13.12.2022

Trotz Krise: Speedinvest sammelt 500 Mio. Euro für weitere Startup-Investments ein

300 Mio. davon sind für den neuen Flaggschiff-Fonds "Speedinvest 4" vorgesehen. Weitere 200 Mio. sollen für Folgeinvestitionen von bestehenden Portfolio-Unternehmen verwendet werden.
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Speedinvest CEO Oliver Holle | (c) Klaus Vyhnalek
Speedinvest-CEO Oliver Holle | Foto: Klaus Vyhnalek

Eine halbe Milliarde Euro – eine Summe, die sich nicht nur in der aktuell schwierigen Wirtschaftslage sehen lässt. Die Wiener Venture-Capital-Gesellschaft Speedinvest hat diese für weitere Startup-Investments bei Investoren eingeworben. 300 Mio. Euro sind für den neuen Flaggschiff-Fonds “Speedinvest 4” vorgesehen, der in Tech-Startups in der Pre-Seed- und der Seed-Phase investiert.

Weitere 200 Mio. Euro stehen für Folgeinvestitionen in bestehende Portfolio-Unternehmen zur Verfügung, die beispielsweise Series-B-, Series-C- oder Series-D-Finanzierungsrunden abschließen. In diesen Fällen geht es jedoch nicht darum, als Leadinvestor aufzutreten: “Wir bleiben als Fonds in der Frühphase positioniert und wollen nicht mit unseren Partnern in der Wachstumsphase in Konkurrenz treten”, sagte Speedinvest-CEO Oliver Holle in einem Pressegespräch.

Trotz des schlechten Umfelds für VCs konnte Speedinvest das Volumen gegenüber dem Vorgängerfonds deutlich erhöhen: der 2019 aufgelegte “Speedinvest 3” war knappe 200 Mio. Euro schwer – und ein zusätzliches Vehikel zur Anschlussfinanzierung gab es damals nicht.

Das nun aufgenommene Kapital kommt von einer ganzen Reihe an Geldgebern, darunter etwa New Enterprise Associates (NEA), der Europäische Investitionsfonds (EIF), Bpifrance, der Raiffeisen Bankengruppe Österreich, die Erste Bank und KfW Capital. Nach Angaben von Speedinvest haben außerdem unter anderem staatliche Fonds, weitere Banken und große Family Offices ebenfalls investiert. Auch Gründer:innen von Portfolio-Unternehmen sind als Investoren dabei – darunter auch die Founder der beiden österreichischen Unicorns Bitpanda und GoStudent.

Sämtliche institutionelle Investoren vom Vorgängerfonds wieder dabei

Sämtliche institutionelle Investoren, die in den Vorgängerfonds “Speedinvest 3” investiert hatten, sind auch dieses Mal wieder dabei. Speedinvest-CEO Oliver Holle verweist dazu auf die teilweise seit vielen Jahren bestehenden Verbindungen: “Gerade in diesem Marktumfeld waren die etablierten Beziehungen die Basis des Erfolgs. Ohne die wäre es schwierig geworden”, sagte Holle.

Bei der Akquise von neuen Investoren habe auch Speedinvest unter der Wirtschaftslage gelitten. “Wir haben viele nicht bekommen, auf die ich gehofft hätte, aber wir haben de facto null Ausfälle von Bestandsinvestoren gehabt”, führte Holle weiter aus. Kein einziger Investor habe sich aufgrund des Marktumfelds zurückgezogen, manche hätten sogar ihre Investitionensummen deutlich erhöht.

“Welt ist jetzt eine ganz andere seit Sommer”

Grundsätzlich hat sich das Umfeld im Tech-Bereich laut Holle aber völlig verändert: “Die Welt ist jetzt eine ganz andere seit Sommer”. Das erste Halbjahr sei für Startups noch ähnlich gut wie 2021 gelaufen: “Doch dann kam es zu einem Reset”, erläuterte der Speedinvest-CEO. Seitdem seien sowohl die Anzahl der Finanzierungsrunden als auch die Bewertungen eingebrochen. Dies habe man zuerst bei Wachstumsrunden wie Series B oder Series C gemerkt – und sei dann auch nach und nach in der Frühphase angelangt.

Für Gründer:innen mag dies alles andere als erfreulich sein – für den neuen Speedinvest-Fonds ist es aber positiv: “Weil sich die Konditionen tendenziell wieder in Richtung Kapital verschieben und auch, weil weniger Konkurrenz am Markt ist. Dadurch hat man etwas mehr Zeit”, sagt Holle. Das nächste Jahr dürfte für Startups wirtschaftlich weiter schwierig werden, erwartet er.

Speedinvest investiert üblicherweise zwischen einer halben Million und zwei oder drei Millionen. “Das ist das typische Initial-Investments, je nachdem ob es in der Pre-Seed- oder Seed-Phase ist, und wie die Gründer die Runde strukturieren wollen”, erläutert Holle. Speedinvest versuche dabei immer, als Lead-Investor zu agieren. Aktuell hat Speedinvest 250 Unternehmen im Portfolio und mit dem nun aufgenommenen Kapital ein Anlagevolumen von 1 Mrd. Euro.

“Sind jetzt wieder sehr bullish für Österreich”

Erste Investments wurden übrigens bereits getätigt. Im Juni gab es ein First Closing, des nicht verlautbart wurde. Seitdem kam es zu 15 Investments, drei davon in Österreich. “Das sind genauso viele wie beim gesamten Vorgängerfonds. Wir sind jetzt wieder sehr bullish für Österreich”, sagt Holle.

Eines dieser drei Österreich-Investments ging an consola.finance, ein von ehemaligen Bitpanda-Mitarbeitern gegründetes Startup. Die beiden übrigen in Österreich getätigten Investments sind noch nicht öffentlich. Auch hier handelt es sich jedoch jeweils um “Spin-outs” von Unicorns, also um Gründungen von Ex-Mitarbeiter:innen von mit über eine Milliarde Dollar bewerteten Jungunternehmen, wie Holle verriet.

Neben dem Flaggschiff-Fonds hat Speedinvest nun ersmals auch ein eigenes Investment-Vehikel für Anschlussfinanzierungen aufgestellt. “In diesem Bereich glauben wir, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren einige sehr gute Deals geben wird, weil die Bewertungen doch deutlich gesunken sind”, erläuterte Holle. Von den 250 Portfolio-Unternehmen würde dies aber “wahrscheinlich weniger als 10 Prozent betreffen, eher 15 bis 20 Firmen” betreffen, sagt Holle.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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