05.08.2024
KOMMENTAR

“Hitman” Yusuf Dikeç: Eine Halbwahrheit und viele Trugschlüsse

Die LinkedIn-Community hat mit dem 51-jährigen türkischen Sportschützen Yusuf Dikeç einen Helden gefunden, der allerlei beweisen soll. Ein kurzer Blick auf die Fakten zeigt, dass andere Schlüsse angemessen wären.
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Dieser Screenshot von Yusuf Dikeç ging viral | Screenshot
Dieser Screenshot von Yusuf Dikeç ging viral | Screenshot

Es dauert wohl nicht mehr ewig, aber noch reißt der Hype um den 51-jährigen türkischen Sportschützen Yusuf Dikeç nicht ab. Ganz ohne technischen Schnickschnack, wie ihn die Konkurrenz benutzt, hat er olympisches Silber gewonnen, so die Erzählung. Auch die LinkedIn-Community findet besonderen Gefallen an dem Sportler. Allerlei Analogien werden gezogen. Und gefühlt jeder zweite (Wannabe-)Influencer schreibt, was man vom coolen “Hitman” lernen kann.

Şevval İlayda Tarhan!

Doch die große Erzählung ist eine Halbwahrheit, wie mittlerweile vermehrt auf LinkedIn angemerkt wird. Eine nachgerade gemeine Halbwahrheit, basierend auf dem einen – ohne Zweifel wirklich coolen – Screenshot aus der Olympia-Übertragung, der viral ging.

Hier ein paar zusätzliche Fakten: Bei diesem olympischen Bewerb handelte es sich um einen Mixed Double-Bewerb. Yusuf Dikeç hat die Medaille nicht alleine geholt, sondern gemeinsam mit seiner 24-jährigen Kollegin Şevval İlayda Tarhan. In den Einzelbewerben davor landete Dikeç übrigens auf Platz 13 bei den Männern, Tarhan dagegen auf Platz 7 bei den Frauen. Gemeinsam konnten die beiden mehr herausholen und erkämpften Silber.

Während Dikeç wenig sichtbare Ohrstöpsel nutze, verwendete Tarhan größere Ohrschützer. Auch sie hatte keine Hightech-Brille auf und schoss – wie zwecks Stabilisierung übrigens in diesem Sport generell üblich – mit der Hand in der Hosentasche. Das wenig beachtete Sieger-Duo Zorana Arunovic und Damir Mikec aus Serbien nutzte mehr technisches Equipment und setzte sich letztlich – ganz sicher nicht nur deswegen – durch.

Şevval İlayda Tarhan beim Mixed Double-Bewerb der olympischen Spiele | (c) Amr Alfiky/Reuters

Durch das alles soll die Leistung Yusuf Dikeçs keinesfalls in Frage gestellt oder geschmälert werden. Alleine wer sich für die olympischen Spiele qualifiziert, hat damit hinreichend bewiesen, zu den besten der Welt zu zählen. Wer – allein oder im Team – eine Medaille holt, hat allen Ruhm ehrlich und aufrichtig verdient. Und den Preis für das coolste Foto dieser olympischen Spiele bislang verdient Dikeç – möglicherweise ex aequo mit Surfer Gabriel Medina – ganz sicher.

Yusuf Dikeç: Die LikedIn-Influencer-Erzählung stimmt ganz einfach nicht

Sehr wohl in Frage zu stellen sind die Schlüsse, die (nicht nur) die LinkedIn-Community aus der viral gegangenen halbwahren Erzählung zieht. Dass da der eine coole Typ, ein alter Hase ohne Schnickschnack, gekommen ist, und es alleine allen gezeigt hat, stimmt so ganz einfach nicht. Im Einzelbewerb haben zwölf Sportler mit mehr Schnickschnack noch besser geschossen als er. Und im Mixed Double war es dann eben das Zusammenspiel mit seiner jungen Kollegin, das zur Medaille geführt hat.

Mit dem diversen Team ganz nach oben

Şevval İlayda Tarhan und Yusuf Dikeç haben damit gemeinsam etwas bewiesen, das nicht der chauvinistisch geprägten Businessman-Erzählung zum “Hitman”-Foto entspricht. Sie haben gezeigt, dass ein diverses Team gemeinsam ganz weit oben stehen kann, obwohl es im Einzelkampf (Platz 7 und Platz 13) nicht zur absoluten Spitze reicht. Vielleicht, dass genau die Kombination aus dem abgebrühten alten Hasen und der gut ausgestatteten jungen Expertin ein gewinnendes Duo ergeben kann – aber das ist möglicherweise schon wieder zu viel Interpretation.

Jedenfalls haben sie – nicht willentlich – gezeigt, wie leicht die Community der (Wannabe-)LinkedIn-Influencer in ihrem Verlangen nach Reactions und Comments auf einen Zug aufspringt, ohne überhaupt zu wissen, wo der eigentlich herkommt und wo er hinfährt. Und dann “Beweise” für Thesen konstruiert, die ins eigene Weltbild passen.

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(c) Liquid AI - (v.l.) Mathias Ledhner, Eva Rus, Alexander Amini und Ramin Hasani von Liquid AI.

Liquid AI CEO Ramin Hasani war von 2016 bis 2020 “Machine Learning Researcher” an der TU Wien; sein CTO Mathias Lechner machte von 2018 bis 2022 am “Institute of Science and Technology Austria (ISTA) seinen PhD – davor in der österreichischen Hauptstadt seinen Master, ebenfalls an der Technischen Universität.

Liquid AI: Weniger Daten und Rechenleistung nötig

Nun vermelden beide ein 250 Millionen US-Dollar Investment für ihr Bostoner MIT-Spin-off (Liquid AI hat im Vorjahr bereits rund 46,6 Millionen US-Dollar an Startkapital erhalten): “Diese Finanzierung wird uns dabei helfen, die Entwicklung, Skalierung und Bereitstellung von ‘Liquid Foundation Models’ (LFMs: Allzweck-KI-Modelle, die weniger Daten und Rechenleistung benötigen) zu beschleunigen, unseren leichtgewichtigen, universell einsetzbaren KI-Modellen, die private, effiziente und zuverlässige KI auf Unternehmensniveau für alle ermöglichen”, teilen sie per Blogeintrag mit.

Das Ziel von Liquid AI, dessen Bewertung nun laut Bloomberg bei über zwei Milliarden US-Dollar liegt, ist es, das leistungsfähigste und effizienteste “KI-System in jeder Größenordnung” zu entwickeln.

“Wir sind stolz darauf, dass unsere neuen, branchenführenden Partner unserer Mission vertrauen; gemeinsam wollen wir souveräne KI-Erfahrungen für Unternehmen und Nutzer freisetzen”, sagt Hasani.

Skalierbarkeit

Seit der Gründung des KI-Startups hat das Duo daran gearbeitet, zu beweisen, dass ihre Wissenschaft und Technologie skalierbar sei: “Wir haben unsere textbasierten Modelle veröffentlicht, multimodale LFMs angekündigt und begonnen, unsere KI-Produkte mit wichtigen Partnern auf dem Markt zu testen, um ihre Wirkung in der Praxis zu demonstrieren”, heißt es weiter.

In der nächsten Phase möchte Liquid AI die Series-A nutzen, um ihre Recheninfrastruktur zu skalieren, die Produktbereitstellung im Edge- und On-Premise-Bereich zu beschleunigen, z. B. LFM-Inferenz- und Feinabstimmungs-Stacks, und um ihre KI-Angebote über Partnerschaften einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Liquid AI: Vorteile ausdehnen

“Wir werden unsere KI-Produkte in geschäftskritische Workflows in vielen Bereichen wie Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, E-Commerce und Biotechnologie integrieren”, so das Team weiter. “Die Finanzierung wird auch die wissenschaftliche und technologische Entwicklung von Liquid AI beschleunigen und die Vorteile von LFMs auf mehr Modellgrößen und Datenmodalitäten ausdehnen.”

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