07.07.2021

Blockpit schließt 10 Mio. Dollar schwere Series-A-Runde ab

Das auf Steuersoftware für Krypto-Anleger spezialisierte Linzer Startup will das Geld in das weitere Wachstum und die internationale Expansion stecken. Genauere Einblicke gibt Blockpit-CEO Florian Wimmer gemeinsam mit den Investoren Pascal Bouvier von MiddleGame Ventures und Berthold Baurek-Karlic von Venionaire im brutkasten-Talk.
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Blockpit
Vladimir Tosovic (CMO), Magnus Berchtold (CTO), Florian Wimmer (CEO), Gerd Karlhuber (COO), Thomas Buchsteiner (CTO) | Foto: © Blockpit

Nach mehreren Monaten mit sehr starkem Wachstum hat das auf Steuersoftware für Krypto-Anleger spezialisierte Linzer Startup Blockpit eine 10 Mio. US-Dollar (umgerechnet rund 8,4 Mio. Euro) schwere Series-A-Finanzierungsrunde abgeschlossen. Bereits im Mai hatte Blockpit-CEO Florian Wimmer im brutkasten-Interview gesagt, im ersten Quartal 2021 doppelt so viele Kunden gewonnen zu haben wie in den gesamten vorigen drei Jahren seit Bestehen der Firma. Mit dem aufgenommenen Geld soll das Wachstum nun weiter beschleunigt werden – und die internationale Expansion der Steuer-Software Cryptotax vorangetrieben werden. Bis 2024 will man in sämtlichen europäischen Märkten aktiv sein, sagte Wimmer nun im brutkasten-Talk anlässlich der Finanzierungsrunde.

Angeführt wird die Series-A-Runde von MiddleGame Ventures. Ebenfalls beteiligt sind Fabric Ventures, Force over Mass Capital, Tioga Capital, Avaloq Ventures sowie der Bestandsinvestor Venionaire, der über den Syndikationsfonds EXF Alpha des Investorennetzwerks European Super Angels Club investierte. Alle Investoren sind im Blockchain- oder Fintech-Bereich positioniert. MiddleGame-Partner haben etwa in der Frühphase in Ripple investiert, dem Unternehmen hinter der Kryptowährung XRP. Fabric wiederum hält unter anderen Anteile an Polkadot sowie – über eine Beteiligung – an der größten US-Kryptobörse Coinbase.

Vor allem das Netzwerk der neuen Investoren ist für Blockpit wertvoll, wie CEO und Cofounder Florian Wimmer sagt: „Neben dem monetären Boost ergeben sich durch die Expertise sowie internationale Vernetzung der Investoren in verschiedensten Bereichen neue Marktzugänge sowie zahlreiche Möglichkeiten für zusätzliche Partnerschaften. Dies wird die weitere Entwicklung unserer Produkte sowie die Expansion in neue Länder massiv beschleunigen.“

Fünfmal so viel Umsatz im ersten Halbjahr 2021 wie im gesamten Jahr 2020

Genauere Einblicke in die Finanzierungsrunde und die künftigen Pläne gab Wimmer gemeinsam mit Pascal Bouvier, Managing Partner bei MiddleGame, und Berthold Baurek-Karlic von Venionaire bzw. dem European Super Angels Club im brutkasten-Studio beim Talk mit Herausgeber und CEO Dejan Jovicevic. Der vollständige Talk ist am Ende dieses Artikels verlinkt.

Pascal Bouvier erläuterte die Entscheidung von MiddleGame, bei Blockpit einzusteigen: „Zuerst einmal sehen wir uns die Marktchance an. Wenn es um Steuer- und Compliance-Dienstleistungen geht, steht diese außer Frage. Es heißt ja, dass zwei Dinge im Leben unausweichlich sind, Steuern und der Tod“. Er investiere nicht gerne in den Tod, definitiv aber im Steuerbereich, sagte Bouvier mit einem Augenzwinkern. Neben der Marktchanche waren es vor allem das „großartige Team“ und der Product-Market-Fit, der MiddleGame überzeugt hat.

Bouvier ist auch optimistisch, was die Zukunftsaussichten angeht: Im Bereich der Steuerservices kratze man selbst bei Privatanlegern erst an der Oberfläche. Institutionelle Anleger, Konzerne sowie Klein- und Mittelunternehmen werden sich aber in den nächsten Jahren zunehmend auf die eine oder andere Weise mit Token oder Krypto-Assets beschäftigen – wodurch sich weitere Wachstumsmöglichkeiten ergeben. Neben der Tax-Reporting-Software bietet Blockpit auch ein Risikoscoring-Tool für Anti-Geldwäsche-Maßnahmen an, das über eine Programmierschnittstelle (API) beim Kunden integriert werden kann. Das B2C-Geschäft ist derzeit allerdings noch deutlicher größer und macht rund 80 Prozent aus.

Geplante EU-Richtlinie könnte Blockpit in die Karten spielen

Wie Bouvier sieht auch Berthold Baurek-Karlic vom European Super Angels Club großes Wachstumpotenzial wegen der zunehmenden Adaption im Krypto-Bereich: „Da stehen wir erst am Anfang, da wird noch viel mehr kommen“. Die Nachfrage werde sowohl für die Steuer-Software von Blockpit als auch für die Compliance-Lösungen zunehmen. „Ich glaube, dass wir bei Blockpit für die Zukunft einige wirklich coole Produktreihen in der Schublade haben“. Einiges davon könnte nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Regierungen interessant sein. Baurek-Karlic bezieht sich damit auf die von der EU geplanten DAC8-Richtlinie. Diese sieht den automatischen Informationsaustausch von Krypto-Börsen mit Behörden vor: „Die Regierungen werden Daten von den Börsen erhalten, aber sie müssen diese dann auch sinnvoll interpretieren können“. Dies müsse außerdem sicher und datenschutzkonform geschehen.

Genau dies würden die Lösungen von Blockpit ermöglichen, sagt auch CEO Florian Wimmer. Das Unternehmen bereitet sich auf die Umsetzung der Richtlinie bereits vor: „Derzeit gibt es nur einen Entwurf, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Richtlinie im nächsten Jahr oder zumindest in den nächsten 18 Monaten umgesetzt werden wird“, erläutert Wimmer. Dies könnte zur Folge haben, dass jeder Trade eines Krypto-Anlegers 1:1 an die Behörden übermittelt werde. „Wenn Regierungen unsere Lösung verwenden, können sie damit ganz einfach abgleichen, was unsere User angegeben haben“, sagt der Blockpit-CEO. Auch für große Steuerberatungskanzleien könnte die Lösung interessant sein, ergänzt Baurek-Karlic: „Wenn man 200.000 Trades in einem Steuerjahr hat, ist es selbst für einen Steuerberater schwer zu verstehen, nahezu unmöglich“, sagt der Investor.

Bis 2024 Präsenz in allen europäischen Märkten geplant

Bisher ist das Jahr für Blockpit jedenfalls äußerst erfolgreich verlaufen: „Wir haben alleine in der ersten Jahreshälfte fünfmal so viel Umsatz gemacht wie im gesamten vergangenen Jahr und sind in den ersten Monaten des Jahres jeweils um rund 40 Prozent gewachsen“. Zuletzt habe sich zwar der Krypto-Markt abgekühlt, das Unternehmen wachse aber dennoch weiter stark.

Für die nächsten Jahre plant Blockpit nun die weitere Expansion in Europa: Bis 2024 wollte man in allen europäischen Ländern aktiv sein – und möglicherweise in einigen darüber hinaus, sagte Wimmer im Talk. In diesem Jahr ist Blockpit in Frankreich und Spanien gestartet, in der DACH-Region war man schon länger präsent. Auch in den USA ist das Unternehmen grundsätzlich aktiv, allerdings gibt es dort keine größeren Marketingaktivitäten, wie Wimmer bereits im brutkasten-Interview im Mai erklärt hatte. Mittelfristig – in den nächsten ein, zwei Jahren – könnte allerdings Asien interessant werden, hatte der Blockpit-CEO damals erwähnt.

Runde war zunächst deutlich kleiner geplant

Verstärktes Engagement am US-Markt ist weiterhin kein Thema, wie Wimmer nun bekräftige: „Wir bleiben vollkommen fokussiert auf den europäischen Markt. Es ist unser Heimatmarkt. Wir wissen, wie die Dinge hier laufen und es ist auch ein sehr großer Markt“, erläutert Wimmer. Blockpit wolle der Nummer-1-Player in Europa sein.

Die nun abgeschlossene Runde war zunächst übrigens kleiner geplant: „Zu Beginn hatten wir 2 Millionen angepeilt, damit hätten wir auch nachhaltig wachsen können“, erzählt Wimmer im brutkasten-Talk. Im Zuge der Gespräche mit den Investoren habe sich dann aber herausgestellt, dass eine größere Runde sinnvoll sei – auch wegen der DAC8-Richtlinie: „Da müssen wir uns vorbereiten und schauen, dass wir vor dem Inkrafttreten in so viele Märkte wie möglich kommen und so viele Partnerschaften wie möglich abschließen“.

Auch Bouvier habe beim Aufsetzen der Runde bereits viele Inputs geliefert – und das Unternehmen auch zu einem noch stärkeren Fokus auf Wachstum inspiriert: „Ich habe auf beiden Seiten des Teichs investiert, in den USA und in Europa. Und so kritisch ich dem auch gegenüberstehe, wenn US-Startups zu viel Geld aufnehmen, sehe ich in Europa öfter das Gegenteil: Dass Startups im richtigen Markt sind und das richtige Team haben, aber nicht gleich erkennen, dass sie mehr Geld aufnehmen sollten als sie veranschlagt haben“, erläutert der MiddleGame-Investor.

Blockpit am Weg zum Unicorn?

Wichtig sei es, in jeder Phase eines Unternehmens die richtige Balance zu finden, ergänzt Baurek-Karlic. Wenn es beispielsweise bei Blockpit gelinge, die geplanten Schlüsselpositionen zu besetzen und das Team auf 80 oder 100 Personen anwachse, sei „eine viel höhere Runde möglich, könnte eine viel höhere Bewertung gerechtfertigt sein“. Die Co-Investoren würden sich dann aber wieder alles genau ansehen und dann die richtige Balance finden. Diese könnte bei einer 50 oder 100 Mio. Dollar schweren Finanzierungsrunde liegen – oder aber auch bei einer 30-Mio.-Dollar-Runde.

Könnte Blockpit mittelfristig auch zum Unicorn werden? „Natürlich, der Markt ist definitiv da“, antwortet CEO Wimmer. Es werde wohl noch einige Monate oder Jahre dauern – aber wenn alles, was man erwarte, so eintrete, könne es passieren. Zunächst aber stehen andere Themen im Vordergrund: „Wir werden das Team wahrscheinlich bis Ende des Jahres verdoppeln müssen“, sagt Wimmer. Derzeit umfasst es 30 Personen. Man werde dabei einige Schlüsselpositionen besetzen – vor allem im Bereich Software-Entwicklung, aber auch im Bereich Business Development, führte der Blockpit-CEO weiter aus. Dort gehe es um Partnerschaften, um den B2B-Bereich, aber auch um den B2C-Bereich, wie Wimmer erläutert: „Wir müssen alle diese Faktoren des Unternehmens skalieren“.

Hier der komplette Talk zum Nachsehen:

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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.

„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

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Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

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Masse an Möglichkeiten

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Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

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Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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