21.12.2018

Fjord Trends 2019: Ausblick in Zeiten von Datenskandalen und Klimawandel

Mit seinen Fjord Trends 2019 geht Accenture Interactive über die üblichen Trend-Vorhersagen in der Business- und Tech-Welt hinaus. Das Beratungsunternehmen identifizierte sieben Themen, die in Zeiten immer kritischerer KonsumentInnen für Unternehmen wichtig werden.
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Fjord Trends 2019 - Ausblick in Zeiten von Datenskandalen und Klimawandel
(c) fotolia.com - photoschmidt

Prognosen über Durchbrüche bei Technologien wie Artificial Intelligence und Co. sind die eine – übliche – Möglichkeit, Trends für das kommende Jahr vorherzusagen. Accenture Interactive geht mit seinen Fjord Trends 2019 einen anderen Weg. Die Grundfrage: Wie können Unternehmen mit immer skeptischeren KonsumentInnen in Zeiten von Datenskandalen und Klimawandel umgehen? “Verbraucher, Politik und Interessensgruppen gehen kritischer denn je mit Produkten und Dienstleistungen ins Gericht”, heißt es dort etwa. Menschen würden vor allem Dinge hinterfragen, die im Zuge der rasanten Digitalisierung entstanden sind. Besonders in der Kritik stünden Ressourcenfresser – Angebote, deren Herstellung und Nutzung ein hohes Maß an Zeit, Aufmerksamkeit, persönlichen Daten und Naturgütern verlangen.

+++ Tech-Trends 2019: Vorhersehbare Revolutionen und alte Bekannte +++

“Uns steht ein Frühjahrsputz bevor”

“Seit Jahren umgeben wir uns mit immer neuen Diensten und Geräten”, sagt Sargon Korkis, Accenture Interactive Lead Österreich. “Nun verblasst der Glanz des Neuen und manche negativen Folgen der Digitalisierung werden sichtbar. Menschen und Unternehmen haben unterschiedliche Vorstellungen von echtem Nutzen und Mehrwert entwickelt. Uns steht ein Frühjahrsputz bevor, bei dem Verbraucher entscheiden werden, was ihnen selbst, der Gesellschaft und der Umwelt tatsächlich etwas bringt. Darin liegt die große Innovationsherausforderung für Unternehmen, Designer und Entwickler”.

Sieben “Fjord Trends 2019”

Accenture Interactive identifiziert dazu sieben “Fjord Trends 2019”, die sich Unternehmen im Umgang mit KundInnen zu Herzen nehmen sollten. Im Hintergrund stehen dabei freilich die großen technischen Entwicklungen. “Einschneidende Neuerungen wie KI gehören bald zum Alltag, sagt Korkis. “Um damit echten Nutzen für Menschen erzielen zu können, müssen Unternehmen zum Beispiel Ökosysteme bilden und vom klassischen Schubladen-Denken wegkommen, das Menschen starr in Käufer, Pendler, Bürger und Patienten einteilt”.


1. “Schweigen ist Gold”

Es ist ein Befund, den wohl die meisten unterschreiben können: “Menschen stemmen sich zunehmend gegen die Flut digitaler Nachrichten”, schreibt Accenture. Politik und Arbeitgeber würden jedoch die steigenden Gesundheitsrisiken sozialer Medien und ständiger Erreichbarkeit inzwischen erkennen. Einige Technologieunternehmen würden bereits Achtsamkeits-Apps für die eigenen Produkte anbieten.

Was tun?

Unternehmen müssten die wachsende Gruppe von Verbrauchern respektieren, die Barrieren zwischen sich und der digitalen Welt errichten, rät Accenture. Sie sollten weniger und dafür relevantere Botschaften senden, und Produkte und Dienste gestalten, die besser mit der Aufmerksamkeit ihrer Nutzer haushalten.

⇒ Die Nebenwirkungen der Digitalisierung aufs Gehirn und Achtsamkeit als Gegengift

2. “Nachhaltigkeit?”

Diese sei schlicht “nicht verhandelbar”. Ernte-Einbußen und Niedrigwasser hätten auch den Menschen in Deutschland und Österreich die Folgen des Klimawandels drastisch vor Augen geführt. Mikroplastik sei zum globalen Problem geworden und in vielen Ländern gehe die Politik gegen die Wegwerf-Kultur vor. “Der Einzelne sieht sich stärker denn je in der Pflicht, gegenzusteuern”.

Was tun?

Unternehmen müssten ihr Geschäft auf Kreislaufwirtschaft ausrichten und Nachhaltigkeit in ihre Produkte und Dienstleistungen integrieren, rät das Consulting-Unternehmen. Der Verbraucher wandere vom Ende der Lieferkette in deren Mitte. “Dafür müssen Firmen das Auffüllen oder Zurückgeben von Produkten zu einem ähnlichen Erlebnis machen wie den Kauf”.

⇒ Fokus: Energie & Umwelt

3. “Daten-Minimalismus”

Die Debatte um den Nutzen und Missbrauch von Daten habe zur Folge, dass Menschen den Wert ihrer personenbezogenen Daten höher einschätzen als Unternehmen. Sie hätten immer stärkere Vorbehalte, ihre Daten mit Unternehmen zu teilen.

Was tun?

Unternehmen sollten deshalb Angebote schaffen, die mit einem Mindestmaß an Daten auskommen, so der Ratschlag. Außerdem müssten sie Verbraucher auf möglichst einfachem Wege darüber aufklären, welche Daten sie sammeln, was sie damit tun und was für den Einzelnen dabei herauskommt.

⇒ Datenschutzaktivist Maximilian Schrems im Interview – “Wem gehören diese Daten?”

4. “Vom PKW zu ‘A nach B'”

Unzureichende Regulierung und fehlende Planung hätten zu wild wuchernden Verkehrs- und Transportangeboten in Städten geführt. “Es tummeln sich öffentliche und private Anbieter, das Verkehrsaufkommen steigt, dem Einzelnen fehlt der Überblick”.

Was tun?

Verkehrsanbieter sollten weniger in Transportmitteln denken als vielmehr daran, auf welchem Weg Personen und Dinge am besten von A nach B gelangen, rät Accenture Interactive. “Branchenfremde Firmen werden eigene Mobilitätsangebote für die Kunden ihres Kerngeschäfts schaffen. Beides erfordert ein Ökosystem, das sämtliche Angebote verbindet und an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist”.

⇒ Fokus: Mobility & Connectivity

5. “Die Personalisierungsfalle”

Heute würden sich mehr Menschen denn je öffentlich Gehör verschaffen, heißt es in den Fjord Trends 2019. Viele dieser Stimmen würden Unternehmen bereits in ihren Angeboten berücksichtigen. Doch mit der immer individuelleren Ansprache würden auch die Erwartungen der Verbraucher an personalisierte Angebote steigen. Daher liefen Unternehmen immer öfter Gefahr, Bedürfnisse nicht genau zu treffen und damit bestimmte Gruppen unabsichtlich auszugrenzen.

Was tun?

“Dieses Dilemma werden Unternehmen mittelfristig mit Künstlicher Intelligenz (KI) lösen”, prognostiziert das Beratungsunternehmen. “Um bis dahin keine Verbraucher zu verlieren, sollten sie Methoden der Verhaltensforschung und sogenannte Mindsets einsetzen, und sich nicht allein auf demografische Daten verlassen”.

⇒ Der Weg zum Kunden: Wie man das Ding unter die Leute bringt

6. “Die Weiten des Raumes”

Die Digitalisierung verändere Räume. Ladengeschäfte würden eine zweite, digitale Schicht bekommen, die den Kunden das Aussuchen, Ausprobieren und Kaufen ähnlich einfach mache wie im Online-Handel, prognostiziert Accenture. “Unternehmen werden Arbeitsräume an die agile, flexiblere Arbeitsweise der Digitalisierung anpassen, die viele Menschen heute erwarten”.

⇒ “ROBO”: Online-Suche für Offline-Shopping

7. “Synthetische Wirklichkeiten”

Deepfakes und täuschend echte Stimmsimulatoren würden unser Verständnis von Wahrheit und Authentizität in Frage stellen. “Dass etwas authentisch ist, wird für Verbraucher 2019 wichtiger sein denn je. Unternehmen müssen sich für den Fall wappnen, Opfer eines Fakes zu werden”, heißt es vom Consulting-Unternehmen. Gleichzeitig sollten sie ausloten, wo sie synthetische Wirklichkeiten mit Gewinn einsetzen können, zum Beispiel in der Unterhaltung und für die Simulation medizinischer Probleme.

⇒ Google experimentierte auf YouTube mit Werbung für Fake-Pizza-Marke


⇒ Die Trends auf trends.fjordnet.com

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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