03.10.2019

Wie Chinas Digitalwährung eine Alternative zu Facebooks Libra werden soll

China sieht etliche Gefahren rund um Facebooks Libra und möchte daher eine eigene Digitalwährung einführen. Brutkasten-Kolumnistin Ting Wasner-Lian erklärt die Hintergründe, Herausforderungen und Chancen der neuen Geld-Revolution.
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Libra China
Mobile Payment ist in China bereits weit verbreitet. (c) Adobe Stock / YiuCheung

Etliche Artikel wurden bereits zu Facebooks Libra-Projekt verfasst, die dessen Potenzial ergründen wollen. Zuallererst sollte aber klargestellt werden, was Libra nicht ist. Libra ist keine “verschlüsselte digitale Währung”. Eine echte verschlüsselte digitale Währung, wie etwa Bitcoin, hat drei wichtige Merkmale: Sie erfordert kein Vertrauen unter den einzelnen Akteuren, sie erfordert keine Genehmigung und sie kann nicht zensuriert werden. Bei Libra jedoch wird das Wechselkursrisiko von den Nutzern getragen, während der Gewinn nicht den Usern zugute kommt, sondern Facebook.

Die Reaktion der chinesischen Internet-Giganten BAT auf Libra

Nachdem Libra das Whitepaper am 18. Juni veröffentlicht hatte, kommentierte Ma Huateng, der CEO von Tencent: Es ist technisch nicht schwierig, aber es hängt davon ab, ob es erlaubt ist. Genau darum kämpft Libra im Moment.

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Rund 86 Prozent der chinesischen Bevölkerung nutzen laut einer aktuellen PwC-Studie Mobile Payment. WeChat Pay und Alipay haben zu dieser  bargeldlosen Gesellschaft beigetragen. In China haben Baidu, Tencent, Alibaba und JD auf der Grundlage ihres ursprünglichen Geschäfts Finanzeinheiten gegründet, sowie getrennte Tochtergesellschaften aufgeteilt und gegründet. Baidu gründete zum Beispiel Du Xiaoman Financial, Alibaba Ant Financial und Jingdong erschuf JD Digits.

Die Reaktion der chinesischen Regierung

Sun Tianqi, der Chefbuchhalter der chinesischen Staatsverwaltung für Devisen, gab eine sehr detaillierte Erklärung zum Thema Libra ab. Er wies darauf hin, dass Libra sechs Hauptauswirkungen auf das Devisenmanagement und die grenzüberschreitenden Kapitalströme hat:

  1. Libra kann den derzeitigen Rahmen der chinesischen Devisenpolitik herausfordern
  2. Illegale grenzüberschreitende Kapitalströme können zunehmen
  3. Libra kann die Dominanz des US-Dollars verstärken und es ist nicht ausgeschlossen, dass einige inländische Transaktionen in China “libraisiert” werden
  4. Der Spielraum für die RMB-Internationalisierung wird reduziert
  5. Der Anwendungsbereich der US-Jurisdiktion kann erweitert werden
  6. Libra kann eine realistische Rolle im grenzüberschreitenden Geschäft einnehmen

CBDCs: Die Central Bank Digital Currency

Chinas Antwort darauf sind CBDCs, also digitale Währungen der chinesischen Zentralbank, wie der stellvertretende chinesische Direktor der People’s Bank of China (PBOC), Mu Changchun, erklärt: “Die chinesische Version einer digitalen Währung heißt DC/EP, eine Kombination aus digitaler Währung und elektronischen Zahlungsinstrumenten. Seine funktionalen Eigenschaften sind genau die gleichen wie bei Banknoten, jedoch in digitaler Form. Wir definieren es als ein digitales Zahlungsmittel mit Werteigenschaften.”

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Die geplante digitale Währung wird ähnlich wie Facebooks Libra sein und kann auf Plattformen wie WeChat und Alipay verwendet werden. Ein Vorteil des Systems: Solange sich eine digitale DC/EP-Wallet auf einem Handy befindet, ist kein Netzwerk für eine Transaktion erforderlich – es reicht, wenn sich die beiden Handys berühren. Diese Funktion wird als “Double Offline Payment” bezeichnet.

Im dualen Liefersystem hat die vom ausstellenden Institut ausgegebene digitale Währung ein eigenes Logo. So gibt beispielsweise die ICBC das ICBC-Logo heraus, und die Bank of China das Logo der Bank of China. Zahlungsverrechnungsinstitute können den Transfer und die Abrechnung digitaler Währungen durch die Nachrüstung bestehender Netze unterstützen.

Die Hauptgründe für die CBDCs

Die Einführung der chinesischen Digitalwährungen hat mehrere Gründe. Erstens wird die chinesische Währungssouveränität und der Status der gesetzlichen Währung geschützt. China muss vorausplanen, um dies zu gewährleisten. Zweitens haben herkömmliche Banknoten einen geringen Anteil an Informationstechnologie, geringe Sicherheit und hohe Nutzungskosten – hier bieten digitale Währungen eine gute Alternative.

Drittens nutzen, wie eingangs erwähnt, schon jetzt 86 Prozent der Chinesen mobile Bezahlungen. Die Penetrationsrate ist also weit höher als in anderen Staaten. China plant, diesen Vorteil zu nutzen.

Die möglichen Auswirkungen und Herausforderungen der CBDCs

Ich schätze, viele Leute wollen den Unterschied zwischen der digitalen Währung der Zentralbank und der Zahlung von Alipay und WeChat kennen und fragen sich, ob sie einen Einfluss auf die Zahlung von Alipay und WeChat haben wird. Auch hier spielen mehrer Faktoren eine Rolle.

Erstens ist die Zentralbank besser in der Lage, Extremsituationen zu bewältigen als WeChat und Alipay. Zudem kann man mit dieser Lösung ohne Netzwerk bezahlen. Im Offline-Umfeld können sowohl Einnahmen als auch Ausgaben abgerechnet werden. Solange das Telefon Strom hat, kann die Zahlung realisiert werden, auch wenn das gesamte Netz unterbrochen ist.

Zweitens wird die digitale Währung der Zentralbank die Position von WeChat und Alipay nicht beeinflussen. Da Wechat und Alipay derzeit in RMB bezahlt werden, benötigen sie eine Geschäftsbank. Nach der Einführung der digitalen Währung der Zentralbank werden die Banknoten durch die digitale Währung ersetzt. Das Zahlungsmittel hat sich geändert, es gibt neue Funktionalitäten – aber die Kanäle per se ändern sich nicht.

Drittens: Wenn die digitale Währung der Zentralbank keine Zinsen zahlt, ersetzt sie nur Bargeld. Die Auswirkungen auf die Banken sind somit gering, die digitale Währung könnte aber den Marktanteil von Wechat und Alipay drücken.

Fazit: Chinas Libra-Konkurrenz als neue Geld-Revolution

Die derzeit am häufigsten diskutierten digitalen Währungen lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Bitcoin, stabile Währungen des Privatsektors (wie Facebook Libra, E-Geld von Alipay, Wechat-Zahlung usw.) und digitale Währung. Bitcoin ist wahrscheinlich keine Währung, sondern eine spekulative Anlage.

Da die digitale Währung die Vorteile einer schnellen Verbreitung und niedriger Kosten hat, wird sich mit der Kreditzusage der Zentralbank das nationale digitale Währungssystem definitiv auf den traditionellen Bankensektor auswirken. Insbesondere wird es große Auswirkungen auf das grenzüberschreitende Überweisungsgeschäft von Banken haben. Die digitale Währung gilt als eine weitere große Geld-Revolution, und es wird erwartet, dass sie im Zeitalter der digitalen Wirtschaft zur Hauptwährung und wichtigen Finanzinfrastruktur wird. Es ist daher unerlässlich, dass die Zentralbank die Ausgabe der digitalen Währung fördert.


Über die Kolumnistin: Ting Wasner-Lian, MBA

Ting gründete ihre erste Firma, ein Immobilienportal, in China direkt nach ihrem Studienabschluss. Anschließend arbeitete sie im Immobilien- und Architekturgeschäft in vielen Funktionen wie Strategie und Business Development. Im Jahr 2007 wechselte sie zu einer österreichischen Unternehmensberatung und war dort für den Aufbau des asiatischen Geschäftsbetriebs verantwortlich. Sie hat einen MBA-Abschluss in Entrepreneurship & Innovation von der WU Wien und lebt und arbeitet seit 12 Jahren in China, Japan und Österreich. Im Jahr 2018 gründete sie SE Incubator und wurde unabhängige Beraterin mit einem starken Fokus auf chinesische Innovationen und Markttrends. Außerdem ist sie Mitorganisatorin des Asian Innovation Meetup Vienna.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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