01.12.2022

Watchmaster: Startup muss nach spektakulärem Diebstahl Insolvenz anmelden

Dem Berliner Second Hand-Luxusuhren-Startup Watchmaster wurden Uhren im Wert von mehr als zehn Millionen Euro gestohlen.
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Die Uhren von Watchmaster wurden aus einer Hochsicherheits-Tresoranlage gestohlen
Die Uhren von Watchmaster wurden aus einer Hochsicherheits-Tresoranlage gestohlen | (c) Jason Dent via Unsplash

Am 19. November wurde in eine Hochsicherheits-Tresoranlage an der Berliner Fasanenstraße eingebrochen. In dieser Anlage hat auch das auf den Handel mit Second Hand-Luxusuhren spezialisierte Berliner Startup Watchmaster Tresorräume angemietet, um dort Uhren sicher zu lagern. Bei dem Einbruch wurden 1.000 Uhren mit einem Verkaufswert von mehr als zehn Millionen Euro gestohlen. Der Einbruch wurde von Watchmaster noch am gleichen Tag bei der Polizei angezeigt. Nach mehrtägiger Spurensicherung ermittelt nun das Landeskriminalamt Berlin.

Großteil der Uhren gehört nicht Watchmaster

Ein Teil der gestohlenen 1.000 Uhren ist Eigentum des Unternehmens. Ein Großteil gehört Kommittenten. Das sind Kund:innen, die ihre Uhren über Watchmaster verkaufen – mit einer Provision, die an den Händler geht. Das Unternehmen informierte umgehend nach der Kommunikationsfreigabe durch das Landeskriminalamt Berlin die betroffenen Kund:innen.

Weihnachtsgeschäft ist zerstört – Insolvenz

Es besteht ein Versicherungsschutz, der die Auszahlung der Kommittenten laut Kommissionsvertrag und die Eigenware von Watchmaster schützen soll. Demnach soll den Besitzer:innen der Uhren kein unmittelbarer Schaden entstehen. Watchmaster selbst erhält lediglich den Einkaufspreis seiner Uhren zurück, was aber bei Weitem nicht das abdeckt, was bereits in Aufbereitung und Zertifizierung sowie Marketing investiert wurde. Dem Unternehmen sind Zukunftsumsätze und Marge, gerade im laufenden Weihnachtsgeschäft genommen worden. “Unter diesen nicht zu erwartenden Umständen ist es dem Unternehmen nicht mehr möglich, eine positive Fortführungsprognose abgeben zu können. Der Vorfall zwingt uns in die Insolvenz.”

75 Mitarbeiter:innen an drei Standorten

Seit der Gründung des Berliner Unternehmens im Jahr 2015 hat sich Watchmaster zu einer geschätzten Adresse für private Verkäufer:innen und Käufer:innen von zertifizierten Luxusuhren entwickelt. Mehr als 4.000 Uhren waren zuletzt auf der Internetseite des Unternehmens verfügbar. Das Startup beschäftigt derzeit rund 75 Mitarbeitende an Standorten in Berlin, Paris und London. “Wir sind zutiefst bestürzt, welche harten Konsequenzen dieser Vorfall für alle Beteiligten hat. Wir möchten uns an dieser Stelle bei unseren Mitarbeitern bedanken, die stets an unsere Vision geglaubt haben und auch in den letzten Tagen wieder bewiesen haben, aus welchem Holz sie geschnitzt sind”.

Watchmaster: Große Pläne über Nacht zunichte gemacht

Für das Jahr 2023 hatte Watchmaster viele Pläne für eine erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens. Unter anderem war die Erweiterung von physischen Präsenzen, also Standorten im Retailbereich, vorgesehen. Die Pläne des Startups sind durch den Einbruch über Nacht zunichte gemacht worden. Watchmaster wird den regulären Geschäftsbetrieb aber so reibungslos wie möglich aufrechterhalten: “Unsere Priorität liegt weiterhin auf dem Schutz unserer Kunden. Unsere Insolvenz wird uns von diesem Vorsatz nicht abhalten. Auch unseren Kunden gilt unser Dank, wir werden unser Möglichstes tun, diese zu unterstützen”, so ein Firmenvertreter.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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