03.04.2019

Paul Zehetmayr: “2019 wollen wir mit eversign zum Europamarktführer werden”

Die beiden Brüder Julian und Paul Zehetmayr haben 2015 das Software-Unternehmen apilayer gegründet, zu dem auch eversign gehört – eine führende Plattform zur digitalen Unterzeichnung von Dokumenten. Im März haben sie die Übernahme der US-amerikanischen Plattform "Docracy" angekündigt, die Vorlagen für Verträge anbietet. Wir haben mit den beiden Wiener Gründern über die Intention und Hintergründe des Deals gesprochen.
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eversign Zehetmayr - LimeWire
(c) Martin Pacher / der brutkasten: (v.l.n.r.) Paul und Julian Zehetmayr am Balkon ihres Büros in der Wiener Innenstadt

Der Wiener Julian Zehetmayr verkaufte 2014 mit nur 22 Jahren sein Mobile-Advertising-Startup Mobfox für 17,6 Millionen Euro an den israelischen Matomy-Media-Konzern. Über Nacht wurde er damals zum jüngsten Startup-Multimillionär Österreichs. Lange Zeit zum Ausruhen ließ sich der umtriebige Gründer nicht: Im Jahr 2015 gründete er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Paul Zehetmayr das Startup apilayer, das mittlerweile mehr als 13 API-Produkte anbietet. Teil des Software-Unternehmens ist auch eversign, eine führende Cloud-Plattform zur digitalen Unterzeichnung von Dokumenten. Im März diesen Jahres haben die beiden Brüder ihren nächsten Coup angekündigt: die Übernahme der US-amerikanischen Plattform Docracy. Sie zählt mit 500.000 aktiven Nutzern zu einer der größten Online-Marktplätze für kostenlose Vertragsvorlagen. Wir haben mit Julian und Paul Zehetmayr über die Intention und die Hintergründe der Übernahme gesprochen.

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Mit eurem Unternehmen bietet ihr eine Vielzahl an Services an. Welches Sparte ist euer Zugpferd?

Paul Zehetmayr: Unser Zugpferd in der API-Sparte ist sicherlich currencylayer. Dabei handelt es sich um eine automatisierte Schnittstelle für Währungsdaten, die aufgrund des geringen Preises und der einfachen Integration in Websites speziell auf Freelancer und kleine Unternehmen ausgelegt ist. Bisherige Lösungen am Markt, beispielsweise von Bloomberg, zielen in erster Linie auf Großunternehmen ab und sind daher entsprechend teuer. So musste ein klassisches Startup bis dato pro Jahr mehrere 1000 US-Dollar für derartige Services ausgeben und sich im Zuge dessen auch noch mit technisch schwer integrierbaren Systemen befassen. Man könnte sagen, dass wir mit currencylayer die ersten waren, die eine unkomplizierte und vor allem leistbare Lösung für Währungsdaten eingeführt haben.

Warum könnt ihr die Schnittstelle für Währungsdaten günstiger anbieten als eure Mitbewerber und welche konkreten Vorteile haben Startups?

Paul Zehetmayr: Diese Frage sollte man wohl eher umgekehrt stellen: Warum kann das die Konkurrenz nicht? Ich denke, dass Enterprise-Anbieter in erster Linie aufgrund von ihrer bisherigen Alleinstellung im Markt ein sehr hohes Preisniveau halten konnten. Dazu kommt, dass große Unternehmen als Kunden bei solchen Lösungen wohl auch eher weniger auf den Preis geschaut haben. Das hat sich mit der Einführung von currencylayer allerdings geändert – mittlerweile haben wir bei currencylayer rund 250.000 Nutzer, darunter auch große Unternehmen wie FedEx, Lyft und TeamViewer.

Welche anderen APIs bietet ihr an?

Paul Zehetmayr: Neben currencylayer haben wir in den ersten zwei Jahren noch zwölf andere APIs gebaut, darunter fallen beispielsweise Produkte wie mailboxlayer, einem API für die Verifizierung von E-Mail Adressen, numverify für Telefonnummer Validierung und vatlayer für UID-Nummer Validierung in der EU.

Zehetmayr
(c) Martin Pacher / der brutkasten: Für das Interview luden uns Julian und Paul Zehetmayr in ihr neu eingerichtetes Büro in Wien.

Wie funktioniert die Monetarisierung bei der API-Sparte?

Paul Zehetmayr: Grundsätzlich arbeiten wir bei all unseren Produkten mit der klaren Überzeugung, dass wir qualitativ hohe Services für Einzelpersonen und Unternehmen jeder Größe erschwinglich oder sogar kostenfrei anbieten können. So bieten wir über die gesamte Produktpalette hinweg Gratis-Abonnements an, um die Einstiegshürde für neue Kunden möglichst gering zu halten und gleichzeitig eine einfache Test-Möglichkeit zu bieten. Sobald ein Kunde unseren API ernsthaft nutzen möchte, fällt im Schnitt ein geringer monatlicher Betrag zwischen 10 und 100 US-Dollar an. Bei knapp zwei Millionen Kunden (wohlgemerkt, der Großteil aller Kunden nutzt Gratis-Abonnements) gewährleistet dieses Geschäftsmodell einen sehr stabilen Umsatz. Pauschal gesagt hätten wir kein Problem damit, wenn unsere größten fünf Kunden abspringen würden.

Neben den APIs betreibt ihr mit “eversign” und “invoicely” mittlerweile zwei SaaS-Plattformen. Welche Kernfunktionen erfüllen diese Plattformen und womit hebt ihr euch von den Mitbewerbern ab?

Paul Zehetmayr: Mit unseren SaaS-Plattformen wollen wir zeigen, dass das Stellen von Rechnungen (invoicely) sowie das Unterzeichnen von rechtsgültigen Dokumenten (eversign) über die Cloud und komplett ohne Stift und Papier im Geschäftsalltag längst Gang und Gebe sein kann. Besonders bei Unternehmen wie Versicherungen oder Maklerfirmen, die mehrmals täglich Dokumente oder Verträge unterzeichnen, lässt sich erahnen, welche potenziellen Einsparungen ein Verzicht auf mehrfaches Drucken und Scannen bringen könnte.

“Bei eversign und elektronischen Signaturen handelt es sich definitiv um einen sehr umkämpften Markt.”

Mit eversign lässt sich das alles nicht nur digital schnell erledigen, mittels API kann das Zustellen und Archivieren von Dokumenten an Kunden oder Geschäftspartner hier auch gänzlich automatisiert werden. In erster Linie heben wir uns in den Kategorien Nutzerfreundlichkeit und Preis von führenden US-Anbietern, wie DocuSign und HelloSign, ab. Dazu kommt, dass wir es als Unternehmen mit Sitz in Österreich viel leichter haben, datenschutztechnische Sicherheitsanforderungen in der EU zu erfüllen und somit europäische Kunden gewinnen können, denen der Speicherort und die Sicherheit ihrer Verträge wichtig sind.

Welche Strategie verfolgt ihr um auf internationalen Märkten Fuß zu fassen?

Julian Zehetmayr: Grundsätzlich ist unser Geschäft stark international ausgerichtet – insbesondere bei den APIs. Wir positionieren uns bewusst nicht ausschließlich als österreichischer Anbieter, nicht zuletzt weil all unsere Produkte auch international einsetzbar sind. Für unsere SaaS-Plattformen schalten wir regelmäßig Sponsored Postings auf Tech-Portalen, wie beispielsweise TechCrunch. Zudem sind wir bei Google sehr gut geranked – so belegen wir beispielsweise mit invoicely klar Platz Eins für alle marktrelevanten Suchbegriffe.

“Wir positionieren uns bewusst nicht ausschließlich als österreichischer Anbieter … “

Woher kommen die Kunden der SaaS-Plattformen?

Julian Zehetmayr: Rund ein Viertel unserer Kunden kommt aus den USA. Weitere Märkte sind England, Deutschland und Australien. Österreich ist eher weiter hinten angesiedelt. In Bezug auf die E-Signatur ist der amerikanische Markt natürlich viel größer als der europäische, da bei uns die Möglichkeit, Dokumente digital zu unterzeichnen, noch nicht allzu bekannt ist.

Welche Herausforderungen habt ihr derzeit zu managen?

Paul Zehetmayr: Bei eversign und elektronischen Signaturen handelt es sich definitiv um einen sehr umkämpften Markt. Zudem braucht es viel mehr an Vertriebsstruktur als beispielsweise bei den APIs. Die meisten Personen und Unternehmen unterzeichnen noch immer mit Stift und Papier und sind sich der Legalität von elektronischen Signaturen noch nicht ganz bewusst. Wir haben hier also auch ein bisschen Aufklärungsarbeit zu leisten.

“Für 2019 verfolgen wir das Ziel, mit eversign Europamarktführer zu werden.”

Im März diesen Jahres habt ihr bekanntgeben, dass ihr die US-Plattform Docracy übernommen habt. Worum handelt es sich bei Docracy und welche Rolle spielt die Übernahme für eure Plattform?

Julian Zehetmayr: Docracy ist eine Online-Plattform zum Teilen von rechtlichen Dokumenten und Vorlagen für Verträge. Im Moment gibt es auf Docracy rund 15.000 öffentlich zugängliche Dokumente und mehr als 500.000 aktive Nutzer. Durch die Übernahme von Docracy können wir unseren Kunden nun direkt in der eversign Plattform Zugang zu einem großen Archiv an Verträgen geben. Ziel ist es, die Plattformen auf Basis einer Two-Way-Integration zu verbinden. Nutzer, die auf Docracy eine Vertragsvorlage finden, sollen diese gleich per eversign rechtsgültig unterzeichnen können. Umgekehrt haben registrierte eversign-Nutzer, wie schon erwähnt, künftig Zugriff auf alle 15.000 Docracy Dokumente.

Was sind eure Ziele für 2019?

Paul Zehetmayr: Für 2019 verfolgen wir das Ziel, mit eversign Europamarktführer zu werden. Zudem arbeiten wir auch immer an neuen Produkten. Dazu zählt unter anderem auch ein Online-Identity-Management-Produkt, das wir noch im Herbst auf den Markt bringen möchten. Viele Firmen haben gar keinen Überblick mehr über sämtliche Accounts und Zugänge von Mitarbeitern und vor allem Ex-Mitarbeitern. Kommt ein neuer Kollege ins Team, müssen oft bis zu 20 oder 30 verschiedene Zugänge eingerichtet werden. Verlässt jemand das Unternehmen, wird die Sache natürlich noch viel heikler, hier müssen lückenlos und zeitgerecht alle Accounts entfernt werden. Unser Produkt wird das und noch viel mehr auf Knopfdruck ermöglichen. Hier sehen wir auch großes Wachstumspotential.


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Anyconcept, AnyConcept, Automatiserung, Software testen,
(c) AnyConcept - Das AnyConcept-Team.

Rund 80 Prozent aller Unternehmen testen ihre Anwendungen und Software händisch. Entweder klicken sie sich mühsam durch ihre Software oder ihren Webshop, um zu sehen, was funktioniert und was nicht, oder sie coden sich ihre Tests. Beides langwierige, kostenintensive und mühsame Aufgaben. Das wissen Leander Zaiser, CEO, Manuel Weichselbaum, CTO, und Markus Hauser, die gemeinsam mit Kevin Intering und Pascal Goldschmied das KI-Startup AnyConcept gegründet haben.

AnyConcept und das Problem der No-code-Software

Die Founder haben sich deswegen dazu entschlossen eine Testautomatisierungs-Software zu entwickeln, um den Prozess für Unternehmen zu vereinfachen und günstiger zu gestalten.

Zaiser war sechs Jahre lang RPA-Experte (Robotics Process Automation) bei Raiffeisen und hat dort Automatisierungssoftware automatisiert. Der CEO musste dabei feststellen, dass vermeintliche No-code-Software ohne Entwicklungskompetenzen sich nicht erfolgreich einsetzen ließ. Für gelernte Softwareentwickler wiederum war das Arbeiten mit solch einer Anwendung keine attraktive Tätigkeit.

Weichselbaum indes forscht seitdem er 17 ist an Künstlicher Intelligenz. Und widmet sich dabei vor allem immer den aktuellen Herausforderungen der internationalen Forschung. Das passte hervorragend zu Zaisers erkanntem Problem: aktuelle Automatisierungssoftware ist zu komplex für Non-Coder und nicht attraktiv genug für Coder. Also fragten sich die Founder: Was, wenn man Automatisierung mit einem No-Code-Ansatz macht, mithilfe einer KI, die genau das tut, was man ihr auf dem Bildschirm zeigt? So war AnyConcept geboren.

Das Black Friday-Problem

“Jede Software, jeder Webshop, jede Applikation muss immer wieder getestet werden, ob sie richtig funktioniert. Und da sie auch ständig durch neue Updates von Entwicklern oder bei einem Webshop mit neuen Produkten gefüttert wird, verändern sich Applikationen dauerhaft. Das kann wieder zum Brechen der bisherigen Funktionen führen”, erklärt Hauser, ein per Eigendefinition fleischgewordenes Startup-Kind, das zuletzt Johannes Braith (Storebox) als rechte Hand begleiten und somit Entrepreneurship aus nächster Nähe beobachten und Mitwirken durfte.

Der Gründer präzisiert sein Argument mit einem Beispiel passend zum Black Friday. Jedes Jahr würden Unternehmen Milliarden US-Dollar verlieren, weil sie ihre Preise falsch definieren oder Prozente und Dollar verwechseln, ohne dass es wem auffällt. Außerdem könnten “Trilliarden US-Dollar” an Schäden durch fehlerhafter Software, die nicht richtig getestet wurde, vermieden und “50 Prozent der IT-Projektkosten” gesenkt werden, wenn Testen automatisiert mit No-Code abläuft, so seine Überzeugung.

“Durch unser KI-Modell, das ein User-Interface rein durch Pixeldaten, Mausklicks und Tastatureingaben erkennen und manövrieren kann, schaffen wir es Automatisierung No-Code zu gestalten”, sagt Hauser. “Das Ziel ist es unsere KI-Agenten zukünftig zum Beispiel einen Prozess wie UI-Software-Testing rein durch eine Demonstration, das bedeutet das Vorzeigen des Testfalles, automatisiert durchführen zu lassen. Sie werden sich dabei exakt so verhalten wie es ein Benutzer tun würde, orientieren sich nur an den Elementen des User-Interface und konzentrieren sich nicht auf den dahinterliegenden Code. Das ist unser USP.”

FUSE for Machine Learning

Dieses Alleinstellungsmerkmal fiel auch Google auf. Konkreter Google Cloud Storage FUSE for Machine Learning. Anfänglich noch ein Open Source-Produkt als “Linux Filesystem in Userspace” oder eben als “FUSE” tituliert, wurde die Software von Google in die Cloud integriert und hilft beim Verwalten von Unmengen von Trainingsdaten, Modellen und Kontrollpunkten, die man zum Trainieren und Bereitstellen von KI-Workloads benötigt.

Anwendungen können hierbei direkt auf die Cloud zugreifen (Anm.: anstatt sie lokal herunterzuladen); als wären sie lokal gespeichert. Es müssten zudem keine benutzerdefinierte Logik implementiert werden und es gebe weniger Leerlaufzeit für wertvolle Ressourcen wie TPUs und GPUs, während die Daten übertragen werden.

FUSE sei einfach ein Produkt für Unternehmen, so Weichselbaum weiter, um große Datenmengen bequem zu verwalten und sie verfügbar zu machen: “Wir verwenden es, um viele Terrabytes von Daten auf der Cloud zu lagern, was am Computer nicht möglich ist”, sagt er.

Google sagt Hallo

Weil AnyConcept das Service von FUSE sehr intensiv nutzte, wurde Google auf die Grazer aufmerksam. Und hat konkret nachgefragt, was sie für einen Use-Case mit ihrem Angebot entwickelt haben. “Wir waren einer der ersten, die das genutzt haben, um effizient unsere KI-Agents zu trainieren“, sagt Weichselbaum. “Das Produkt von Google ist ein Teil unserer Datenverarbeitung und des Trainings unserer ganz spezifischen KI und Google wollte wissen, warum und wie wir das so intensiv verwenden. Das hat dazu geführt, dass wir unsere Ideen für Produktverbesserungen und Skripts mit ihnen teilen durften.“

AnyConcept und seine Konzepte

Das Ziel von AnyConcept ist es, ein Foundation-Modell nicht für Texte oder Bilder, sondern für Interaktionen mit dem User-Interface zu entwickeln.

Im Detail reicht hierbei eine Demonstration von einem solchen Interface und AnyConcept analysiert es mit neuronalen Netzwerken. Es erkennt Strukturen, die das Startup seinem Namen getreu “Konzepte” nennt und die auf breites Wissen aufbauen, wie man mit einem Computer interagiert.

“So ein Konzept wäre etwa ein ‘Button’ auf einer Website”, erklärt es Zaiser in anderen Worten. “Die KI versteht dann, dass man ihn anklicken kann und was danach passiert. Oder wie lange eine Website braucht, sich zu öffnen und wie sie aussieht.”

Aktuell forscht AnyConcept an der Generalisierungsfähigkeit ihres Netzwerkes. Zaiser dazu: “Wir testen unsere KI bereits mit Pilotkunden bei der Anwendung von Software-Testautomatisierung und bekommen großartiges Feedback.”

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