03.04.2020

So etwas hat der moderne Goldmarkt noch nie gesehen

Minen und Raffinerien stehen still. Flüge gibt es kaum. Am Goldmarkt schlägt der gute, alte Barren gerade alle neuartigen Papierprodukte.
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Gold: Serie Junges Geld mit Niko Jilch
(c) Georg Schober / Adobe Stock / steheap

Es gibt nur drei Assets, die im Jahr 2020 bisher eine positive Performance verzeichnen konnten. Orangensaft (plus 16%), Palladium (plus 13%) und Gold (plus 6% auf Dollar- und plus 9% auf Eurobasis). Das Edelmetall hat also in der Krise seinen Auftrag bisher erfüllt. Warum es in einem Panikabverkauf auch mitgerissen wird, haben wir hier erklärt. Aber da beginnt die Goldstory nur. Was wir gerade erleben, hat es auf dem modernen Goldmarkt wirklich noch nie gegeben.

Die Coronakrise hat die gesamte goldene Lieferkette beschädigt

Denn physisches Gold, also Münzen und Barren, ist derzeit deutlich gefragter und teurer als so genanntes Papiergold, also Terminkontrakte, ETFs und ähnliche Konstrukte. Der Grund: Während der digitale Markt mit spekulativen Positionen normal weiterläuft, ist der physische Goldmarkt durch die Coronakrise schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Kleinanleger, die maximal ein paar Unzen kaufen, merken das tendenziell kaum – die sind aktuell im Vorteil. Aber wer größere Mengen Gold kaufen will, hat derzeit ein Problem. Die Münze Österreich etwa, die wichtigste Prägestätte für Anlagegold in Europa, kann einige Länder gar nicht mehr beliefern – und generell kommt es zu Verzögerungen.

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In der Schweiz, wo die wichtigsten Raffinerien normalerweise Altgold und neues Material aus den Minen in handelbare Barren gießen, stehen die Maschinen still. Und auch in Südafrika, wo das Edelmetall aus dem ganzen Kontinent verarbeitet wird, ist der Betrieb nur sehr eingeschränkt möglich. Am Goldmarkt wird jetzt ein Spruch wahr, den man sonst eher von Kryptoenthusiasten kennt, die davor warnen, Bitcoins auf der Börse rumliegen zu lassen. Aktuell gilt: Wer sein Gold nicht in physischer Form selbst hält, geht ein stärkeres Risiko ein als sonst. Das soll kein Alarmismus sein, aber das System zeigt inzwischen einige Risse.

Trader in New York haben Gold verkauft, das sie nicht besitzen

So werfen Gold-Fans den Tradern in New York seit Jahren vor, dass sie Gold verkaufen, das sie gar nicht haben. Nun stellt sich heraus: Der Vorwurf stimmt. An der Terminbörse Comex in New York haben einige Trader jetzt Probleme, weil sie das Edelmetall nicht auftreiben können, das sie bereits verkauft haben. Normalerweise ist das kein Problem, weil das Geschäft in Dollars abgewickelt wird und echtes Gold nie bewegt wird. Aber wir leben nicht in normalen Zeiten.

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Und plötzlich sollen die Regeln geändert werden, damit auch Gold in anderer Form als den in New York üblichen 100-Unzen-Barren für diese Geschäfte herangezogen werden kann. Denn in London, wo das meiste physische Gold liegt, werden 400-Unzen-Barren gehandelt. Normalerweise müsste man dieses Gold einschmelzen und umgießen, bevor man es in New York zur Abwicklung von Trades verwenden kann. In Corona-Zeiten muss man schon froh sein, überhaupt einen Flieger für Gold von London nach New York zu finden. Stellenweise gab es zwischen dem physischen Markt in London und dem Papiermarkt in New York einen Preisunterschied von vier Prozent.

Auch ETFs sind am Ende des Tages „Papiergold“

Kleinanleger sollten sich die Worte von Jeffrey Gundlach, dem Chief Investment Officer von DoubleLine Capital zu Gemüte führen. Denn viele Anleger, vor allem in den USA, kaufen statt physischem Gold lieber ETFs, die mit Gold hinterlegt sind. Da gibt es gerade so viel Nachfrage wie seit 2009 nicht mehr. Vereinfacht gesagt: Wenn ich mir eine Unze Gold in Form eines ETFs kaufe, holt der ETF-Anbieter sich diese Unze am physischen Markt und legt sie in seinen Tresor. Aktien- oder Anleihen-ETFs funktionieren genauso. Solche Produkte sind einfacher zu handeln als physisches Gold und benötigen auf der Seite der Anleger keinen eigenen Tresor oder Safe.

Aber man kann sie nicht mit dem echte Edelmetall vergleichen, so Gundlach. Schon gar nicht in Zeiten der Krise, wo echtes Gold schwer zu bekommen ist. Gundlach spricht auch bei ETFs von „Papiergold“, da der Prozess, sein Gold rauszuholen sehr kompliziert ist – um nicht zu sagen: für Kleinanleger unmöglich. Sie können nur ihre Anteile verkaufen und dann beim Händler echtes Gold holen. Aber, so Gundlach: „Was passiert, wenn es kaum physisches Gold gibt und jeder will sein Papiergold in echtes Gold umtauschen? Du kannst kein Blut aus einem Stein quetschen.“

Gold-Klassen: Ein Extremszenario in extremen Zeiten

Diese Debatten über die unterschiedlichen Gold-Klassen sind nicht neu. Die Unterbrechungen der physischen Lieferkette aber schon. Wenn sie anhalten, könnte der Markt immer stärker unter Druck geraten. Bisher hat der Derivate-Markt für Gold stets problemlos funktioniert. Auch in vergangenen Finanzkrisen.

Aber es gibt ein Extremszenario: Es ist vorstellbar, dass der Goldpreis an den Papiermärkten fällt, während er an den physischen Märkten steigt (oder der Handel eingestellt wird). Das ist, wie gesagt, ein Extremszenario. Es ist ein unwahrscheinliches Szenario. Aber wir leben in extremen, unwahrscheinlichen Zeiten – also sollte man es zumindest kennen.


Über den Autor

Niko Jilch ist Wirtschaftsjournalist, Speaker und Moderator. Nach acht Jahren bei der „Presse“ ging er Ende 2019 zum Thinktank „Agenda Austria“, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter die Bereiche „Geldanlage und digitale Währungen“ abdeckt, sowie digitale Formate aufbaut, etwa einen neuen Podcast. Twitter: @jilnik

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

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AI Summaries

So etwas hat der moderne Goldmarkt noch nie gesehen

  • Es gibt nur drei Assets, die im Jahr 2020 bisher eine positive Performance verzeichnen konnten. Orangensaft (plus 16%), Palladium (plus 13%) und Gold (plus 6% auf Dollar- und plus 9% auf Eurobasis).
  • Das Edelmetall hat also in der Krise seinen Auftrag bisher erfüllt.
  • Was wir gerade erleben, hat es auf dem modernen Goldmarkt wirklich noch nie gegeben.
  • Denn physisches Gold, also Münzen und Barren, ist derzeit deutlich gefragter und teurer als so genanntes Papiergold, also Terminkontrakte, ETFs und ähnliche Konstrukte.
  • Der Grund: Während der digitale Markt mit spekulativen Positionen normal weiterläuft, ist der physische Goldmarkt durch die Coronakrise schwer in Mitleidenschaft gezogen worden.

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  • Das Edelmetall hat also in der Krise seinen Auftrag bisher erfüllt.
  • Was wir gerade erleben, hat es auf dem modernen Goldmarkt wirklich noch nie gegeben.
  • Denn physisches Gold, also Münzen und Barren, ist derzeit deutlich gefragter und teurer als so genanntes Papiergold, also Terminkontrakte, ETFs und ähnliche Konstrukte.
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