08.11.2019

2 große Irrwege: Warum die 4-Tage-Woche funktioniert

Kommentar. Berichte über einen erfolgreichen 4-Tage-Woche-Test bei Microsoft Japan, bei dem die Produktivität der Mitarbeiter um 40 Prozent gestiegen ist, gingen in den vergangenen Tagen durch die Medien. Warum es so gut geklappt hat, lässt sich mit zwei Irrwegen unserer Arbeitskultur erklären.
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Warum bringt die 4-Tage-Woche mehr Produktivität am Arbeitsplatz
(c) Adobe Stock - Drobot Dean: Warum bringt die 4-Tage-Woche mehr Produktivität am Arbeitsplatz

In Japan gibt es ein eigenes Wort für Tod durch Überarbeitung: “Karoshi”. In keinem anderen Land werden statistisch gesehen so viele Überstunden geleistet. Ein Grund dafür ist ein “ungeschriebenes Gesetz”, wonach Mitarbeiter vor dem Vorgesetzten ins Büro kommen und nach ihm gehen müssen. Dass Microsoft von all seinen internationalen Standorten Japan für einen 4-Tage-Woche-Test (bei gleicher Bezahlung) auswählte, hat also eine gewisse Symbolkraft. Vor allem aber hat es Sinn.

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Irrweg Nr.1: Arbeitszeit zählt mehr als Leistung

Denn das oben beschriebene “ungeschriebene Gesetz” zeigt eine Absurdität im Arbeitsethos einerseits und in den Erwartung von Arbeitgebern andererseits auf, die auch abseits Japans häufig auftritt, dort aber besonders ausgeprägt ist: Die aufgewendeten Stunden zählen mehr als die tatsächlich erbrachte Leistung. Wohl, weil sie sich auch leichter beobachten lassen. Das ist ein Irrweg unserer Arbeitskultur. Viele Mitarbeiter verbringen unzählige Arbeitsstunden mit Nichtstun und Zeitvertreib, um nicht durch Abwesenheit aufzufallen. Und zwar noch mehr Zeit, als am Ende des Tages als Überstunden eingetragen werden. Man hat ja in der Selbstwahrnehmung “ewig Zeit”.

In diesem Lichte lässt sich der Erfolg des einmonatigen 4-Tage-Woche-Experiments von Microsoft Japan im August schon etwas besser verstehen: Die rund 2300 betroffenen Angestellten waren in der Zeit laut Konzern-Angaben um 40 Prozent produktiver – gemessen am Umsatz pro Kopf im Vergleich mit dem selben Monat des Vorjahrs. Es scheint klar: Das Gefühl, “ewig Zeit” zu haben fällt mit dem knapperen Zeitkorsett weg. Die Mehrheit der Mitarbeiter dürfte in ihrer Arbeitszeit also tatsächlich intensiv gearbeitet haben, anstatt stundenlang bloß so zu tun. Klar: Die Leistung zählte plötzlich eben mehr als die Arbeitszeit.

Irrweg Nr. 2: “Wichtigkeit” zählt mehr als tatsächlicher Zeitbedarf

In seiner Erklärung weist der Konzern aber noch auf weitere Maßnahmen hin, die im Zuge des Tests ergriffen wurden. So wurde die Zeit für Besprechungen auf maximal 30 Minuten begrenzt. Um lange Anfahrtszeiten zu vermeiden, wurde zudem auf mehr Videokonferenzen gepocht. Damit wurden zwei weitere Produktivitäts- und Zeitkiller direkt angegangen. Dabei verhält es sich ähnlich, wie mit der reduzierten Arbeitszeit: Ist der Rahmen enger, muss man einfach schnell zum Punkt kommen und kann sich nicht mit Smalltalk und vor allem (!) nicht mit Inhalten, die eigentlich nicht Gegenstand des Meetings sind, beschäftigen. Auch dahinter steht ein Irrweg unserer Arbeitskultur: Die Zeit, die für die Besprechung von Dingen anberaumt wird, wird nach ihrer “Wichtigkeit” oder der “Wichtigkeit” der Gesprächspartner, nicht nach dem tatsächlichen Zeitbedarf festgelegt.

Das Zwischenmenschliche vs. das Zwischenmenschliche

Ein Nebeneffekt all dieser Maßnahmen im 4-Tage-Woche-Test war übrigens, dass in der Zeit bei Microsoft Japan der Energieverbrauch um 23,1 Prozent, der Papierverbrauch sogar um 58,7 Prozent reduziert wurde. Nun könnte man aber argumentieren – wie es etwa in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung passierte – dass die Produktivitätssteigerung, sprich: Effizienzsteigerung, in erster Linie mehr Stress für die Mitarbeiter bedeutet. Sie würden zu “Effizienzmonstern mit Tunnelblick”, schreibt die SZ-Autorin. Das Zwischenmenschliche in der Arbeit käme zu kurz.

Hier die Gegenthese: Wenn Leistung mehr zählt als Arbeitszeit und man nicht mehr “ewig Zeit” hat und deswegen “ewig Zeit” vertut, kommt vielleicht endlich das Zwischenmenschliche abseits der Arbeit nicht mehr zu kurz. Egal, ob es Zeit mit der Familie oder mit Freunden ist – jeder in einem überstundenintensiven Arbeitsverhältnis macht hier massive Abstriche, die oft nicht notwendig wären. Und schließlich kann man in der neu erworbenen Freizeit ja auch seine Arbeitskollegen treffen, wenn man noch Gesprächsbedarf hat.

4-Tage-Woche: Flexiblere Lebenszeit – produktivere Arbeit!

Die von oben verordnete Arbeitszeitverkürzung, etwa als 4-Tage-Woche mit entsprechenden Begleitmaßnahmen, bietet letztendlich – entgegen der allgemeinen Nutzung des Worts – mehr Flexibilität, nämlich bei der Gestaltung des eigenen Lebens. Sie macht Schluss mit den skizzierten zwei Irrwegen unserer Arbeitskultur. Sie sorgt erstens dafür, dass Menschen nicht mehr als fleißiger und engagierter wahrgenommen werden, nur weil sie länger im Büro sitzen. Und die sorgt zweitens dafür, dass Vorhaben die Zeit eingeräumt wird, die sie tatsächlich brauchen. Sie hilft also Unternehmen herauszufinden, von welchen Mitarbeitern sie tatsächlich am meisten haben und wie lange welche Arbeitsschritte tatsächlich brauchen. Und damit wird die Produktivität nicht nur kurzfristig, sondern langfristig gesteigert.

⇒ Zum offiziellen Bericht von Microsoft Japan (japanisch)

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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2 große Irrwege: Warum die 4-Tage-Woche funktioniert

Bei Microsoft Japan wurde die 4-Tage-Woche erfolgreich getestet. Im Land gibt es ein “ungeschriebenes Gesetz”, wonach Mitarbeiter vor dem Vorgesetzten ins Büro kommen und nach ihm gehen müssen. Dieses zeigt einen Irrweg in der Arbeitskultur, die auch abseits Japans häufig auftritt: Die aufgewendeten Stunden zählen mehr als die tatsächlich erbrachte Leistung. Ein weiterer Irrweg: Die Zeit, die für die Besprechung von Dingen anberaumt wird, wird nach ihrer “Wichtigkeit” oder der “Wichtigkeit” der Gesprächspartner, nicht nach dem tatsächlichen Zeitbedarf festgelegt. Genau daran setzen die Maßnahmen erfolgreich an.

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Bei Microsoft Japan wurde die 4-Tage-Woche erfolgreich getestet. Im Land gibt es ein “ungeschriebenes Gesetz”, wonach Mitarbeiter vor dem Vorgesetzten ins Büro kommen und nach ihm gehen müssen. Dieses zeigt einen Irrweg in der Arbeitskultur, die auch abseits Japans häufig auftritt: Die aufgewendeten Stunden zählen mehr als die tatsächlich erbrachte Leistung. Ein weiterer Irrweg: Die Zeit, die für die Besprechung von Dingen anberaumt wird, wird nach ihrer “Wichtigkeit” oder der “Wichtigkeit” der Gesprächspartner, nicht nach dem tatsächlichen Zeitbedarf festgelegt. Genau daran setzen die Maßnahmen erfolgreich an.

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Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

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Bei Microsoft Japan wurde die 4-Tage-Woche erfolgreich getestet. Im Land gibt es ein “ungeschriebenes Gesetz”, wonach Mitarbeiter vor dem Vorgesetzten ins Büro kommen und nach ihm gehen müssen. Dieses zeigt einen Irrweg in der Arbeitskultur, die auch abseits Japans häufig auftritt: Die aufgewendeten Stunden zählen mehr als die tatsächlich erbrachte Leistung. Ein weiterer Irrweg: Die Zeit, die für die Besprechung von Dingen anberaumt wird, wird nach ihrer “Wichtigkeit” oder der “Wichtigkeit” der Gesprächspartner, nicht nach dem tatsächlichen Zeitbedarf festgelegt. Genau daran setzen die Maßnahmen erfolgreich an.

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