✨ AI Kontextualisierung
Ein gewisser Betrag aus dem öffentlichen Haushalt wird als Budget für die Bürger:innen freigegeben. Über eine Online-Plattform können sie Ideen einbringen, was damit passieren soll und – nach einer Machbarkeitsprüfung durch Expert:innen – darüber abstimmen, welche Ideen realisiert werden. So ein “partizipatives Budget” gibt es derzeit etwa in Finnlands Hauptstadt Helsinki, wo 8,8 Millionen Euro dafür bereitgestellt wurden. Auch in Metropolen wie Madrid, Paris und New York sowie in zahlreichen kleineren Städten und Dörfern auf der ganzen Welt wurde das Konzept bereits erprobt. Genutzt wird dafür das ursprünglich in und für Barcelona entwickelte Open Source-Tool Decidim, das noch eine ganze Reihe weiterer Funktionen bietet. Das kürzlich gegründete Social Startup mitgestalten Partizipationsbüro will dieses nun auch in Österreich etablieren.
“Wir wollen mehr Demokratie in die österreichische Politik bringen”
“Wir wollen mehr Demokratie in die österreichische Politik bringen. Wir sind hier im Vergleich zu einigen anderen Ländern weit hinten und haben viel Aufholbedarf”, erklärt Romy Grasgruber-Kerl, Gründerin und CEO von mitgestalten Partizipationsbüro. “Mich hat schon immer die Vision einer besseren Politik angetrieben. Und meine Hoffnung ist, dass die Politikgestaltung in der Qualität besser wird, wenn mehr Leute Perspektiven und Ideen einbringen”, so die Unternehmerin, die zuvor bei der NGO-Interessensvertretung IGO tätig war. Schon 2009 als Studentin wurde sie das erste Mal öffentlichkeitswirksam politisch aktiv – damals organisierte sie gemeinsam mit einer Studienkollegin eine Lichterkette um das Parlament.
mitgestalten-Gründer: Decidim als “Lego für die digitale Demokratie”
Schon in ihrer vorigen Tätigkeit bei IGO, wo sie für den Bereich Partizipation verantwortlich war, begann Grasgruber-Kerl damit, Decidim nach Österreich zu bringen. “Mein damaliges Projekt musste wegen Corona pausiert werden. Gleichzeitig war der Bedarf für ein digitales Tool für Partizipation größer denn je. Ich habe die Zeit genutzt, um die beste Software für diesen Zweck zu suchen”, erzählt die Gründerin. Decidim habe sie erstens mit seinem Funktionsumfang überzeugt: “Es ist wie Lego für die digitale Demokratie. Für jeden Prozess kann man auf Bausteine zugreifen”. Umsetzen lassen sich damit neben dem oben erwähnten “partizipativen Budget” etwa auch Bürger:innen-Abstimmungen oder Umfragen. Zweitens sei es die komplette Transparenz des Open Source Tools durch die Missbrauch verhindert werde. “Es ist so integer, dass es mich völlig für sich eingenommen hat”, so Grasgruber-Kerl.
Vom Watchdog zum proaktiven Tun
Nach kurzer Zeit habe sich für sie herausgestellt, dass sie mehr mit dem Tool aufbauen will, als im Rahmen der NGO-Interessensvertretung möglich ist. “Es war schnell klar: Es macht mehr Sinn, wenn ich mich mit einem sozialen Unternehmen selbstständig mache”, sagt Grasgruber-Kerl- “Ich komme damit auch ein wenig weg von der Watchdog-Position, wo es primär darum geht zu sagen, was nicht passt, hin zum proaktiv etwas Tun”. Schließlich setzte ihr neues Startup das erste große Decidim-Pilotprojekt – mit dem Sozialministerium zum Thema Freiwilligenarbeit – in Kooperation mit IGO um. “Wir haben dazu zwei Funktionen herausgegriffen: Crowdsourcing zur Ideenfindung und die Bewertung dieser Ideen durch Stimmen-Vergabe”, erzählt die Gründerin.
mitgestalten Partizipationsbüro: Zielgruppe vom Dorf bis zur Hauptstadt
Mit mitgestalten Partizipationsbüro bietet sie nicht nur die Umsetzung von Decidim-Projekten mit individuellem Customizing und Branding an, sondern beteiligt sich mit ihrem Team auch an der Weiterentwicklung der Open Source-Plattform, um bestehende Funktionen zu verbessern und weitere zu schaffen. Zielgruppe sind alle Verwaltungsebenen von kleinen Gemeinden über Großstädte bis zu Ländern und Bund ebenso wie NGOs und andere Organisationen, die Partizipationsprozesse umsetzen wollen.
“Gerade in Österreich braucht es viel Advocacy-Arbeit”
Nun liege erst einmal viel Sales-Arbeit vor dem Startup, sagt Grasgruber-Kerl. Doch sie stellt klar: “Ich habe mir selbst versprochen, dass ich das Ding nicht einfach nur verkaufe, egal wer es haben will, sondern dass wir einen hohen Standard wahren. Wir machen keine Scheinpartizipation – das wäre fatal für uns und unsere Auftraggeber:innen”. Sie wolle all jene Leute erreichen, die tatsächlich das Thema wichtig finden und an guten Prozessen interessiert sind. Und dieses Interesse will die Gründerin auch selber wecken: “Es reicht nicht, ein gutes Produkt anzupreisen, sondern gerade in Österreich braucht es viel Advocacy-Arbeit. Wir müssen Ängste abmildern und verständlich machen, dass gute Politik immer schon gut Zuhören bedeutet hat”. Oft herrsche nämlich hierzulande immer noch das im 18. Jahrhundert von Kaiser Joseph II ausgegebene Motto: “Alles für das Volk, nichts durch das Volk”.