23.05.2019

Hotspot-Analyse: Rumänien als Markt für Startups und Investoren

Die Wirtschaft in Rumänien wächst - und das ist vor allem der wachsenden IT-Branche zu verdanken. Die Startup-Szene profitiert von der großen Zahl an Fachkräften, außerdem gibt es staatliche Förderungen und auch Investoren entdecken das EU-Land für sich.
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Rumänien
(c) fotolia / outchill

Heute startet die von der aaia initiierte Roadshow „CEE Unlimited„, bei der unter anderem der brutkasten mit an Bord ist. Die erste Station der Roadshow ist die rumänische Hauptstadt Bukarest. Diese Analyse fasst kurz ein paar Eckdaten zur Wirtschaft Rumäniens und zum dortigen Startup-Ökosystem zusammen.

Entwicklung der rumänischen Wirtschaft

Laut Angaben der Außenwirtschaft Austria mit Bezug auf Daten von Weltbank und IMF – WEO lag das BIP je Einwohner in Rumänien 2018 bei 12.285 Dollar, im Jahr 2019 wird das BIP pro Kopf 12.507 Dollar betragen. Im Jahr 2018 ist das rumänische BIP gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent gestiegen, dieses Jahr soll die Steigerung 3,1 Prozent betragen.

Laut Außenwirtschaft Austria war Rumänien 2016 und 2017 das EU-Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum, seit 2013 ist das BIP konstant um mehr als drei Prozent gestiegen.

(c) Weltbank; IMF – WEO, Frühjahr 2019; IMF – IFS – (Werte 2019: Prognosen)

Die Hauptgründe für die verbesserte Konjunktur waren Steuersenkungen, eine sehr gute landwirtschaftliche Ernte, ein allgemein guter wirtschaftlicher Trend (vor allem von IT & Kommunikation, Wissenschaft & Technik, Einzelhandel und Kfz-Bereich) sowie anhaltend hohe Direktinvestitionen ausländischer Firmen, heißt es auf der Website der Außenwirtschaft Austria: Das macht das Land mit seinen 19,5 Millionen Einwohnern und seiner mittelfristig stark steigenden Inlandsnachfrage zu einem attraktiven Markt.

Allerdings ist die finanzielle Stabilität Rumäniens unter anderem wegen des Budgetdefizits und der Inflation gefährdet: Laut dem Länderprofil Rumänien der Außenwirtschaft Austria (kostenloser Download unter diesem Link) lag die Inflationsrate (Veränderung des Preisindex) im vergangenen Jahr bei 4,6 Prozent, die Staatsverschuldung liegt bei 36,6 Prozent des BIP.

Eine andere interessante wirtschaftliche Kennzahl für die Startup-Community  ist jedoch auch die Zahl der Internetnutzer: Im Jahr 2017 hat es auf 100 Einwohner im Schnitt 63,7 Internetnutzer gegeben – im Jahr 2010 war es nur 39,9 Internetnutzer pro 100 Einwohner, also gerade mal etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung.

(c) Weltbank; EDGAR

Handel mit Österreich

Rumänien war in den Jahren 2017 und 2018 Österreichs 15.-wichtigster Exportmarkt. Im Jahr 2018 sind Österreichs Exporte nach Rumänien um 11,7 Prozent auf 2,54 Milliarden Euro gestiegen, wodurch der Rekordwert aus dem Jahr 2008 übertroffen wurde. Die Importe aus Rumänien stiegen im vergangenen Jahr um 8,0 Prozent auf 1,48 Milliarden Euro, Rumänien ist damit 20.-größter Importpartner Österreichs.

Außerdem ist Österreich mit einer Gesamtsumme von 8,1 Milliarden Euro nach Deutschland und den Niederlanden der drittgrößte Investor in Rumänien.

Chancen für österreichische Unternehmen sieht die Außenwirtschaft Austria auf einer Informationsseite zur rumänischen Wirtschaft unter anderem in den Sektoren Automotive, Energiewirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft, Mode und Textilien, sowie Nahrungsmittel.

Rumäniens IT-Branche: Rekordwerte 2018

Laut dem Bericht der Rumänischen Nationalbank erreichten 2018 die Exporte der IT-Dienstleistungen einen Rekordwert von 4,5 Milliarden Euro, das entspricht einem 15-prozentigen Wachstum im Vergleich mit dem Vorjahr.

Services im IT-Bereich sind somit die zweitgrößte Kategorie von Dienstleistungsexporten, die 2018 von Rumänien ausgeführt worden sind. Die Exporte des IT-Sektors haben sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. Das ist vor allem auf die exzellenten Fachkräfte zurückzuführen – mehr dazu im nächsten Punkt.

IT-Fachkräfte aus Rumänien

Der IKT-Sektor in Rumänien beschäftigt rund 183.000 Mitarbeiter.  Die „exzellenten fachlichen Fähigkeiten rumänischer Programmierer, ihre Begabung für Fremdsprachen, die finanzielle staatliche Unterstützung für diesen Sektor sowie auch die relativ niedrigen Personalkosten im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten“ sind laut Außenwirtschaft Austria unter anderem der Grund für den Boom des rumänischen IT-Sektors.

Basierend auf Daten von Stack Overflow hat die polnische Website Infoshare.pl bereits im Jahr 2017 ein Ranking zur Anzahl von Entwicklern in den einzelnen CEE-Ländern veröffentlicht. Damals gab es dem Report zufolge in Rumänien 118.000 Developer – die drittgrößte Anzahl in ganz Mittel- und Osteuropa, nach Polen und der Ukraine. Innerhalb Rumäniens gibt es dem Report zufolge die meisten Entwickler in der Hauptstadt Bukarest (49.360), gefolgt von Cluj (18.864). Rund 90 Prozent der rumänischen Entwickler leben dem Report zufolge in diesen beiden Städten.

(c) Stack Overflow

Laut Angaben der Website PayScale verdient ein Entwickler in Rumänien durchschnittlich 23.309 Dollar pro Jahr, das Höchstgehalt liegt der Website zufolge bei rund 59.000 Dollar pro Jahr. Die Website MobilUnity verweist darauf, dass Java, .NET, Node.JS, PHP, Python, Ruby und WordPress zu den besonders weit verbreiteten Skills der rumänischen Entwickler gehören.

Startups in Rumänien

Laut dem CEE Fintech Atlas 2018 der Raiffeisen Bank International gibt es viele Akteure in der rumänischen Startup-Szene, zumal die Universitäten die entsprechenden Fachkräfte für das Ökosystem bereitstellen und die Regierung das Projekt „Start-up Nation“ ins Leben gerufen hat: Über das staatliche Programm werden jährlich 10.000 Startups und KMU gefördert.

Vor wenigen Wochen konnte das aus Rumänien stammende Startup UiPath auf sich aufmerksam machen: Laut einem Bericht von TechCrunch sammelte UiPath in einer Series D 569 Millionen Dollar ein und kommt somit auf eine Bewertung von sieben Milliarden Dollar. Mittelfristig ist ein IPO geplant.

Investoren in Rumänien

IAls Top VCs in Rumänien werden im Fintech Atlas Gecad Ventures, Sequoia Capital India, Catalyst Romania, Risky Business, DMG Information, 3TS Capital Partners und Greycraft Partners genannt.

Insgesamt ist Rumänien jedoch noch ein kleiner Fisch in Sachen Investments, wie der Report „Seed the Future“ von techstars und stripe besagt: Nur 0,07 Prozent aller Early Stage VC-Fundings wurden hier getätigt, der Großteil der Investments entfällt auf die drei Märkte UK, Frankreich und Deutschland.

Auch seitens der aaia heißt es mit Bezug auf einen Report von European Trade Association for Business Angels, Seed Funds and Early Stage Market Players (EBAN), dass  Rumänien innerhalb Europas eines der niedrigsten Ratios zwischen Angel Investments und BIP hat. Allerdings wächst der Markt stark, von 2016 bis 2017 haben sich die Angel Investments laut aaia mehr als verdoppelt. Derzeit gibt es in Rumänien drei aktive Angel Netzwerke.

Coworking Spaces und Accelerators in Rumänien

Auch in Rumänien haben sich bereits internationale Coworking-Netzwerke niedergelassen, an deren Standorten die Community wächst und gedeiht: Unter anderem gibt es in Bukarest Standorte des TechHub-Netzwerks und einen ImpactHub. Der Fintech Atlas nennt auch Accelerators wie Techcelerator, Spherik Accelerator, Innovation Labs und Risky Business.

Laut der Website romanianstartups.com finden sich die meisten Coworking Spaces in Bukarest und Cluj – also auch dort, wo der Großteil der IT-Fachkräfte beheimatet ist. Nachholbedarf gibt es definitiv noch im Bereich Events und Meetups, wie der Report „Seed the Future“ besagt: Von Oktober 2017 bis Oktober 2018 wurden auf Eventbrite und Meetup in Bukarest 85 Tech-Events eingetragen – in Wien waren es im gleichen Zeitraum 325 Events, bei Spitzenreiter London 12.246 Events.

Beispiele aus Österreich

In Österreich setzt unter anderem das Startup Artivive auf Rumänien, indem man mit der rumänischen Softwareentwicklungsfirma Reea.net zusammenarbeitet (der brutkasten berichtete). Für alle, die ebenfalls eine engere Kooperation mit Rumänien anstreben, hat Simion Hurghis vom Startup Loyalcraft für den brutkasten einen entsprechenden Gastbeitrag mit Tipps und Ratschlägen verfasst.

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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

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Masse an Möglichkeiten

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