08.05.2020

Covid-Startup-Hilfsfonds: Alle Details und Voraussetzungen

Die Austria Wirtschaftsservice (aws) hat heute Freitag die Kriterien für den Covid-Startup-Hilfsfonds bekanntgegeben, der Teil des am 16. April vorgestellten Startup-Hilfspakets ist. Um die Finanzierung und Liquidität von Startups sicherzustellen, kann ab sofort ein Zuschuss im Rahmen des Covid-Startup-Hilfsfonds beantragt werden. Eigenkapital-Investments werden bis zu einer Höhe von 800.000 Euro verdoppelt.
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Covid-Startup-Hilfsfonds
(c) AdobeStock

Die österreichische Bundesregierung hat am 16. April das Hilfspaket für Startups vorgestellt. Eine maßgebliche Säule des Pakets bildet der Covid-Startup-Hilfsfonds – der brutkasten berichtete.

Die genauen Details der Ausgestaltung ließen die letzten Wochen allerdings auf sich warten. Nun hat das Warten ein Ende. Am Freitagnachmittag veröffentlichte die Austria Wirtschaftsservice (aws) auf ihrer Website die Details zum Covid-Startup-Hilfsfonds. Ansuchen für den Covid-Startup-Hilfsfonds können ab sofort beantragt werden.

+++ 150 Millionen Euro für Rettung von Startups in der Coronakrise +++

Covid-Startup-Hilfsfonds: Die Eckpfeiler

Die wichtigsten Eckpfeiler im Überblick: Bekommt ein Startup frisches Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Einlagen von Investoren von mindestens 10.000 Euro, so werden diese Mittel durch Zuschüsse bis zu maximal 800.000 Euro verdoppelt.

Die Zuschüsse müssen nur dann zurückgezahlt werden, wenn sie in den darauffolgenden zehn Jahren durch einen Jahresüberschuss gedeckt sind.

Die Antragsstellung erfolgt online über den aws Fördermanager. Die Dauer der Genehmigung und Auszahlung soll laut aws ein bis zwei Tage nach Eingang des vollständigen Antrages betragen. Die Antragsstellung ist bis 15. Dezember 2020 möglich.

Das Zuschussvolumen der aws in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro bedeutet zusammen mit privatem Kapital von Investoren ein Gesamtvolumen von bis zu 100 Millionen Euro.

Wie bereits bekannt, wird es neben dem Covid-Startup-Hilfsfonds zudem noch einen Venture Capital Fonds geben (siehe Abbildung). Für diesen Fonds läuft allerdings noch die Ausschreibung für das Fondsmanagement – nähere Infos zum VC-Fonds findet ihr hier.

Covid-Startup-Hilfsfonds: Die Voraussetzungen

Die Förderungen sind branchenunabhängig, richten sich allerdings an klare Kriterien. Anspruch haben nur Unternehmen, die längstens vor fünf Jahren bis spätestens 15.3.2020 gegründet haben. Dafür wird das Firmenbuch oder die Gewerbeberechtigung herangezogen.

Zudem müssen sie unter die EU-Definition von Klein- und Kleinstunternehmen fallen. Das bedeutet, dass der jährliche Umsatz nicht mehr als zehn Millionen Euro betragen darf und sich die Anzahl der Mitarbeiter auf 49 Personen beschränkt. Ein weitere Voraussetzung ist eine für Startups typische „innovative Geschäftsidee, die über hohes Wachstumspotential verfügt.“

Weiter müssen die negativen Auswirkungen der aktuellen COVID-19-Pandemie wie Umsatzrückgänge, höheres Finanzierungserfordernis durch höhere Kundenforderungen aufgrund verspäteter Zahlungen, Ausfall von Zahlungen oder der Ausfall von Lieferanten vorliegen.

Inwiefern ein Unternehmen „innovativ“ oder von der „COVID-19-Pandemie betroffen ist“ und einen Eigenkapitalbedarf hat, muss durch einen Steuerberater oder einen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden.

Alle Details im Überblick:

Hier nochmals alle Details im Überblick, wie sie auf der Website der aws veröffentlicht sind (Stand 08. Mai 2020):

Wer wird gefördert?

Förderungsfähig sind laut aws innovative Startups sowie Klein- und Kleinstunternehmen, die die nachstehenden Voraussetzungen zur Gänze erfüllen:

  • Geschäftsleitung oder Betriebsstätte befindet sich in Österreich
  • Gründung liegt längstens 5 Jahren zurück (Firmenbuch, Gewerbeberechtigung)
  • Definition eines Kleinunternehmens der Europäischen Union; nicht börsennotiert
  • nicht die Tätigkeit eines anderen Unternehmens übernommen haben, noch keine Gewinne ausgeschüttet haben und nicht durch einen Zusammenschluss gegründet wurden
  • frisches Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Einlagen in Höhe von zumindest € 10.000,- wurde von unabhängigen privaten Investor*innen investiert (mind. 75 Prozent seit 15.03.2020; max. 25 Prozent zwischen 15.09.2019 bis 14.03.2020)
  • negative Auswirkungen der aktuellen COVID-19-Pandemie (z.B. Umsatzrückgänge; höheres Finanzierungserfordernis durch höhere Kundenforderungen aufgrund verspäteter Zahlungen; Ausfall von Zahlungen; Ausfall von Lieferanten)

ODER:

  • eines der nachfolgenden Innovationskriterien wird erfüllt:
    • eine Förderzusage für definierte Programme der aws innerhalb der letzten zwei Jahre vor Antragstellung liegt vor ODER
    • eine Förderzusage der FFG (Förderungen für unternehmensbezogene Forschungs- und Innovationsprojekte) innerhalb der letzten zwei Jahre liegt  vor.

Was und wer wird NICHT gefördert?

  • Kosten für ausfuhrbezogene Tätigkeiten, insbesondere solche, die unmittelbar mit den ausgeführten Mengen, dem Aufbau oder Betrieb eines Vertriebsnetzes oder anderen laufenden Ausgaben in Verbindung mit der Ausfuhrtätigkeit zusammenhängen;
  • Kosten, die vor Einlangen des Förderungsansuchens entstanden sind;
  • Nicht-betriebliche Kosten (z.B. Privatanteile).
  • Unternehmen, die nach dem 15.3.2020 gegründet wurden. Als Datum der Gründung wird die erstmalige Eintragung ins Firmenbuch (protokollierte Unternehmen) oder der Tag der Aufnahme der Geschäftstätigkeit (nicht protokollierte Unternehmen) herangezogen.
  • Verkammerte und nicht-verkammerte freie Berufe (Ausnahme: Mitglieder der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten).
  • Fischerei und Aquakultur, Urproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Kohleindustrie, Schiffbau, Stahlindustrie, Kunstfaserindustrie. Es gelten die jeweils von der Europäischen Kommission veröffentlichten Definitionen.
  • Bank- und sonstiges Finanzierungswesen (mit Ausnahme sog. „FinTech“-Unternehmen, soweit nicht konzessionspflichtig)*, Versicherungswesen und Realitätenwesen“
  • Gemeinnützige Vereine
  • Gebietskörperschaften und juristische Personen, an denen Gebietskörperschaften zu mehr als 50 Prozent beteiligt sind.

*Disclaimer: Die Ausnahme zu „FinTech“-Unternehmen wurde nachträglich auf der Website der aws adaptiert.

aws Webinar zum Covid-Startup-Hilfsfonds

In einem Webinar wird die Austria Wirtschaftsservice (aws) am Montag den 11. Mai zwischen 16:00 und 18:00 Uhr über den neu geschaffenen Covid-Startup-Hilfsfonds informieren. Nähere Details findet ihr hier.

Aufruf an die Community: Habt ihr noch Fragen?

Wie bei so vielen Maßnahmen gibt es auch beim Covid-Startup-Hilfsfonds eventuell noch Klärungsbedarf. Gerne könnt ihr eure Fragen in dieses Feld eintragen. Die Redaktion des brutkasten wird diesen nachgehen:

[yop_poll id=“21″]

Erstes Statement von Altrichter und Schramböck

Startup Beauftragter Michael Altrichter in einem ersten Statement zum Hilfsfonds: „Mit dem Covid-Startup-Hilfsfonds sollen, gemeinsam mit privatem Kapital, vor allem Startups in der Pre-Seed und Seed-Stage dringend benötigte Liquidität erhalten. Ich erhoffe mir dadurch auch wichtige Investitionsanreize Richtung privater Kapitalgeber, vor allem Business Angels“.

Wirtschaftsministerin Schramböck kommentiert das Paket wie folgt: „Start-ups sind anders finanziert als ältere Unternehmen. Daher braucht es auch ganz eigene Hilfs-Instrumente, wo Staat und Private gemeinsam an einem Strang ziehen. Denn nur in diesem Paarlauf kann es uns gelingen, das Start-up-Ökosystem vital und wettbewerbsfähig zu halten und genau dieses Ökosystem brauchen wir, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren wird.“


Alle brutkasten Artikel zum Thema Startup-Hilfspaket

Hier auch ein Überblick über alle brutkasten Artikel zum Thema Startup-Corona-Hilfspaket

Alle bisher bekannten Details zum aws COVID-19 Startup Hilfsfonds und VC-Fonds. Inklusive der 4,4 Millionen Euro für EcoTech-Startups.

Der brutkasten hat Meinungen von Österreichs Gründern und Investoren zum Startup-Paket in Rahmen der Coronakrise eingeholt.

Michael Altrichter wurde heute Donnerstag im Zuge einer Pressekonferenz zum Startup-Hilfspaket von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck als neuer Startup-Beauftragter präsentiert. 

Dass Michael Altrichter Startup-Beauftragter im Wirtschaftsministerium wird, schmeckt einigen in der Szene nicht. Das liegt primär an seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender von startup300. Öffentliche Kritik direkt aus dem Ökosystem bleibt aber aus oder ist sehr verhalten.


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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


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„Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten“

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Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: „Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.“ Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber „viel größer“ als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. „Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart“, sagt Gorzala.

IBM-Programm: „Die Angst war weg“

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: „Die Angst war weg.“ Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. „Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.“

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: „Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?“, führt er aus.

Venture Capital: „Müssen in Europa ganz massiv was tun“

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. „An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun“, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. „51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.“ Ahnerts Appell: „Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.“

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: „Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.“ Die wichtigere Frage sei also: „Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?“

Marco Porak ergänzt: „Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.“ Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. „Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.“


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?“

Folge 2: „Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?“

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

03.02.2025

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

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