13.08.2018

Gesundheitsdaten als Handelsware

Das IT-Unternehmen Grapevine World mit Sitz in Wien will seinen Usern ermöglichen, ihre Gesundheitsdaten zu Geld zu machen. Diese werden dabei etwa für Forschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen oder Gesundheitsdienstleister zugänglich.
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Gesundheitsdaten
(c) Tiffany Rose: Beim "World Blockchain Summit" in Singapur konnte Grapevine World-Co-Founder Wernhard Berger den Siegerpokal im "ICO Grand Slam" entgegen nehmen. Mit dem Unternehmen will er den sicheren Handel mit Gesundheitsdaten vorantreiben.

Gesundheitsdaten seien heute bereits in einem hohen Ausmaß digitalisiert, erklärt Wernhard Berger, Co-Founder von Grapevine World. Jedoch würden sie “auf proprietären Systemen bei ÄrztInnen oder in Krankenhäusern liegen, ohne dass man nahtlos darauf zugreifen kann”. Zwar spiele Österreich mit seiner “elektronischen Gesundheitsakte” (ELGA) eine Vorreiterrolle bei der Standardisierung von Daten. Das löse allerdings nicht die Problematik eines übernationalen Datenaustauschs.

Wenn etwa ein britischer Tourist sich im Skiurlaub in Österreich verletzt und Folgebehandlungen in seiner Heimat benötigt, dann wäre es ideal, wenn die britischen MedizinerInnen unkompliziert auf in Österreich angefertigte Röntgenbilder zugreifen könnten. Dies “selbstverständlich nur mit der Erlaubnis und unter vollständiger Kontrolle des Patienten”, so Berger. Und genau das will Grapevine World künftig ermöglichen.

+++ “BRZ Innovation Factory” treibt Digitalisierung der Verwaltung voran +++

Zuverdienst aus Gesundheitsdaten

Dabei könnten sowohl Bilddaten – wie das erwähnte Röntgenbild – als auch z.B. Laborbefunde, Medikamentenlisten, Impfpässe und Entlassungsbriefe, die via ELGA zugänglich sind, weitergegeben werden. Ergänzend will Grapevine World auch via Fitness-Tracker erhobene Daten aus Gesundheits- und Fitness-Apps mit einbeziehen. In der Praxis könnte dann ein Forschungsinstitut, z.B. eine Medizinische Universität, passende TeilnehmerInnen etwa für eine Diabetes-Studie definieren. Deren Eckdaten würden mit einer entsprechenden Anfrage ins Grapevine-System gestellt.

Dort wiederum werden die Daten mit den über die Systemteilnehmer vorhandenen Meta-Informationen abgeglichen und jene, die ins Profil passen – z.B. aufgrund ihres Alters und des Wohnorts -, werden darüber in Kenntnis gesetzt. Sodann können sie sich intensiv mit der Anfrage beschäftigen und dann entscheiden, ob sie ihre Daten – etwa Berichte über Diabetes-relevante Vorerkrankungen und die mittels Gesundheits-App getrackte Gewichtsentwicklung – zur Verfügung stellen möchten, so dass diese in der klinischen Studie ausgewertet werden können.

Blockchain soll Pseudonymisierung gewährleisten

Für das Forschungsunternehmen ist dabei nicht ersichtlich, wer der oder die PatientIn ist, und auch bei Grapevine, über dessen Blockchain-basierte Kanäle die Datenübermittlung erfolgt, wird eine Pseudonymisierung vorgenommen. Der User weiß zu jedem Zeitpunkt, wer auf welche seiner Daten Zugriff hat bzw. hatte. Der Empfänger wiederum hat die Gewissheit, dass es sich um valide Gesundheits- und Personendaten handelt, ohne jedoch die Identität der Studienteilnehmer erfahren zu können. Auch eine Zwischenspeicherung soll es bei Grapevine nicht geben: Die Daten liegen bei den behandelnden Ärzten, auf den Krankenhausservern oder beim Hersteller des bevorzugten Fitness-Trackers. Die Grapevine-Schnittstelle ermöglicht deren unkomplizierte Übermittlung.

Dabei komme die so genannte “Integrating The Healthcare-Enterprise-Methodologie” (IHE) zum Einsatz – ein Normenwerk, “das gleichsam für Akteure, Transaktionen und Inhalte gilt und weltweit in diversen staatlichen Projekten Anwendung findet”. Grapevine World will Interoperabilität garantieren, indem es ausschließlich IHE-konforme Anbieter, Anwendungen und Architekturen in sein System aufnehme. Zugang erhalten die User über eine App, die sich gerade im Prototyp-Stadium befinde. Darüber würde dann die Anknüpfung aller relevanten Datenquellen laufen.

Pilotphase bis zum Jahresbeginn 2019

Doch wie sieht es nun mit der Entlohnung der User aus? Grapevine World legt die Basis dafür mit einem ICO, über den ein eigener Token als künftiges Tauschmittel erworben werden kann. Wer nach dem tatsächlichen Start des Systems – die Pilotphase dauert noch bis zumindest Anfang 2019 – seine Gesundheitsdaten zur Verfügung stellt, wird mit einem bestimmten Honorar entlohnt, das in Token des entsprechenden Werts ausgezahlt wird. Wenn ein Forschungsinstitut z.B. 60 Euro pro Datensatz verspricht, werden diese nach Freigabe der eigenen Daten auf das Grapevine-Konto gutgeschrieben. Sollten die User zu diesem Preis noch mit ihren Daten geizen und sich zu wenige Studienteilnehmer melden, kann das Institut die Anfrage erneut ins System stellen und z.B. auf 75 oder 100 Euro erhöhen.

Die vom User eingesammelten Token können schließlich in Kryptowährungen wie z.B. Bitcoin gewechselt werden, um sie in der Folge auch in echtes Geld zu wandeln. Oder man lässt sie im System und kauft dort Gesundheitsdienstleistungen zu. Berger erklärt, dass es z.B. sinnvoll sein könnte, zu gewissen Diagnosen eine zweite Meinung aus dem internationalen Grapevine-Netzwerk einzuholen. Dafür stelle man die erhaltene Fachmeinung zur Verfügung und kaufe sich eine Expertenmeinung um Token im Wert des entsprechenden Honorars zu. Da der Token idealer Weise bei wachsender Userzahl eine höhere Nachfrage und damit eine Preissteigerung erfahren soll, könnten diese Leistungen mittelfristig günstiger werden.

Ein Pilotprojekt dazu läuft bereits mit dem medizinischen Service-Center Austrian Health: “Registrierte Teilnehmer können über das Portal eine medizinische Anfrage stellen und ihre Befunddaten digital verfügbar machen. Das Expertennetzwerk von Austrian Health findet den richtigen Spezialisten und betraut ihn mit dem Anliegen”, wie Grapevine World in einer Aussendung erläutert. Der Experte bekomme nach Freigabe durch den Patienten die Möglichkeit, die nötigen Gesundheitsdaten einzusehen und, unabhängig von seinem geografischen Standort, eine Fachmeinung an ihn zu adressieren. Ein weiteres Pilotprojekt zum Austausch klinischer Daten läuft derzeit in Kooperation mit der University of Southampton an.

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Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

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Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

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Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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