10.12.2015

5 Gründe warum Siemens’ Innovationsmillionen verpuffen werden

Bernhard Thalhammer ist M&A-Manager bei der Styria Media Group AG und Kolumnist aus Leidenschaft bei derbrutkasten.
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Siemens bewegt sich nicht von selbst
Not zwingt zum Handeln: Nach dem größten Schmiergeldskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte inklusive Selbstmord des vormaligen Finanzvorstands Heinz-Joachim Neubürger, der schmerzhaften Erkenntnis dass sie für Mobiltelefone zu langsam sind, der eher mäßigen Performance von Peter Löscher, also von genau der Person, die das alles wieder hinbiegen sollte und erheblichem Rückstand gegenüber den traditionell größten Konkurrenten General Electric und ABB und im Lichte des schnellen technologischen Wandels besteht bei Siemens nun akuter Handlungsbedarf. Die Innovation AG soll diese Themen adressieren.

Klar, der momentane Vorstandsvorsitzende, Joe Kaeser (geboren 1957 als Josef Käser in Niederbayern), wurde in den USA, genauer gesagt in Cupertino, der Heimat von Apple, businesstechnisch spätsozialisiert. Der Mann trägt den Wandel nicht nur – das ist zumindest hoffentlich der Anspruch – im Herzen sondern ganz offensichtlich auch im Namen. “Bis zu EUR 100 Mio” will er in Spinoffs investieren, an denen seine Mitarbeiter Beteiligungen und ein Mindestgehalt bekommen. Das Ganze ist Teil einer großen Innovations-Offensive, die bis zu EUR 5 Mrd schwer sein soll. Auf diese Art und Weise soll das Potential monetarisiert werden das – so die Prämisse – im Konzern schlummert. Warum das zumindest im ersten Schritt nicht funktionieren wird, und das aber egal ist, kurz zusammengefasst in fünf Punkten:

1. Culture Eats Strategy for Breakfast

Ob dieses Zitat nun von Peter Drucker stammt oder nicht ist im vorliegenden Fall irrelevant. Konzernstrategen weltweit wollen es nicht glauben, Tatsache ist aber dass Innovation nicht verordnet werden kann. Man kann das Umfeld dafür bereitstellen, die richtigen Leute zusammenholen, faire Incentives schaffen, und selbst dann gibt es keine Erfolgsgarantie. Ganz im Gegenteil: Die meisten Projekte werden am Anfang wahrscheinlich scheitern. Auch bzw. vor allem damit muss man umgehen können. Wenn cultural change ausschließlich als Bullet Point in einer Strategiepräsentation existiert, wird es sehr schwierig. Ein Wuzzeltisch und keine Krawatten sind zwar nett aber kratzen jedoch – wenn überhaupt – wirklich nur an der äußersten Schicht der Thematik. Wie Innovation genau nicht funktioniert, ist, allen im Unternehmen zu sagen dass sie jetzt innovativ zu sein haben. Genau diesen Eindruck erweckt jedoch Joe Kaeser mit seiner Ankündigung.

2. Der Teufel steckt im Detail

Man muss kein Großmeister im Zwischen-den-Zeilen-Lesen sein: Wenn Joe Kaeser von “bis zu EUR 100 Mio” spricht dann meint er damit auch genau das: nämlich eine Bandbreite von 0 – 100 Mio. Der Aufsichtsrat hat ihn hoffentlich mit einem ordentlichen Startpaket ausgestattet, aber EUR 100 Mio sind es im ersten Schritt offensichtlich nicht. Ob das nun 50, 20, 10 oder 5 Mio sind, ist in den Aufsichtsratsitzungsprotokollen festgehalten, und der Rest kommt dann erst nach dem Erreichen von (hoffentlich nicht zu utopischen) Milestones. Falls da jemand mehr weiß – wir freuen uns über Kommentare *zwinker*.

3. Ein Fuchs muss tun was ein Fuchs tun muss

Jeder der schon einmal eine M&A-Transaktion strukturiert hat weiß dass es dabei in erster Linie um die Bündelung von Interessen geht. Und wie immer am Verhandlungstisch ist dabei in Wirklichkeit nicht beliebiger Beratersprech relevant sondern ausschließlich die Ausübung der wahrgenommen Machtposition: Der eigenen, und der der anderen Partei(en). Und wenn ein globaler Konzern mit mehr als 340.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über EUR 70 Mrd mit (oder gegen) *einen* Mitarbeiter verhandelt, dürften die Positionen ziemlich eindeutig sein. Was viele nicht verstehen, ist, dass Startup-Konzern-Kooperationen nur dann funktionieren wenn das Startup ausreichend Leverage (Technologie, Kunden, Umsatz, u.ä.) hat. Wenn nicht ist das ziemlich unausgeglichen. Ist also die IP-Frage mitarbeiterfreundlich gelöst, dann funktioniert das eventuell. Wenn nicht, dann wird es schwierig.

4. Die Söldner … sind unnütz und gefährlich

Machiavelli verfasste sein Hauptwerk Der Fürst um 1513, jetzt haben wir bald 2016. Sind seine Aussagen nach wie vor gültig? Diese Abhandlung würde Seiten dauern. Kurzum: Ich denke grundsätzlich ja. Einer der Punkte den Machiavelli immer wieder hervorhebt ist seine Abneigung gegenüber Söldnern. Im Gegensatz zu den von ihm bevorzugten Bürgermilizen seien Söldner unzuverlässig und nur auf ihre eigenen Interessen bedacht. Bürgermilizen hingegen, also den eigenen Bürgern und Bauern, schreibt er eine höhere, intrinsische Motivation zu, ihr Land im Kriegsfall zu verteidigen. Als Grund dafür sieht Machiavelli den höheren Bezug zur eigenen Umgebung, ganz im Gegensatz zu den seiner Meinung nach ausschließlich monetär motivierten Söldnern. Im Bezug auf Siemens ist es diesbezüglich wohl zulässig zu fragen ob die – ausschließlich monetär motivierten – Söldner bei Siemens nach all den Irrwegen nicht überhand genommen haben. Andere deutsche Konzerne dürften übrigens ähnliche Herausforderungen sehen. Und Machiavellis Argumentation zufolge ist mit Söldnern kein Krieg zu gewinnen.

5. Adverse Selektion

Natürlich verfügt Siemens über ausgesprochen gut ausgebildete und fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jedoch sind in der vorliegenden Situation nicht die bürokratiekonformen Erfüllungsgehilfen gefragt, sondern die Gründer im Konzern, die Intrapreneure. Und die sind oftmals lästig, weil sie viele Dinge – vor allem den Status Quo – in Frage stellen. Die echten Gründer haben sowieso schon gekündigt und gegründet, auch ohne Siemens. Die sind also schon weg. Übrig bleiben hoffentlich einige noch nicht von der überbordenden Bürokratie kaputtgemachte Wahnsinnige (im positiven Sinn), die sich auf dieses Abenteuer einlassen. Darüber hinaus ist es bei dem ganzen Vorhaben auch essentiell, dass es von Mitarbeitern koordiniert wird, die auf beiden Seiten, also Technologie und Business, Glaubwürdigkeit haben und nicht überheblich auftreten.

Fazit

Kann es sich Siemens leisten, einfach so bis zu EUR 100 Mio zu verblasen? Auf jeden Fall. Bei einem Free Cash Flow von über EUR 4 Mrd im Geschäftsjahr 2014/15 kann man das schon machen. Es bleibt zu hoffen dass Siemens einige der oben adressierten Dinge berücksichtigt und falls es der – dann verantwortliche – Aufsichtsrat zulässt, beim nächsten Versuch besser funktioniert. Stichwort Fehlerkultur.

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(c) Alpha Republic: v.l.n.r.: Neoh Gründerteam Adel Hafizovic, Manuel Zeller, Patrick Kolomaznik, Alexander Gänsdorfer

Süß, aber ohne Zucker – das Prinzip kennt man bei Softdrinks seit geraumer Zeit. Das damit einhergehende Problem auch: Cola Light schmeckt nicht wie Cola. Denn Süßungsmittel haben mitunter einen starken Eigengeschmack. Es dürfte auch daran liegen, dass sich Zuckerersatz in vielen anderen Bereichen bislang nicht im selben Ausmaß durchgesetzt hat. Einen dieser Bereiche beackert seit einigen Jahren das Wiener Startup Neoh erfolgreich: Süßigkeiten. Das Geschmacks-Problem löst das Unternehmen mit seiner selbst entwickelten Zuckerersatzformel ENSO überzeugend. Und nun hat es damit noch viel größere Pläne. Unter dem Namen Zero+ soll der Zuckerersatz direkt den B2C- und den B2B-Markt erobern.

“Zero+ ersetzt herkömmlichen Zucker 1:1”

Bereits jetzt, vor dem offiziellen Launch, kann Zero+ auf der Seite des Startups von Endkund:innen bestellt werden. Mit sechs Euro für 250 Gramm ist der Zuckerersatz signifikant teurer als handelsüblicher Rüben- oder auch Rohrzucker. Punkten soll er nicht nur mit dem bekannten Gesundheits-Argument, sondern vor allem auch mit der Usability. “Zero+ ersetzt herkömmlichen Zucker 1:1, ermöglicht einen beinahe identen Geschmack wie Zucker und hat dabei geringere Auswirkungen auf die Blutzucker-Kurve. Man kann seine liebsten Rezepte also unverändert backen bzw. kochen, indem man die angegebene Menge Zucker einfach durch Zero+ ersetzt”, heißt es in einem Statement des Startups auf brutkasten-Anfrage.

Besonders betont wird der hohe Anteil an Pflanzenballaststoffen in der Rezeptur. Dieser komme unter anderem von der Agave, der Chicorée-Wurzel und Mais. “Die Pflanzenfasern enthalten Präbiotika und unterstützen somit eine ausgewogene Darmgesundheit. Zudem hat Zero+ weniger als die Hälfte an Kalorien von Zucker, ist vegan, glutenfrei und zahnfreundlich”, heißt es vom Startup. Eine klinische Studie der Medizinischen Universität Wien belege die geringere Auswirkungen auf die Blutzucker-Kurve.

Neoh sieht “enormes Marktpotenzial” – “klarer Fokus” auf B2B

Neoh ortet mit dem neuen Produkt ein “enormes Marktpotenzial”, vor allem, weil dieses den marktführenden Produkten überlegen sei. Der Markt von bereits etablierten Zuckerersatzstoffen wie Maltit werde auf etwa drei Milliarden Euro weltweit geschätzt. “Zero+ hat gegen den aktuellen Markführer Maltit ausschließlich Vorteile”, meint man bei Neoh. Zudem könne ein genereller Trend zu deutlich weniger Zucker sowie zu mehr Ballaststoffen beobachtet werden.

Nach dem offiziellen Launch in den kommenden Wochen soll Zero+ in der 250 Gramm-Packung bereits auch im Lebensmitteleinzelhandel gelistet sein – aktuell kann man Neoh-Produkte in Österreich unter anderem bei Spar und Billa kaufen. Zudem sollen bereits Produkte anderer Unternehmen mit dem Zuckerersatz verkauft werden – wie zuletzt bereits ein Donut bei Anker, wie brutkasten berichtete. Im Firmenkundesegment sieht Neoh-Gründer und -CEO Manuel Zeller auch das größte Potenzial. “Der Fokus liegt ganz klar auf B2B. Die ersten Produkte mit Zero+ kommen auch bereits in den nächsten Wochen auf den Markt”, sagt er gegenüber brutkasten.

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