13.07.2022

Wir sind jetzt neun Millionen Inflationsexperten

Jeder Mensch hat seine eigene Inflationsrate. Und egal was die Politik tut: Am Ende ist man mit seiner ganz persönlichen Teuerung alleine.
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Die Inflationsrate ist bei jedem unterschiedlich
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch | (c) brutkasten / CHUTTERSNAP via unsplash
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Psst… Ich will euch heute ein Geheimnis verraten. Diese Inflationsrate, von der wir in den Medien immer hören… Die gibt es gar nicht!

Also, man kann sie schon berechnen. Und viele kluge Menschen machen sich viele Gedanken dazu, was alles in den “Warenkorb” soll, der den Konsum eines “durchschnittlichen” Bürgers repräsentieren soll. Aber die Zahl, die dabei rauskommt, kann uns maximal einen Trend verraten, niemals die echte Realität zeigen.

Die sieht nämlich so aus: Ich habe meine eigene Inflationsrate. Und du hast deine. Unsere Eltern haben ihre und unsere Kinder auch – sofern sie überhaupt schon eigenes Geld haben, das sie ausgeben dürfen. Vielleicht sucht die Nationalbank deswegen händeringend nach Inflationsexperten. Und sie hat Glück. In Österreich leben inzwischen neun Millionen Inflationsexperten.

Stadt vs. Land bei der Inflation

Denn bei Preissteigerungen geht es nie um den absoluten Trend, sondern um die Frage: wer ist wie stark betroffen?

Ein Beispiel: Jeder weiß, das Leben in der Stadt ist teuer. Trendy Restaurants, coole Clubs, Bio bis zum Abwinken – das kostet! Deshalb haben Stadtbewohner unter “normalen” Umständen auch mit höheren Inflationsraten zu kämpfen.

Am Land ist der Konsum eingeschränkt. Und wer ins Kaffeehaus will, muss sich meist ins Auto setzen. Das Ergebnis: Wenn die Energiepreise besonders anziehen, leidet der Landbewohner. Deshalb war die Inflationsrate in der Stadt 2020 noch höher als am Land – aber 2021 war es schon umgekehrt.

Ein weiteres Beispiel betrifft das Einkommen. Die Faustregel sagt: wer mehr Geld hat, ist von der Teuerung weniger betroffen. Das stimmt auch. Besserverdiener leben oft im Eigentum und geben generell weniger vom Haushaltseinkommen für Wohnen, Nahrung und Energie aus.

Um diese nicht zu übervorteilen, sollen Haushalte mit 90.000 Euro Jahreseinkommen die Einmalzahlungen von der Regierung versteuern, was einer Halbierung der Zahlung gleichkommt.

Die kleinste Minderheit ist das Individuum

Macht das Sinn? Aus politischer Sicht sicherlich. Aber was ist mit denen, die zwar über hohes Einkommen verfügen aber keine Eigentumswohnung von den Eltern geschenkt bekommen haben? Die haben oft hohe Miet- und Energiekosten, die Teuerung verschont sie sicherlich nicht.

Das Gerede von der “Treffsicherheit” bei der Inflationsbekämpfung ist daher maximal Populismus. Die allgemeine Inflationsrate ist ein Trend, sie spiegelt aber nicht die Realität der einzelnen Menschen und Familien. Ähnlich wie bei einer Steuerdebatte wird die Inflationsbekämpfung jetzt zum Verteilungskampf. Das kann man machen – aber um wahre Treffsicherheit herzustellen, müssten wir die Gesellschaft auf die kleinste Minderheit herunterbrechen. Und das ist der Mensch, das Individuum.

Ich habe meine eigene Inflationsrate, du hast deine und der Typ gegenüber von uns in der Straßenbahn hat seine.

Das ist auch der Grund, warum politische Antworten auf dieses Problem so schwierig sind. Jetzt redet die Politik von einem “Deckel” für die Energiepreise, damit im Winter der Schock einigermaßen erträglich bleibt. Aus politischer Sicht verständlich, aus ökonomischer nicht. Preiskontrollen sind immer ein ungenügendes Mittel.

Man “behandelt” dabei maximal ein Symptom, niemals aber die Krankheit. Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen: Die Krankheit ist eine Preiskontrolle – denn nichts anderes ist “Zinspolitik einer Zentralbank”. Ein Komitee angeblich weiser Männer und Frauen entscheidet über den Preis des Geldes. Und löst damit Inflation aus.

Vorsicht: 2023 wird kaum besser

In Wien sind zum Beispiel kleinere Altbauwohnungen Preiskontrollen unterworfen. Die Folgen: Ein Rückstau bei Renovierungen und allerlei Schlupflöcher, durch die die Mieter erst recht draufzahlen, um sich dem Marktpreis zu nähern (etwa Extrazahlungen für die neue Küche).

Und dann ist da noch die “Kerninflation”. Sie wird ohne die Preise für Energie und Nahrung berechnet, da diese oft schwanken (so wie jetzt). Laut Nationalbank wird diese Kerninflation im kommenden Jahr weiter steigen, während die “allgemeine” schon zu sinken anfängt. Heißt: Vieles wird weiter rasant teurer aber die Politik wird das Interesse verlieren, weil Preise für Waren und Dienstleistungen nicht so sexy für Populismus sind.

Und die betroffenen Bürger dürfen selbst sehen, wo sie bleiben. Am Ende ist jeder mit seiner Inflationsrate alleine. Immerhin: Die Statistik Austria hat einen Rechner entwickelt, der dabei helfen kann, die eigene Teuerung zu ermitteln. Denn findet ihr hier. Aber Warnung: Ziemlich kompliziert, das Ding!

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(c) Christoph Steinbauer & Das Merch

Die Initiative No Walls Left wurde ursprünglich von Ali Mahlodji, Klaus Buchroithner (Das Merch), Colin Linde und Hannes Puchner ins Leben gerufen. Bereits 2020 und 2023 wurden Kampagnen umgesetzt, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Zudem schloss sich auch Patricia Wenigwieser, Frauenpreisträgerin der Stadt Linz 2024, dem Team an.

No Walls Left startet auch in diesem Jahr wieder eine Kampagne. Die Initiatoren machen hierfür erstmals mit UN Women Austria und deren Orange the World Kampagne gemeinsame Sache. Die UN-Initiative findet jährlich zwischen dem 25. November, dem “Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen”, und dem 10. Dezember, dem “Internationalen Menschenrechtstag”, statt.

No Walls Left spendet Geld an den Orange Fund der UN Women

Pünktlich am 25. November öffnet der No Walls Left-Webshop seine Türen und startet die Charity-Kampagne, “Kunst, die bewegt”. Zu erwerben gibt es T-Shirts mit exklusiven Designs und Botschaften aufstrebender, österreichischer Künstler:innen. Die T-Shirts werden durch das Linzer Startup Das Merch fair und umweltfreundlich in Portugal hergestellt. Der Preis beträgt 38 Euro pro Shirt – ein Symbol für den 8. März, den Internationalen Frauentag.

Das gesamte Team arbeitet ehrenamtlich. Der Reinerlös fließt direkt als Spende in den Orange Fund der UN Women. Mit Spendengeldern realisieren die UN Women jährlich etwa 170 lokale, effektive Programme zur Gewaltprävention. Je mehr Mittel zur Verfügung stehen, desto mehr Projekte können umgesetzt werden und desto weniger Frauen müssen unter geschlechtsspezifischer Gewalt leiden.

Kritik an Werbebotschaften großer Konzerne

In den vergangenen Jahren konnte die Initiative übrigens über 68.000 Euro an Spenden sammeln, die unter anderem an Frauenhäuser überreicht wurden (brutkasten berichtete). Der Name No Walls Left möchte zudem auf einen weitere Misstand in unserer Gesellschaft hinweisen. “Die Wände unserer Städte sind voll mit Werbebotschaften großer Konzerne. Wenn keine Wände mehr übrig sind, um Menschen an wichtige gesellschaftliche Themen zu erinnern, müssen wir selbst zu Träge:innen dieser Botschaften werden”, so die Initiative in einer Aussendung.


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