10.10.2018

Der Migrant als Gründer, Teil 4: “Kein Migrant – einfach Mensch”

Diskriminierung und Rassismus. Zwei Begriffe, die das Leben von so manchen Gründern in der Startup-Szene geprägt haben. Der Brutkasten hat mit erfolgreichen Foundern, die ihre Wurzeln nicht im Lande haben, über das Thema Migration gesprochen und sie nach ihren Erfahrungen befragt. Darunter Ali Mahlodji von Whatchado, Ex-DiTech-Co-Founderin Aleksandra Izdebska, Alexander Karakas von Iconz, Levent Akgün von Hadi und Andra Slaats, Younited Cultures-Gründerin und Mitglied des Vienna Impact Hub.
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Migrant, Hadi, Whatchado, Tian, IconZ, Louai, Ali Mahlodji, Andra Slaats, Aleksandra Izdebska, Levi Akgün, Alexander Karakas
(c) Hadi, Whatchado, Tian, IconZ, Louai - Fünf Gründer mit ausländischen Wurzeln berichten über ihre persönlichen Erfahrungen mit Rassismus in ihrem Leben.

Migrant als Gründer Teil vier: Andra Slaats hat sich zum Thema Rassismus und öffentliche Darstellung von Migranten über mehrere Monate sogar mit einer Tageszeitung angelegt, wie sie erzählt. Den damaligen und aktuellen Chefredakteur des täglich erscheinenden Mediums habe sie sogar “verfolgt”, wie sie lachend zugibt. Bei einer Konferenz, wo die Creme de la Creme der heimischen Medienlandschaft zu Gast war, habe sie die Frage gestellt, warum Migranten in dessen Blatt ständig so schlecht dargestellt würden. “Seine Antwort darauf, dass er als Kärtner ja eigentlich auch ein Migrant sei, hat den ganzen Saal zum Lachen gebracht”, sagt sie.

+++ Mobility meets Fashion +++

“Alt, und bald mögliche Kinder”

Diese Reaktion und jene des Podium-Moderators, der sie gestoppt hat, würden alles darüber sagen, welches Bild von Migranten in den Medien kritiklos transportiert würde, so Slaats. Eineinhalb Jahre nach diesem Vorfall, meint sie, dass sich zwar die Situation etwas gebessert habe und das ständige Aufzeigen der Negativ-Berichterstattung sich endlich in die Köpfe der Verantwortlichen eingenistet habe, doch die Arbeite ende nie. Wie sie aus Erfahrung weiß.

Die 36-jährige erzählt von ihrer schweren Zeit, in der sie von Kollegen aufgrund ihrer Herkunft gemobbt wurde. 2004 war das Jahr, in dem sie die Liebe ins Land brachte. Dabei wollte Slaats gar nicht nach Österreich ziehen respektive die Sprache lernen – Deutsch schien ihr viel zu schwer und vom Aufbau unlogisch – doch durch ihren, mittlerweile, Ex-Freund und dessen Clique ist sie hierorts “hineingerutscht”.

Ähnlich hat es sich beim Punkt Unternehmertum verhalten. “Nach meiner Bildungskarenz vor vier Jahren habe ich mich neu orientiert. Von der Kosmetik- und Luxusbranche weg. Ich wollte etwas Neues machen und bin zum Vienna Impact Hub gekommen”, sagt sie. Die Jobsuche verlief davor sehr schlecht. “Ich habe mich dann ein wenig mit dem Arbeitsmarkt auseinandergesetzt. Das Problem war, ich bin eine Frau und damals 32 Jahre alt gewesen. Zudem noch verheiratet. Das ist bei vielen Unternehmen ein Kriterium. Alt, und bald mögliche Kinder“, erklärt sie.

Migrant, Andra Slats
(c) Louai – Younited Cultures-Gründerin Andra Slaats möchte positive Bilder von Migranten verbreiten.

Migrant: Doppelte Diskriminierung

Damals dachte Slaats es läge an ihrer Herkunft, warum sie so viele Absagen bekam. Später, während der Fertigstellung der Masterarbeit, relativierte sie diese Meinung und schlussfolgerte, dass es eher die doppelte Diskriminierung war, die sie daran hinderte eine Position zu finden. Im Impact Hub traf Slaats auf eine völlig neue Welt, in der, wie sie sagt, junge Leute ihre eigenen Ideen umsetzen. “Auch mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Wie kann man gesellschaftliche Probleme auf unternehmerische Art lösen”, erinnert sie sich, war das Anliegen, das sie von da an verfolgen wollte. Und es begann etwas Neuartiges.

In ihrem alten Job in der Luxusbranche hat sie viel Diskriminierung erlebt. “Außerhalb meines Jobs, gab es das nicht. Ich war rundherum mit ausgebildeten Menschen zusammen, doch bei der Arbeit war das Problem, dass ich bei der Chefin sehr beliebt war und ihre rechte Hand wurde”, sagt sie. Jegliche Annäherung ihrerseits änderte die rassistische Grundhaltung der Kollegen nicht. Sie erzählte von sich, öffnete sich, doch alle Versuche blieben wirkungslos. Bis zum Ende. So ging Slaats und änderte ihr Leben.

Schönheit mit Migration verbinden

In der Startup-Szene wurde die Idee zu Younited Cultures geboren. Die ganze Umgebung mit Co-Working-Spaces und Innovations-Philosophie veränderte für Slaats alles. “Dort fühlst du dich nicht als Migrant. Du fühlst dich als Mensch. Einfach normal”, sagt sie. Mit ihrem Unternehmen möchte sie anderen Migranten die Chance geben deren persönliche Geschichten zu erzählen. Das “Sein als Migrant” sollte nicht mehr ausschließlich mit Negativem assoziiert werden.

Younited Cultures produziert heutzutage Schals, die mittels schönen Designs persönliche Erfolgsgeschichten erzählen und so farbenfrohe Zeichen setzen. “Aus dem Luxussektor kommend, wollte ich Schönheit mit Migration verbinden. Mit Hilfe des Vienna Impact Hub konnte ich es schaffen, die Errungenschaften der Menschen auf die Schals zu bringen”, erzählt sie. Slaats weiß, dass viele das Wort Startup aus marketingtechnischen Gründen benützen. Dennoch findet sie, dass die heimische Szene dynamisch und innovativ ist. “Innovation wird stark mit Diversity verbunden und Migranten sind auch ein Teil davon”, sagt sie.

Netzwerke und Celebration

Bei allem Lob wünscht sich die Younited Cultures-Gründerin mehr Fokus auf Social Startups, wie sie sagt. Ihre Gründererfahrungen sind positiv. “Bei manchen Stellen sprechen die Mitarbeiter jedoch ungern Englisch. Manche Migranten haben deshalb Angst davor, dort nachzufragen. Aber eigentlich wird es einem nicht schwerer gemacht. Wenn es sich jedoch um einen rein englischsprachigen Menschen handelt, dann fühlt der sich ein wenig verloren. Da weise ich auf Netzwerke hin und verbinde sie mit den entsprechenden Personen”, sagt sie.

Als Tipps für Migranten-Gründer hat sie den Rat parat sich bei vielen Netzwerkevents sichtbar zu machen. Slaats möchte weiterhin das positive Bild des Migranten vorantreiben. Geplant sind T-Shirts mit Slogans wie “Celebrate Migrant” und eine Ausstellung. Ihr Startup Younited Cultures existiert seit Juli 2014. Die Webseite wurde 2017 neu gelauncht. Zum Zeitpunkt des Gesprächs wurden über 300 Schals und 2,500 Paar Socken verkauft. Der Umsatz betrug ohne Werbemaßnahmen 30.000 Euro.

Wo Kreativität lauert

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich für Personen, deren Wurzeln im Ausland liegen, der Weg in die Startup-Szene derart gelohnt hat, sodass jene das ständig begleitende Gefühl des Andersseins dort ablegen konnten. Es ist die Charakteristik der Szene, die global denkt und global handelt, und die Rassismus vorab verhindert, möchte man erfolgreich sein. Der Riss bei diesem Thema, der zwischen “Old und New Economy” hier angedeutet wird, scheint für Menschen mit Migrationshintergrund zu Hürden zu führen, die es zuallererst (bei sich selbst) zu überwinden gilt. Jene Schranken scheinen aber, grob gesehen, für viele Gründer, die in ihrem Leben mit Diskriminierung zu tun hatten, oftmals der entscheidende Push gewesen zu sein, um etwas Eigenes zu starten. Wo der Arbeitsmarkt scheitert, Migranten Möglichkeiten zu geben, da scheint die Startup-Welt – in ihrem kleinen und bescheidenen (Filterblasen-)Rahmen – dort einzuschreiten, wo Kreativität lauert. Und auszubrechen wünscht.


⇒ Hier geht’s zu Teil eins: Warum sich Levent Akgün mit dem Samrtphone am Klo versteckte

⇒ Hier geht’s zu Teil zwei: Der Whatchado-Gründer als brauner Ali

⇒ Hier geht’s zu Teil drei: Warum man laut Aleksandra Izdebska keine Raumschiffe bauen sollte


⇒ Hadi

⇒ Whatchado

⇒ Tian

⇒ IconZ

⇒ Younited Cultures

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Ein „Kochrezept“ nennt Werner Wutscher vom Startup-Rat den neuen Leitfaden für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Gemeinsam mit Bundesminister Martin Polaschek und Spinoff-Gründerin Christine Ruckenbauer stellte er die zehn Empfehlungen vor; die Institutionen sollten selbst entscheiden können, welche Ingredienzien davon für sie relevant seien. Das Ziel ist Teil der FTI-Strategie des Bundesministeriums: Doppelt so viele Spinoff-Gründungen bis 2030. Um das zu erreichen, sollten Unis gründungsfreundlicher werden – der Leitfaden sei hierfür „eine Empfehlung, wie das möglichst gscheit wäre“, so Wutscher.

Ausgründungs-Schablonen

Mit den zehn ausformulierten Empfehlungen plädiert man vor allem für eine Forcierung von Entrepreneurship und klare Gründungprozesse an den Institutionen. Spinnoffs zu fördern, sollte in der Gesamtstrategie der Institutionen verankert sein, dafür sollten auch eigene Anlaufstellen eingerichtet werden. Um die Ausgründung zu beschleunigen, sollte außerdem ein schablonenartiger Ausgründungsprozess definiert werden, vollständig mit Musterverträgen und einem Zeitrahmen. Der Leitfaden enthält konkrete Vorschläge für Rechtsformen sowie für die Beteiligung von den Institutionen an den Spinoffs; Hier werden Lizenzgebühren von zwei bis fünf Prozent der Umsatzerlöse beziehungsweise Unternehmensanteile von fünf bis 20 Prozent vorgeschlagen.

Die Forschungsinstitutionen sollten ihre Spinoffs außerdem bei der Investmentsuche unterstützen. Damit soll auf das europaweite Problem eingegangen werden, dass Scaleups vermehrt aufgrund von fehlender Folgefinanzierungen abwandern. Außerdem sollten die Institutionen selbst Daten erheben, um die Prozesse weiter optimieren zu können. Nicht zuletzt solle auch daran gearbeitet werden, mehr Gründungsfreude zu kommunizieren. Besonders anregen wolle man Bereiche der Geistes- Sozial- und Kulturwissenschaften, auf die man „lange nicht so geschaut hat“, wie Polaschek einräumte.

Mit Spinoff-Leitfaden gegen ernüchterne Lage

Für den Leitfaden haben Stakeholder des Spinoff-Ökosystems seit letztem Jahr gemeinsam mit 80 Vertreter:innen von Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitutionen Daten zur Gründungsfreundlichkeit erhoben und ausgewertet. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Während der Ausgründungsprozess im Ausland meistens unter einem halben Jahr dauert, brauche man in Österreich elf Monate.

Grund dafür seien intransparente Ausgründungssysteme und fehlende Unterstützung. Etwa 90 Spinoffs werden pro Jahr in Österreich gegründet, keine beeindruckende Zahl angesichts des akademischen Potenzials. Aus ökonomischen Kreisen vernimmt man immer wieder die Hypothese, man brauche für mehr Gründungsfreude mehr Spitzenuniversitäten – brutkasten berichtete. „Da will ich heftigst widersprechen“, so Wutscher. Die Forschungsleistung sei nicht das Problem, sondern der Transfer von Wissenschaft zu Wirtschaft.

Empfehlung statt Gesetz

Der Leitfaden wurde von keinem eigenen Fördertopf begleitet. Die Umsetzung der Empfehlungen sollte laut Bildungsminister Polaschek von den 16 Milliarden Euro finanziert werden, die den Hochschulen im Zuge der Leistungsvereinbarung für die nächsten drei Jahre zur Verfügung gestellt werden. „Da sind die Universitäten gefordert, darüber nachzudenken, wofür sie dieses Geld einsetzen“, so Polaschek.

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