte, wie das Sortieren schmutziger Textilien oder das Einlegen der Wäsche in Faltmaschinen, müssen bisher von Hand durchgeführt werden. Für diese anstrengende Arbeit finden viele Wäschereien kaum noch Mitarbeiter, so das Problem der Branche. Mit der neuen Technologie soll dieser Schritt durch Roboter automatisiert werden.

Apex Ventures: “Anwendung und Auswirkung überzeugte”

“Uns hat im Team vor allem die Kombination aus hoher fachlicher Expertise, technischer Kreativität und der Fähigkeit, sich rasch in industrielle Anwendungen der sewts Technologie hineinzudenken und deren wirtschaftliche Auswirkungen abzuleiten, überzeugt”, erklärt Wolfgang Neubert, Partner bei APEX Ventures, das Investment.

Produkt in Serie bringen

Die Anwendungsbereiche der innovativen Technologie werden stetig erweitert und eröffnen neue Produktionsmöglichkeiten in der Textilindustrie, etwa in der Herstellung von Bekleidung. Langfristig zählt auch die Erschließung weiterer produzierender Branchen, etwa in der Verarbeitung von Folien und Schaumstoffen, zu den Ambitionen der drei Gründer Alexander Bley, Tim Doerks und Till Rickert. Die neuen finanziellen Mittel planen sie in die Weiterentwicklung ihrer Software zum Serienprodukt, den Ausbau des Entwicklungsteams sowie die Akquise mittel- und langfristiger Integrations- und Vertriebspartner zu investieren.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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