07.10.2019

Wie Valentin Stalf die Internationalisierung von N26 vorantreiben will

Zuletzt startete N26 in der Schweiz, in Österreich wird ebenfalls ausgebaut und Ende 2020 dürfte ein sehr großer Markt in den Fokus rücken: Brasilien. Im Rahmen des Darwin’s Circle hat der brutkasten mit N26-CEO Valentin Stalf über seine globalen Pläne gesprochen.
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N26: Serie D-Runde um 170 Millionen auf 470 Mio. US-Dollar aufgestockt
N26-Co-Founder und CEO Valentin Stalf

der brutkasten: Du hast bereits mehrfach anklingen lassen, dass N26 auch nach Brasilien expandieren wird. Was kannst du uns dazu schon erzählen?

Valentin Stalf: Brasilien ist ein Thema, das wir auf der Roadmap haben. Wir haben uns dort um eine Lizenz beworben. Wir peilen einen Start für Ende nächsten Jahres an.

Gibt es dort schon ein N26-Office?

Wir haben dort schon einige Mitarbeiter und einen eigenen Country Manager. Die geben Gas und bereiten den Start vor.

Wie siehst du das Potenzial von Schwellenländern wie Brasilien, sowie von asiatischen oder afrikanischen Ländern, für europäische Banken?

Es gibt nicht viele Anbieter, die unsere Vision einer globalen Bank teilen und die dafür entsprechend die richtige Infrastruktur gebaut haben. Die meisten europäischen Banken konzentrieren sich auf Europa. Wir haben uns im Gegensatz zu traditionellen Banken so aufgestellt, dass wir extrem gut internationalisierbar sind. Schon heute sind wir in 24 EU-Ländern aktiv, sowie in der Schweiz und in den USA. Wir kennen uns also in der Internationalisierung aus. Wir wollen Banking noch für viel mehr Menschen auf der ganzen Welt einfacher und transparenter machen, um ihnen das Leben zu erleichtern. Eine Bank muss nicht immer ein notwendiges Übel sein, sondern kann auch Dinge erleichtern.

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Die Schweiz ist im Gegensatz zu Brasilien alles andere als ein Entwicklungsland, hier seid ihr kürzlich gestartet (der brutkasten berichtete). Wie läuft es dort?

Sehr gut. Man muss wissen, dass die Schweiz einer der teuersten Retail Banking Märkte der Welt ist. Denn in der Schweiz gibt es nur einige große Banken, die sich untereinander den Markt aufgeteilt haben. Wir kommen dort als externer Player rein und sind im ersten Schritt mit einem Euro-Konto gestartet. Vom Pricing her bieten wir die bessere Alternative, gleichzeitig ist auch unser Service besser. Somit haben wir gute Voraussetzungen, in der Schweiz kräftig zu wachsen. Allerdings ist der Markt deutlich kleiner als zum Beispiel Brasilien oder die USA.

Warum ein Euro-Konto und nicht Schweizer Franken?

Wir haben festgestellt, dass viele Schweizer gerne ein Euro-Konto hätten. Hier sehen wir eine gute Nische. Daher haben wir uns entschieden, erstmals ein Euro-Konto anzubieten. Langfristig werden wir aber auch ein Schweizer-Franken-Konto auf den Markt bringen. Da wir immer den Intra-Day Wechselkurs bieten, können Kunden auch ohne Gebühren oder Aufschläge Einkäufe in Schweizer Franken tätigen und diese werden vom N26-Eurokonto abgebucht.

Bezogen auf die Einwohnerzahl haben wir in Österreich die höchste Dichte an Kunden.

A propos kleiner Markt, wenn auch mit nicht ganz so teurem Banking: Wie läuft die Expansion in Österreich?

Georg Hauer ist unser Country Manager für Österreich, aber auch für die Schweiz und für Deutschland. In Österreich werden wir Ende diesen Jahres und 2020 eine intensive Marketing-Initiative starten, da hier noch immer viele Leute mit schlechten Bankprodukten zu tun haben und wir großes Potenzial sehen. Mit der Entwicklung in Österreich sind wir aber sehr zufrieden. Bezogen auf die Einwohnerzahl haben wir hierzulande die höchste Dichte an Kunden.

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Nur eine Marketing-Initiative, oder auch eine Produkt-Initiative?

Wir denken über Produktinnovationen immer auf globaler Ebene nach. Zum Beispiel ist es nun möglich, dass man in deutschen und österreichischen Supermarkt-Filialen Geld abhebt oder einzahlt. Wir werden aber auch Innovationen im Bereich Shared Spaces sehen, also beim Teilen von Accounts mit Freunden. Das haben wir global gestartet, in den kommenden Monaten werden aber schrittweise neue Features hinzukommen und neue Kunden dafür freigeschaltet: Derzeit können rund 20.000 Kunden das Feature verwenden, weitere kommen wöchentlich hinzu.

Welche neuen Features können wir konkret bei den Shared Spaces erwarten?

Derzeit kann man schon ganz einfach ein Unterkonto eröffnen, zum Beispiel für die Familie oder zum Ansparen für den nächsten Urlaub. Wir haben es nun ermöglicht, dass man diese Konten mit Freunden teilen kann – also zum Beispiel in einer WG, um gemeinsame Ausgaben zu verwalten. Außerdem kann man nun mehrere Karten in verschiedenen Farben für ein Konto haben. Künftig wird man eben diese Karten einem bestimmten Unter-Konto zuordnen können: Man hat dann zum Beispiel unterschiedliche Karten für WG-Einkäufe und für eigene Ausgaben. Und dann werden wir es in den nächsten Monaten ermöglichen, dass man eine Transaktion in einen Space hinein “swypen” kann: Du kannst also normal einkaufen gehen und wischst anschließend in der App über die Transaktion, um sie in den Family Space zu verschieben. Letztenendes wollen wir den Kunden mit diesen Features mehr Flexibilität geben, damit sie ein modernes Leben führen können.

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Abschließende Frage: Wie viele Neukunden verzeichnet ihr derzeit pro Tag?

Das schwankt, aber es sind immer um die 10.000 Neukunden.

Und wächst das Customer Service mit? Immerhin wurde gerade dieser Punkt zuletzt öfters kritisiert.

Es stimmt, dass wir Ende letzten Jahres für kurze Zeit längere Wartezeiten zu Stoßzeiten hatten. Aber da haben wir sofort gegengesteuert. Wir bieten heute einen der besten Kundenservices weltweit in fünf unterschiedlichen Sprachen, via Telefon und Chat. Zusätzlich setzen wir als eine der ersten Banken einen Chat-Bot ein, der bei den Kunden sehr gut ankommt. Dadurch haben wir es geschafft, den komplizierteren Kundenanfragen mehr “menschliche” Zeit zu widmen und einfache Anfragen noch schneller zu beantworten.

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


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IBM-Programm: “Die Angst war weg”

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Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

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