30.06.2020

So bereiten sich heimische Startups (nicht) auf einen zweiten Lockdown vor

Die Coronavirus-Zahlen in Österreich stiegen zuletzt wieder etwas stärker an. Ein zweiter Lockdown irgendwann in den kommenden Monaten ist nicht auszuschließen. Wir haben bei heimischen Startups nachgefragt, ob und wie sie sich auf diese Möglichkeit vorbereiten.
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Coronavirus: Kommt ein zweiter Lockdown in Österreich?
Wir haben in der Tech- und Startup-Szene nachgefragt, ob es Pläne für den Fall eines zweiten Lockdowns gibt

Gesundheitsminister Rudolf Anschober meinte erst gestern wegen der Entwicklung der Coronavirus-Zahlen wieder “in Sorge” zu sein. Vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna heißt es heute, die “zweite Welle” sei international in vielen Ländern bereits da, stehe in mehreren Nachbarländern “vor der Tür” und könne auch Österreich bald erfassen. In der Bevölkerung herrscht indessen nicht nur wegen der jüngsten Entwicklung Unsicherheit, ob ein zweiter Lockdown kommen könnte. Und auch in der heimischen Tech- und Startup-Szene gibt es diesbezüglich Befürchtungen oder gar Erwartungen – und teilweise entsprechende Vorbereitungen, wie der brutkasten bei einer Blitzumfrage erfuhr.

Zweiter Lockdown: Mögliche Auswirkungen sehr unterschiedlich

Grundsätzlich gilt: Ob und wie hart ein Unternehmen von einem möglichen zweiten Lockdown getroffen werden würde, hängt von der Branche bzw. der Online- / Offline-Lastigkeit von Produkt oder Dienstleistung und auch von der Größe ab. Gleich mehrere befragte Gründerinnen und Gründer sehen nur geringe Auswirkungen auf die Vorgänge im eigenen Unternehmen. Für andere ist die Möglichkeit neuerlicher strenger Coronavirus-Maßnahmen eine ernsthafte Bedrohung.

Alpengummi, Bitpanda und Tractive relativ entspannt

“Wir hatten bis jetzt noch das Glück, so klein zu sein, dass wir alles selber machen und daher recht unabhängig von anderen sind. Daher ist unser Geschäft quasi normal weiter gelaufen während Corona. Wir bereiten uns also nicht sonderlich auf eine zweite Welle vor”, erzählt etwa Alpengummi-Gründerin Sandra Falkner. Bitpanda-Co-Founder Paul Klanschek meint: “Wir haben seit dem Covid-Lockdown viel flexiblere Regeln und sind somit vorbereitet. Wir rechnen jetzt aber nicht ‘fix’ mit einer zweiten Welle. Würde aber so eine kommen, dann würde uns das nicht groß belasten. Wir sind jetzt Home Office-erprobt”.

+++ Coronavirus: Alle News, Daten und Hintergründe +++

Auch Tractive-CGO Florian Gschwandtner steht erneut strengeren Coronavirus-Maßnahmen relativ gelassen gegenüber und sagt: “Wir müssen uns de facto nicht vorbereiten. Es ist alles auf Home Office eingestellt und es funktioniert so sehr gut. Ein zweiter Lockdown würde an der Art wie wir arbeiten also nichts ändern. Nur die Produktion in China könnte zum Thema werden, aber wir haben noch viel auf Lager und würden aus momentaner Sicht sehr gut über die Runden kommen. Ich hoffe natürlich trotzdem – auch für alle anderen, dass es keine zweite Welle gibt”.

Soundhorn-Gründerin: zweiter Lockdown als Chance

Chancen für ihr Unternehmen in einem möglichen zweiten Lockdown sieht Soundhorn-Gründerin Zita Martus: “Wir haben klar gemerkt, dass das ein großer Vorteil ist, dass wir unser Produkt rein digital umgesetzt haben. Derzeit bereiten wir neue Produkte vor, damit diese rechtzeitig ab Herbst verkauft werden können. Unsere Lockdown-Vorbereitung ist somit die weitere Optimierung des Webauftritts und die Arbeit an der Marketingstrategie”.

Gemischte Gefühle bei Yodel, Mikme und Celum

Yodel-Gründer Mike Heininger sieht zwar mit seinem ohnehin “100 Prozent Remote Team” nur einen relativ geringen Einfluss eines möglichen zweiten Lockdown auf Business-Prozesse. Doch er räumt ein: “Ehrlich gesagt sind wir noch dabei, erst einmal den ganzen Tumult von der ersten Welle zu verarbeiten. Manche Kunden-Projekte sind hier noch immer auf ‘on-hold’. Hier besteht die Gefahr, dass diese Projekte nicht, wie geplant, im Sommer los starten können”. Neue Mitarbeiter suche man jedenfalls trotz Krise weiterhin. Inzwischen habe man aber alle Recruiting-Prozesse auf online umgestellt, es gebe keine persönlichen Treffen mehr. “Auch stellen wir uns bis auf weiteres darauf ein, dass wir unsere Businesspartner in der USA nicht besuchen können”, so Heininger. Im Sales-Bereich versuche man vorzudenken, “trotzdem wird vor allem Flexibilität notwendig sein – das ist das mit Abstand wichtigste”.

Ähnlich geht es Mikme-Gründer Philipp Sonnleitner: “Wir sind eigentlich nach wie vor zu 50 Prozent im Home Office. Das heißt, eine Vorbereitung ist noch nicht wirklich notwendig da wir jederzeit sehr kurzfristig wieder auf 100 Prozent umstellen können”. Die mögliche Auswirkung auf das Geschäft sei derzeit hingegen schwer zu beurteilen. “Unser neues Produkt Mikme Pocket wird gerade das erste Mal produziert. Da hatten wir durch den Lockdown vier Monate Verzögerung. Die zweite Welle kommt dann vielleicht im Herbst. Wenn wir rechtzeitig davor produzieren können, haben wir gute Karten”, so der Gründer. Denn einige größere Deals mit Medienhäusern, die man während des ersten Lockdowns noch nicht machen konnte, da Mikme Pocket noch nicht verfügbar war, könne man dann nachholen. “Aber wer weiß schon wann und wo und wie sich die zweite Welle auswirkt. Zur Zeit ist die Planung schwierig. Wir haben lange Lieferketten und -Zeiten. Teile unter anderem aus Italien, Polen, Ungarn, China und Taiwan werden in Deutschland und Ungarn verbaut und kommen dann nach Österreich, von wo sie in 20 bis 40 Länder verschickt werden. Also alles easy”, schließt Sonnleitner selbstironisch.

Mit gemischten Gefühlen blickt auch Michael Kräftner Gründer des Tech-Scaleups Celum auf ein mögliches erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens: “Wir bereiten uns durchaus aktiv auf einen zweiten Lockdown vor, der, so sehe ich das leider, auch ziemlich sicher kommen wird. Es ist die Frage, wie viel Lockdown und wie lange diesmal,aber das Verhalten der Leute aktuell wird das unumgänglich machen”. Bei Celum sei man jedenfalls nach dem ersten Lockdown recht gut eingestellt, sei aber “ohnehin seit Jahren voll remote-fähig”. Kräftner befürchtet jedoch: “Ein Lockdown würde uns kaum Treffen, aber eine erhebliche Belastung für die Kollegen darstellen, weil wir gerade erst sehr behutsam aus dem Home Office zurück kommen und sich alle sehr freuen, wieder vorwiegend im Office sein zu können”.

Deutliche Auswirkungen auf Yoga Junkies, Robo Wunderkind und Neoh

Von direkten Auswirkungen auf ihr Geschäft berichtet Hannah Wisniewski, Gründerin von Yoga Junkies: “Für den Fall, dass ein zweiter Lockdown passiert, haben wir das Yoga Junkies Festival von September 2020 auf September 2021 verschoben. Selbst ohne Lockdown wäre es nicht das enge Miteinander, das wir uns für das Festival wünschen”. Zwar würde das tägliche Arbeitsleben durch einen erneuten Lockdown nicht beeinflusst werden, nachdem Onlineshop und Team nach wie vor von zu Hause arbeiten würden. “Allerdings haben wir momentan die großartige Möglichkeit auf der Mariahilferstraße einen Cowork gemeinsam mit einem Yogastudio und einem kleinen Yoga Junkies-Shop zu eröffnen. Dies ist eine fantastische Chance, allerdings sind wir aufgrund der Möglichkeit eines zweiten Lockdowns momentan noch zögerlich. Natürlich hoffen, wir das beste und sollte wirklich ein zweiter Lockdown passieren, hat die Gesundheit aller auf jeden Fall die höchste Priorität”, so Wisniewski.

In einer ähnlichen Lage ist Robo Wunderkind-Gründerin Anna Iarotska. Zwar könne man Remote Working im Team inzwischen sehr gut. Vorbereitungen auf einen etwaigen zweiten Lockdown gebe es aber “auf jeden Fall”. “Wir bereiten uns moralisch darauf vor, dass die Schulen im Herbst wieder schließen müssen. Das heißt, wir rechnen nicht mit Umsätzen an Schulen dieses Jahr und wir überlegen, wie wir unser Angebot für die private Nutzung zu Hause erweitern können”.

Neoh-Co-Founder Manuel Zeller erzählt, man habe im ersten Lockdown eine relativ schnelle und gute Lösung gefunden und würde es – unter der Annahme, dass die Regierung ähnliche oder gleiche Modelle anbiete – wieder ähnlich machen. “Es wäre hart, aber wir würden das schaffen. Leider geht das aber nur mit drastischen Kostensenkungen, um dann in der Zeit danach wieder voll schlagkräftig zu sein”, so Zeller, der einen sehr konkreten Fahrplan skizziert. “Wir würden wieder die Marketingkosten Richtung Online Performance Marketing adaptieren und generell Kosten, die man nicht direkt braucht, für die Zeit streichen. Wir müssten wieder Teile unseres tollen Teams schweren Herzens in Kurzarbeit schicken. Wir würden unsere aktuelle Investmentrunde erhöhen. Und wir würden die Covid-Statistiken gut beobachten, um das Ende zu antizipieren und somit wieder schnell Fahrt aufnehmen zu können”.

Möglicher zweiter Lockdown als “mittelschwere Katastrophe” für teamazing

Branchenbedingt alles andere als entspannt, steht teamazing-Gründer Paul Stanzenberger einem möglichen weiteren Herunterfahren des öffentlichen Lebens gegenüber: “Für uns als Teambuilding- und Workshop-Veranstalter wäre ein zweiter Lockdown eine mittelschwere Katastrophe. So gut wir die erste Welle auch weggesteckt haben, so heftig wäre ein zweiter Schlag”. Neben der finanziellen Belastung denke er dabei vor allem an Mitarbeiter wie Teamtrainer und Eventmanager. “Da in den Wintermonaten bei uns sowieso weniger los ist, hätten sie dann ein ganzes Jahr lang das Gefühl ‘nicht gebraucht zu werden’. Und das wäre eine massive psychische Belastung”, so der Gründer. Neue Online-Produkte könnten zwar die Auslastung ein wenig abfedern, aber keinesfalls ausgleichen. “Online ist eben nicht eins zu eins Offline und viele Unternehmen müssen auch hier und da den Rotstift ansetzen. Wir würden wohl den einen oder anderen Mitarbeiter verlieren, was in Hinblick der letzten Monate und der bisher enormen psychischen Belastung wirklich sehr schade wäre”, so Stanzenberger.

Der Grazer Gründer behält jedoch seinen Optimismus und spricht eine Hoffnung aus, die wohl viele mit ihm teilen: “Ich bin der Meinung, dass die überwiegende Stimmung in den Unternehmen eine andere ist, als die Angst vor einem zweiten Lockdown. Wir bekommen aktuell viele Anfragen – etwa drei pro Tag – für den Herbst, bzw. sogar noch den Sommer. Und somit schließe ich mich dieser Stimmung an und blicke hoffnungsvoll auf den Herbst. Wir schaffen das!”


Disclaimer: Paul Klanschek ist Teilhaber der Bitpanda GmbH, die mit 3,98 Prozent an der brutkasten Media GmbH beteiligt ist. Florian Gschwandtner ist Teilhaber der 8eyes GmbH, die mit 2,66 Prozent an der brutkasten Media GmbH beteiligt ist.


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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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AI Summaries

So bereiten sich heimische Startups (nicht) auf einen zweiten Lockdown vor

  • Gesundheitsminister Rudolf Anschober meinte erst gestern wegen der Entwicklung der Coronavirus-Zahlen wieder “in Sorge” zu sein.
  • Vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna heißt es heute, die “zweite Welle” sei international in vielen Ländern bereits da, stehe in mehreren Nachbarländern “vor der Tür” und könne auch Österreich bald erfassen.
  • In der Bevölkerung herrscht indessen nicht nur wegen der jüngsten Entwicklung Unsicherheit, ob ein zweiter Lockdown kommen könnte. Und auch in der heimischen Tech- und Startup-Szene gibt es diesbezüglich Befürchtungen oder gar Erwartungen – und teilweise entsprechende Vorbereitungen, wie der brutkasten bei einer Blitzumfrage erfuhr.
  • Gleich mehrere befragte Gründerinnen und Gründer sehen nur geringe Auswirkungen auf die Vorgänge im eigenen Unternehmen.
  • Für andere ist die Möglichkeit neuerlicher strenger Coronavirus-Maßnahmen eine ernsthafte Bedrohung.

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

So bereiten sich heimische Startups (nicht) auf einen zweiten Lockdown vor

  • Gesundheitsminister Rudolf Anschober meinte erst gestern wegen der Entwicklung der Coronavirus-Zahlen wieder “in Sorge” zu sein.
  • Vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna heißt es heute, die “zweite Welle” sei international in vielen Ländern bereits da, stehe in mehreren Nachbarländern “vor der Tür” und könne auch Österreich bald erfassen.
  • In der Bevölkerung herrscht indessen nicht nur wegen der jüngsten Entwicklung Unsicherheit, ob ein zweiter Lockdown kommen könnte. Und auch in der heimischen Tech- und Startup-Szene gibt es diesbezüglich Befürchtungen oder gar Erwartungen – und teilweise entsprechende Vorbereitungen, wie der brutkasten bei einer Blitzumfrage erfuhr.
  • Gleich mehrere befragte Gründerinnen und Gründer sehen nur geringe Auswirkungen auf die Vorgänge im eigenen Unternehmen.
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  • Vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna heißt es heute, die “zweite Welle” sei international in vielen Ländern bereits da, stehe in mehreren Nachbarländern “vor der Tür” und könne auch Österreich bald erfassen.
  • In der Bevölkerung herrscht indessen nicht nur wegen der jüngsten Entwicklung Unsicherheit, ob ein zweiter Lockdown kommen könnte. Und auch in der heimischen Tech- und Startup-Szene gibt es diesbezüglich Befürchtungen oder gar Erwartungen – und teilweise entsprechende Vorbereitungen, wie der brutkasten bei einer Blitzumfrage erfuhr.
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  • Gleich mehrere befragte Gründerinnen und Gründer sehen nur geringe Auswirkungen auf die Vorgänge im eigenen Unternehmen.
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