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Das Rad der Zeit webt wie es will. Dies musste Butchershop-Gründer Trevor Hubbard an eigenem Leib erfahren. Ihm standen als jungem Mann von 19 Jahren viele Wege offen, wie er seine Zukunft gestalten kann. Nach der Schule wurde ihm ein “NCAA Division 1 Basketball Scholarship” angeboten. Eine große Möglichkeit einmal später in der NBA zu landen. Doch etwas ungewöhnlich für einen Athleten zog den Kalifornier auch die Kunst an.
“Ich befand mich in einem ständigen Kampf, was ich tun sollte”, erklärt er. Für seine Eltern war die Entscheidung eine klare. Die Aussicht keine Studiengebühren für die Universität zu bezahlen, entfachte in Mutter und Vater Hubbard eine freudige Aufregung. So nahm er das Stipendium an.
Hubbard und seine beste und schwerste Entscheidung
Doch mit der Zeit merkte er, dass er sich entweder unglücklich durch diesen Weg durchbeißen müsse, oder etwas anderes finden. “Das ‘Scholarship’ mit 19 Jahren abzugeben war das härteste und beste, was ich je getan habe”, sagt er heute und nennt es einen prägnanten “growing up”-Moment. Der aber noch nicht den Weg ebnete, den er heute geht. Aber ihn darauf vorbereitete.
Hubbard widmete sich dem Skifahren, war als Tutor unterwegs und studierte “film-making”. Dort lernte er verschiedene Narrative zu erzählen, eignete sich andere Sichtweisen an und erfuhr, wie man verschiedene Projekte angeht. “Ich unterrichtete nebenbei Kinder, war eine ‘Manny’, eine männliche Nanny, und verbrachte meine Wochenenden am Berg. Ich hatte ein schönes Leben und glaubte, ich werde ‘Hollywood-Scripts’ schreiben. Retrospektiv war das die Zeit, wo ich anderen zu helfen begann”, sagt er.
Ein Arts-Master und ein Olympiasieger
Doch auch hier öffneten sich für den späteren Gründer der Growth- und Transformation-Agentur Butchershop andere Wege. In San Francisco wurde er zu einem “Bail Bonds Agent”, einer Person, die für Kriminelle Kautionen ausverhandelt. “Ich verdiente mehr Geld als meine Freunde, hatte ein schönes Appartement und alles war gut. Doch ich entfernte mich immer mehr von dem, was ich eigentlich tun wollte”, erinnert sich Hubbard. So machte er seinen Master in “Design und Advertising” an der Kunstschule und tat sich mit Johnny Moseley zusammen.
Er und der Freestyle-Olympiasieger von 1998 hatten eine Idee, die für Hubbard schlussendlich den Weg ins Unternehmertum ebnen sollte. Sie planten mitten in den Straßen von San Francisco eine Skisprungschanze zu bauen und waren auf der Suche nach Sponsoren für ihren X-Game-Event. Und wurden fündig.
Mit Sony Playstation, Toyota und Mastercard in der Hinterhand lockten sie 20 Profis an. Dieses Projekt wuchs und führte von 2004 bis 2008 dazu, dass Folge-Events sogar vor 40.000 Zuschauern in einem Baseballstadium stattfanden. Mit prominenten Gästen wie dem Musiker Mos Def oder Skate-Legende Tony Hawk.
“Doing the impossible”
“Den Winter in die urbane Stadt zu bringen brachte mich zum Entrepreneurship. Ich gründete ein Startup und lernte das ‘Unmögliche’ zu tun. Etwa durch die komplexe Bürokratie der Stadt zu navigieren oder Millionen von US-Dollar an Funding zu ‘raisen’. Dies sollte sich später als das ‘Groundwork’ für meinen weiteren Weg darstellen”, sagt er. Dann kam jedoch die Weltwirtschaftskrise 2008 und Hubbard verlor alles.
Niemand war mehr bereit zu investieren, der ganze Event kollabierte und auch die Agentur überlebte die Rezession nicht. Doch, wo Verlust das Ende des Weges bedeuten kann, hatte dieser Rückschlag in dem US-Amerikaner andere Gedanken ausgelöst.
Er beobachtete strauchelnde Unternehmen, Agenturen, die Konkurs anmeldeten und vom Erdboden verschwanden. Hatte aber zugleich ein dominantes Gefühl in sich, das ihm sagte, er wisse eigentlich, wie man die schweren Dinge richtig angeht, die im Unternehmertum nötig sind. “Ich habe meine Chance gesehen und entschieden, ich starte Butchershop”, so Hubbard.
14 Jahre vor Wien
Bevor der Silicon-Valley-Gründer Wien als die europäische Niederlassung gewählt hat, lagen 14 Jahre Arbeit, witzige Erfahrungen und außergewöhnliche “learnings” dazwischen. Am Anfang von Butchershop noch als kleines Startup, das ohne festes Office agierte, traf Hubbard einen alten Kooperationspartner vom Ski-Event seinerzeit, der zum ersten Großkunden des neuen “Businesses” werden sollte.
Der Gründer eines alkoholischen Energy-Drinks hatte im Sinn ein altes Bier zu relaunchen und wollte wissen, ob Marketing auf Facebook möglich wäre. Hubbard sagte ohne große Zweifel gleich zu, schreib in sechs Wochen ein 200-Seiten starkes Manual dafür und pitchte.
“Dabei ging es nicht nur um Facebook, das ja nicht das soziale Netzwerk von heute war. Es ging auch um das Branding in der physischen Welt”, erklärt Hubbard. Butchershop erhielt den 500.000 US-Dollar starken Auftrag, der schließlich für sein Unternehmen zur ‘Launch-Rocket’ wurde. Dass sie dabei keinen fixen Standort hatten, wurde zu einer kleinen Herausforderung.
“Unser Auftraggeber hatte beim Abschied gemeint, treffen wir uns doch nächste Woche in deinem Office. Und ich sagte, ‘Ja klar’. Also mussten wir innerhalb von einer Woche eines besorgen, es ausstatten und wie ein genutztes Büro aussehen lassen”, erinnert sich Hubbard lächelnd. “Wir haben von einem Partner ein Foto-Studio ‘ausgeborgt’, in schrecklichstem Teil der Stadt über einem Nachtclub. Im Hof baute jemand Marihuana an.”
Er und sein Team besorgten Kunst zum Aufhängen an den Wänden, schleppten ihre privaten PCs ins Studio und verteilten Getränkepackerl im Büro. Hubbard bat sogar einige seiner “Schüler” einfach vor Ort zu sitzen, um das Team in Anzahl zu füllen. “Am Ende war es einer der besten Aufträge, die wir hatten. Ich habe über den Launch und das Branding sogar eine zwölfteilige Doku gemacht, die auf diversen Fernsehsendern und bei Film-Festivals gelaufen ist.”
Das erlernte “Nein”
Trotz dieses guten Starts waren die ersten sieben Jahre nach der Gründung 2008 “back-breaking” meint Hubbard heute: “Man denkt, wenn man ein Unternehmen aufzieht, hat man die Kontrolle. In Wirklichkeit agierst du eher reaktiv. Du musst in eine Position kommen, in der du ‘business opportunities’ anziehst. Du musst Leute erhalten und mit ‘Ja sagen’ die Firma lenken. Reputation aufbauen und feste Beziehungen etablieren.”
Allerdings sei, so der Gründer weiter, wenn man zu allem “Ja” sage, die Hälfte davon zum Scheitern verurteilt. “Es nervt, du erhältst kein Geld, tust Leuten weh, Stichwort ‘Burnout’. Wir waren ein bisschen, wie das Kind, das lernt, nur einmal die heiße Herdplatte anzugreifen”, sagt er. “Mit einem ständigen ‘Ja’ erfährt man, was funktioniert und merkt dann aber auch, wozu man ‘Nein‘ sagen muss. Wenn ein Gründer einmal diesen Ort erreicht hat, weiß er, dass dieses eigentlich negative Wort das Positivste ist, was man machen kann. Weil man seine Stärken kennt und authentisch wird. Das war unser ‘guiding light’ der letzten sieben Jahre.”
Über 700 Startups und 30 Unicorns
Butchershop hat seinem Bestehen über 700 Startups bei “Growth und Transformation” begleitet und “30 Unicorns “under our watch” gehabt (etwa Zuora, Grail, Chime, Tipalti, Zene.fits, sowie aktuell Okta, Databricks, Exabeam und At-Bay), wie Hubbard sagt. Und dabei Milliarden von Dollar für ihre Kunden durch besseres Design, Branding, veränderter Unternehmenskommunikation und strategische Ausrichtungen mitlukriert. Er nennt es diese eine “special sauce”, die man braucht, um “pain points” zu lösen, die Butchershop liefert.
“Wir arbeiten als ‘Growth und Transformation-Company’ an der Verbindung von ‘Brands’, ‘Business’ und Produkt und ändern die ‘Perception’ der Kunden. Wir haben für Gründer, die das ‘globalizing’ ihrer Firma im Sinn haben, alles unter einem Dach” so Hubbard weiter.
Der beinahe Basketball-Profi verfolgt dabei ein Dogma, das er mit der Aussage “failure equals lack of clarity” konkretisiert. Im Valley herrsche die Annahme, dass man als Founder scheitern muss, um später Erfolg zu haben. Es werde wie ein Ehrenabzeichen getragen.
Scheitern nicht das Gegenteil von Erfolg
“Ich aber habe das immer angezweifelt”, sagt Hubbard. “In Europa ist es noch schlimmer. Da hat man eine große Angst vor dem Scheitern entwickelt, das mit allen Mitteln vermieden werden soll. ‘Failure’, so denkt man, ist das Gegenteil von Erfolg. Es klingt logisch, ist es aber nicht. Sondern ein Mangel an Klarheit. Man senkt die Gefahr des Scheiterns, wenn man identifiziert, wieviel ‘clarity’ man im Unternehmen hat.”
An dieser Stelle berichtet der Butchershop-CEO von seinem ungewöhnlichen Umgang mit seinem Team, bringt totale Unternehmens-Transparenz ins Spiel, erklärt, warum jeder seiner Mitarbeiter eine Kreditkarte auf Firmenkosten erhält und wie die “Pre Mortem Methode” ein Startup weiterbringen kann.
Pre Mortem
Beim letzten Punkt handelt es sich um keinen neuen Zugang, sondern um gängige Praktik von Engineers, die sich vorstellen, dass ein Projekt gescheitert ist, und dann rückwärts arbeiten, um herauszufinden, was möglicherweise zum Scheitern eines Projekts führen könne. Der Begriff wurde von dem Kognitionsforscher Gary Klein geprägt.
“Post Mortem kennt jeder”, sagte Hubbard. “Man sagt ja ‘failures happen’, wir machen es nächstes Mal besser. In der Startup-Welt ist ein ‘next time’ aber zu spät und zu teuer.” Er selbst stieß auf diese Strategie, als er sich mitten in einer Transformationsphase von Butchershop befand und sein “Leadership-Coach” davon sprach. Gemeinsam erstellten sie eine Liste, was das Unternehmen zu Fall bringen könne. Am Ende wurden es 40 Faktoren, die zu Misserfolg hätten führen können – dem gegenüber standen drei Dinge, die die Firma erfolgreich gestalten.
“Eigentlich wollte ich über die Erfolgsfaktoren sprechen und sie mit dem Team teilen, habe dann aber gemerkt, dass dies zu viel an ‘lack of clarity’ geführt hätte, wenn ich bloß meine Erfolgsliste teile. Mit der ‘failure-Liste’ konnte ich hingegen die Leute einladen, sich das mit mir anzusehen. Das hat unser Leben verändert”, sagt er.
Aus diesem Grund und der Klarheit, der Transparenz und Sicherheit wegen, schreibt Hubbard seine “monthly reports”, in denen er die finanzielle Lage von Butchershop allen seinen Mitarbeitern offenlegt. Dies war ein ‘learning’ eines “Pre Mortem” mit seinem Team, das sich, eigenen Worten nach, bis dahin gewundert habe, was die Firma eigentlich alles tut.
Hubbard mit “show, don’t tell-Philosophie”
“Während der Pandemie habe ich jede Nacht Mails an meine Leute geschrieben und ziemlich schnell gemerkt, dass jeder im Prinzip wissen wollte, ob sie in Zukunft noch einen Job haben”, erklärt Hubbard. “Da hatte ich zwei Möglichkeiten. Zu sagen, ‘hey, vertraut mir, alles wird gut’. Oder es ihnen zu zeigen und zu erklären, es wird hart, aber wir kämpfen gemeinsam. Deshalb teile ich unsere Situation mit dem gesamten ‘Staff’. Und lege offen, wieviel Geld wir auf der Bank haben, wo wir investieren, welche Einnahmen wir generieren, an welchen Government-Programmen wir teilnehmen, welche neuen Kunden wir gewinnen und warum andere nicht. All dies hat uns alle noch besser ‘connected’. Und wir sind gemeinsam gewachsen.”
Konkret von 40 auf 115 Mitarbeiter bei einer Umsatzsteigerung von 200 Prozent, mit einem Plus von 24 Prozent an Profit. Alles mit dieser “beat failure”-, “clarity”- und Transparenz-Ideologie. Sowie einer großen Portion Vertrauen.
Nachtschiwimmen, gebrochene Knochen & Kreditkarten für alle
Hubbard spricht von gemeinsamen Urlauben mit dem ganzen Team, “night swimming”, gebrochenen Fingern vom Pool-Football und Margaritas am Strand, wo sich die “Butchershopper” Energie für den Rest des Jahres holen. Er erkannte, dass sich nach diesen gemeinsamen Erlebnissen Leute bei Zoom-Calls anders verhielten, anders miteinander umgingen. Und nennt es gut für das “Team-Growing” und ein “Investment in People”.
Mit dieser Einstellung geht er sogar noch weiter: “Wir geben jedem – vom Neuling bis zum CEO – eine Kreditkarte. Ohne Regeln. Und sagen nur, macht nichts damit, was der Firma schaden könnte. Die Mitarbeiter können selbstständig Flugtickets kaufen, Hotels buchen, Leute zum Dinner ausführen und an Projekten arbeiten”, so Hubbard. “Das hilft extrem beim ‘decision-making’ und steigert die Effizienz. Da gibt es bei uns keine strategischen Pläne. Wir experimentieren und lernen etwas Neues daraus oder sehen, es klappt nicht. Das ist unser ‘thing in der Post-Pandemic-world’.”
Ein Silicon-Valley-Gründer in Wien
Ein weiteres “thing” von Hubbard ist es nun auch, Wien als europäische Niederlassung ausgewählt zu haben. Butchershop hat in Deutschland mit Daimler, Swiss.com, Nike oder Converse zusammengearbeitet und den DACH-Raum als spannenden Markt für sich entdeckt. “Wir wussten bald, wir müssen in Europa sein, weil wir viel anbieten und Unternehmen dabei unterstützen können, global und multinational zu werden. Und in den US-Markt zu kommen”, so Hubbard. “Wir kennen das ‘game’ und wissen, wie Unicorns das gemacht haben.”
So blickte man nach Europa, sah sich die Top 10-Städte an, welche Agenturen, Hubs, Tech-Szenen und regionale wie internationale VCs es lokal gibt und erstellte eine Liste. Wien habe dann die meisten Kriterien erfüllt: Ein spannender Mix aus “Talentmarket and People”, wie es Hubbard nennt, mit einem guten osteuropäischen Zugang, hoher Lebensqualität und einem gut kooperierendem Government mit guter “Support Struktur”.
“Wien kann da stolz sein darauf, denn ihr habt die beste”, so Hubbard lobend, der sich begeistert von der Hilfe bei organisatorischen Hürden zeigt, die er hier erhalten hat. Wie etwa die Eröffnung eines Bankkontos oder dem Finden eines Offices.
Wien ein Liebling der US-VCs?
“Wir haben uns die Founder- und VC-Landscape genau angesehen. In Wien gibt es einen Drang zum Kreieren. Wir erkannten Hives, Spaces und Startups, die entstehen und fragten, geht die Stadt nach oben oder ist sie bereits am Gipfel? Für uns startet Wien erst. Hier weiß man es vielleicht nicht, aber im Silicon Valley sehen die VCs Wien als eine der “Top 5″-Städte an.”
Bei aller Wien-Liebe, die Hubbard mit seiner Entscheidung hierherzukommen offenbarte, so hat der US-Founder auch konstruktive Kritik über. “Das lokale Mindset könnte sich ein wenig ändern. Man pflegt die Angst vor ‘failure’ statt sie ‘face on’ zu konfrontieren. Zudem sehe ich noch viel Hierarchie, top-down. Das könnte sich verbessern. Eigentlich ist diese Liste sehr kurz, was man besser machen könnte”, so Hubbard abschließend. “Ich würde aber mehr auf globale Promotion setzen. Es fühlt sich manchmal sehr nationalistisch an. Die Welt, in der wir agieren und das Business das wir betreiben ist ‘cross-border’. Wenn man sich den Weg der erfolgreichen Unternehmen ansieht, dann machen die nichts für das ‘hier’, sondern etwas für die Welt. Diese Art von Denken braucht es in Österreich.”