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Die GmbH ist hierzulande die beliebteste Rechtsform bei Startups, aufgrund der beschränkten Haftung der Founder in ihrer Eigenschaft als Gründungsgesellschafter. In dieser Gruppierung bilden die Founder, als sämtliche Gesellschafter nach der Gründung, anfangs die GmbH-Generalversammlung. Das GmbH-Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Gesellschafter durch Beschlussfassung in der Generalversammlung über (i) außergewöhnliche Geschäfte (mit anderen Worten, sofern ein Rechtsgeschäft – wie zB. im Fall der Aufnahme einer hohen Kreditsumme – einen wesentlichen Einfluss auf die Gesellschaft hat und nicht zum Tagesgeschäft gehört), (ii) Weisungen an die Geschäftsführung, und (iii) die Umsetzung von Kapitalmaßnahmen entscheiden. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung und der damit verbundenen Befugnis zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung wird die Generalversammlung somit zurecht als “stärkstes Organ” der GmbH bezeichnet. Doch welche Rolle spielt der Vorsitzende der GmbH-Generalversammlung?
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Wie wird der Vorsitzende der GmbH-Generalversammlung bestimmt?
Das GmbH-Gesetz beinhaltet keine Regelungen zum Erfordernis eines Vorsitzenden in einer Generalversammlung. Ein Vorsitzender ist daher nicht zwingend erforderlich und es bestehen auch keine gesetzlichen Regelungen über die Wahl und, im Falle der Bestellung, über die Rechte eines Vorsitzenden. Konkrete Regelungen dazu können im Gesellschaftsvertrag der GmbH oder in einem Syndikatsvertrag zwischen den Gesellschaftern (z.B. Foundern und Investoren) getroffen werden.
Der Gestaltungsspielraum bei den Regelungen zur Wahl des Vorsitzenden umfasst unter anderem die Möglichkeit einen Gesellschafter, Geschäftsführer, oder Dritten (z.B. Rechtsanwalt) vorzusehen und dabei die Wahl des Vorsitzenden aus dem vorgenannten Personenkreis zB einem speziellen Gesellschafter zu übertagen oder zwischen den Gesellschaftern “rotieren” zu lassen.
Welche Aufgaben hat der Vorsitzende der GmbH-Generalversammlung?
Der Vorsitzende einer Generalversammlung leitet diese Versammlung durch Feststellung der Beschlussfähigkeit, Wahl der Abstimmungsform, Wahrnehmung sitzungspolizeilicher Befugnisse (z.B. die Festlegung der Redezeit, Erteilung sowie Entziehung des Wortes, Zulassung des Stimmrechts bzw. Ausspruch eines Stimmverbots bei Interessenskonflikten eines Gesellschafters), und Feststellung der Abstimmungsergebnisse nach durchgeführter Abstimmung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten.
Die Befugnisse des Vorsitzenden einer GmbH-Generalversammlung können somit weitreichende Folgen für das Zustandekommen eines Beschlusses und somit auch für das Startup haben. Beispielsweise ist zur Umsetzung einer Kapitalerhöhung aufgrund eines akuten Liquiditätsbedarfs sowie im Fall eines Pivots aufgrund eines geänderten Marktumfelds (als Änderung der Geschäftspolitik und des Unternehmensgegenstandes) in einer Generalversammlung ein Beschluss zu fassen. Wird das Abstimmungsergebnis durch den Vorsitzenden nicht festgestellt oder einem Gesellschafter aufgrund vermeintlicher Interessenskonflikte (z.B. wegen der Verfolgung von Eigeninteressen) ein Stimmverbot auferlegt, kann dies für die Umsetzung einer dringlichen Maßnahme entscheidend sein.
Erkenntnisse aus der höchstgerichtlichen Entscheidung
Im Anlassfall der ersten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde die Einflussnahme auf den Vorsitzenden im “stärksten Organ” der GmbH – der Generalversammlung – relativiert. Wie bereits thematisiert, kann einzelnen Gesellschaftern (somit Foundern und Investoren) ein Recht zur Wahl des Vorsitzenden eingeräumt werden. Ernennt ein Gesellschafter einen Vorsitzenden, so hat diese Person das Amt des Vorsitzenden gänzlich unparteilich auszuüben. Dasselbe gilt – und darin liegt die wesentliche Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs – auch für einen von seinem Mandanten ernannten Rechtsanwalt. Ernennt daher ein Gesellschafter dessen Rechtsanwalt, so hat dieser den Vorsitz gänzlich unparteilich auszuüben und ist entgegen seiner gesetzlichen Pflicht zur Wahrung der Interessen seines Mandanten in diesem Ausnahmefall nicht an Weisungen seines Mandanten gebunden.
To cut it short
Der Vorsitzende der GmbH-Generalversammlung kann maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Startups nehmen, wobei die Ausübung der Befugnisse ausschließlich unparteilich zu erfolgen hat. Diese Unparteilichkeit kann auch nicht durch ein Auftragsverhältnis mit einem Rechtsanwalt umgangen werden. Somit sind vertragliche Ernennungsrechte einzelner Gesellschafter (Founder sowie Investoren) weiterhin von Bedeutung, wobei Unparteilichkeit und Sachlichkeit bei der Funktionsausübung des Vorsitzenden dessen Eigeninteressen voranzustellen sind.
Zum Autor
Dr. Philip Rosenauer, LL.M., ist Rechtsanwalt und Experte für Gesellschaftsrecht, M&A, Kapitalmarkt und Startups sowie Investoren bei PHH Rechtsanwälte.
Über PHH Rechtsanwälte
PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien ist eine der Top-Anwaltskanzleien für Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsstrafrecht in Österreich. Seit ihrer Gründung 2001 ist die Kanzlei stetig gewachsen und wurde international mehrfach ausgezeichnet. Die elf PHH-Partner und knapp 40 Juristen arbeiten in Experten-Clustern, die von M&A über Prozessführung zu Wirtschaftsstrafrecht reichen. PHH steht für persönliche und kompetente Beratung, Loyalität ihren Kunden gegenüber und kreative Lösungsansätze.