28.05.2019

Interne Teams vs. externe IT-Dienstleister: Man kann nicht alles selber entwickeln

Soll man in der Software-Entwicklung im Unternehmen ein eigenes Entwickler-Team beschäftigen, oder einen externen Dienstleister heranziehen? Wir sind dieser Frage mit Ralph Harreiter, Gründer und CEO der Grazer Software-Schmiede Parkside, auf den Grund gegangen.
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Parkside: CEO Ralph Harreiter zum Thema interne Teams vs. externe IT-Dienstleister
(c) Parkside: CEO Ralph Harreiter
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Nicht einmal mehr die kleine Bäckerei von nebenan kommt heute um einen Online-Auftritt herum. Das ist nur ein Beispiel, bei dem auch dezidierte Offline-Firmen auf Software angewiesen sind. Mag der Software-Aufwand bei kleinen Offline-Businesses noch überschaubar sein, steigt mit der Unternehmensgröße der Bedarf exponentiell. Man denke neben der obligatorischen Website nur an Verwaltungs-, Buchhaltungs- und Datenbanksysteme. Doch nicht für alles gibt es Fertig-Software-Produkte. Da stellt sich früher oder später die große Frage: Soll man Know-How und Teams aufbauen, oder externe IT-Dienstleister beauftragen? Dabei sind einige Kriterien zu bedenken.

+++ Drei Hebel für die Unternehmenskultur +++

Vertrauen als entscheidender Faktor

“Rein prinzipiell kann man sagen: Es kommt auf die Produkt-Kernkompetenz an. Wenn das Kernprodukt eines Unternehmens digital ist, braucht es dafür natürlich interne Teams. Auch dann kann man sich aber für gewisse Zwecke externe Verstärkung holen. Wenn die Kernkompetenz nicht im IT-Bereich liegt, kann es sinnvoll sein, die gesamte Software extern bauen zu lassen”, sagt Ralph Harreiter, Gründer und CEO der Grazer Software-Schmiede Parkside. Entscheidend sei dabei aber der Faktor Vertrauen. “Sonst kann es langfristig nicht funktionieren”, sagt Harreiter.

Rechtliche Absicherung

Und bei allem Vertrauen müsse man sich dennoch rechtlich entsprechend absichern. “Gerade bei Anwendungen, die für das Unternehmen ‘mission critical’ sind, sollte man sich vertraglich alle Rechte bzw. überhaupt Exklusivrechte sichern”, sagt der Parkside-Gründer. Denn im schlimmsten Fall könne man sonst auf einer Nutzungslizenz “sitzen bleiben”, mit der man nicht weiterarbeiten könne. Doch Harreiter beruhigt: “Jeder seriöse Anwalt weiß, was in so einem Vertrag drinnen stehen muss”.

Frische Ansätze von außen

Auch für Großkonzerne, die prinzipiell Budget und Kapazitäten hätten, sämtliche Systeme inhouse entwickeln zu lassen, hätte die Beauftragung externer Software-Entwicklungspartner potenziell entscheidende Vorteile, sagt Harreiter. “Zum einen fällt es ihnen oft schwer, gute innovative Mitarbeiter zu finden. Es bestehen einfach viele Vorurteile gegenüber großen Corporates, die oft gar nicht stimmen. Gute externe IT-Dienstleister haben diese Leute. Zum anderen kommen von außen häufig frischere, innovativere Ansätze. Darüber hinaus gibt es Fälle, wo die Inhouse-Truppe ein Problem nicht aufgreifen kann oder will. Zum Beispiel weil die besten eigenen Leute an andere Stelle voll ausgelastet sind. Da kommt es öfters zu Situationen, wo wir als externer Spezialist hinzugezogen werden, um ein Projekt zu retten bzw. noch erfolgreich zu machen”.

Spezialisten auf Abruf

Und wie sieht es mit kleineren Unternehmen aus? “Dort ist es so, dass man viele Spezialrollen – seien das jetzt Software-Architekten, UI-Spezialisten oder iOS Developer – nicht in Vollzeit oder überhaupt nur sporadisch braucht. Bei einem externen Anbieter kann man dann, je nach Bedarf, auf ein ganzes Team von erfahrenen Spezialisten zurückgreifen”, sagt Harreiter.

Geschwindigkeit als Hauptargument

Das sei auch einer der potenziellen Vorteile, wenn Unternehmen, deren Kernprodukt digital ist, auf externe Hilfe setzen. “IT-Unternehmen müssen natürlich ihr eigenes Produkt selber im Griff haben. Das passiert aber häufig primär im Backend. Wenn es im Frontend etwa eine App-Oberfläche geben soll, können das externe Spezialisten vielleicht besser bauen, wenn sie auf einer entsprechenden API aufsetzen können”, erklärt der Parkside CEO. Das Hauptargument, warum auch IT-Unternehmen externe IT-Dienstleistungen einkaufen, sei Geschwindigkeit. Generell stelle sich dabei die Frage: Will man sein Team mit externen Kräften erweitern, also etwa Coding-Leistung ankaufen, oder ganze Produkte extern bauen lassen?

Mehr Aufträge für externe IT-Dienstleister in den USA

Mit Parkside hat sich Harreiter auf zweiteres spezialisiert: “Wir arbeiten sehr gerne an Gesamtpaketen, weil wir da eigenständig arbeiten können”. Dabei macht das Unternehmen mehr als 60 Prozent seiner rund fünf Millionen Euro Jahresumsatz in den USA – bislang von Graz aus. An einem möglichen US-Standort in San Francisco wird gearbeitet. Einer der größten US-Kunden ist die Plattform LinkedIn. “Dass man sich in den USA leichter tut, externe Software-Partner zu beauftragen, hat wohl mehrere Gründe. Erstens ist der Mangel an Spezialisten dort noch größer. Zweitens ist der Faktor Geschwindigkeit in den USA noch bedeutender. Und drittens ist es sicher auch eine Mindset-Sache”, sagt Harreiter.

Mitdenken statt Befehle empfangen – Outsourcing war gestern

Bemerkenswert ist zudem Parksides Ansatz. Man geht in Projekte mit selbstorganisierten Spezialistenteams, die sich eigenständig einarbeiten und gemeinsam mit dem Kunden die richtigen strategischen, gestalterischen und technischen Entscheidungen treffen. “Das ist keineswegs üblich”, sagt Harreiter. “Im Silicon Valley trifft man noch vielfach auf das klassische Outsourcing-Modell, wo der Kunde dem IT-Dienstleister genau sagt, was er zu tun hat. In vielen Gesprächen vor Ort lernen wir, dass dies für die Unternehmen nur bedingt gut funktioniert. Da können wir als bewegliche Truppe, die sich mit eigenen Ideen und Konzepten engagiert, viel zur Qualitätssteigerung beitragen”.

Parkside: “Überall, wo es etwas zu entdecken gibt, fühlen wir uns wohl”

Was seine Kunden anbelangt, bleibt Parkside im In- wie im Ausland seinen Prinzipien treu. “Es gibt auch Aufträge, die wir nicht annehmen, weil sie nicht zu unserer Unternehmenskultur und unseren Werten passen”, sagt Harreiter. Man baue beispielsweise keine Anwendungen im Glücksspiel-Bereich. Gerne nehme man hingegen Aufträge an, die besonders fordernd sind. “Überall, wo es etwas zu entdecken gibt und wo neue Technologien zum Einsatz kommen, fühlen wir uns wohl. Da haben unsere Leute Spaß und performen am besten, weil sie wirklich mitgestalten können”.

⇒ Zur Page der Grazer Software-Schmiede Parkside

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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