20.06.2022

Workation: Neue Destinationen für Digital Nomads und Laptop Luggers

Der Trend Workation – die Verbindung von Urlaub und Arbeit – beflügelt die Krea­tivität der Startups und der Tourismusbranche in Österreich.
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Der Mesnerhof-C in Tirol empfängt Workation-Reisende und Teams für Company Retreats © Werner Neururer
Der Mesnerhof-C in Tirol empfängt Workation-Reisende und Teams für Company Retreats © Werner Neururer

Die vergangenen zwei Jahre haben uns im Laufschritt in eine neue Realität der Schreibtischarbeit getrieben. Die Freude, im Büro wieder andere Menschen zu treffen, ist zwar groß, Arbeiten am Esstisch, im eigenen Wohnzimmer oder im Garten ist aber genauso normal geworden. Ein paar Arbeitstage dort, andere da, je nachdem, was gerade zu tun ist oder wie die Termine fallen. Dass das mitunter ein Effizienzgewinn ist, hat sich längst auch in konservativen Manager:innenkreisen herumgesprochen – dieser flexible Umgang mit dem Arbeitsplatz spart Wegzeiten und ermöglicht wechselweise eine stille Umgebung für konzentriertes Arbeiten oder ständigen kreativen Austausch. Die Pandemie mit ihren Lockdowns hat Unternehmen in diese Lage gedrängt. Einige haben sich nicht nur an diese Situation gewöhnt – sie denken sie sogar noch viel weiter. Remote Work ist das neue Home­office und bringt auch Umwälzungen im Tourismus und der Mobilität.

Rund um Remote Work bildet sich ein Markt, der noch in der Konzeptphase zu stecken scheint. Die Maximalvariante ist wohl das mobile Büro in Form eines Campers oder Vans. ­Claudia Falkinger hat das ausprobiert. Sie kennt sich mit Innovatio­nen in der Mobilität aus, war sie doch lange als Innova­tions­managerin bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) tätig und hat die Initiative „Community Creates Mobility“ mit aufgebaut. Dort treffen sich Menschen, die sich für die Zukunft der Mobilität interessieren und sie gestalten wollen, und diskutieren neue Konzepte – Unternehmen, Startups, Kreative, Politiker:innen und Bürger:innen. Falkinger probiert neue Trends aber auch gern selbst aus – so kam sie zum Start­up Emma Wanderer und verlegte ihr Büro ausgerechnet im beginnenden Winter in einen Van, mit dem sie durch einen Teil Österreichs tourte. 

Co-Working im fahrenden Van

Das kam so: Das vom Wiener Startup Studio initiierte Jung­unternehmen Emma Wanderer hatte im Herbst 2021 gerade erste PR-Aktivitäten gestartet. Teil davon war eine ­Einladung an Journalist:innen, die Verbindung von Remote Work und Natur­erlebnis auszuprobieren. Falkinger war neugierig und bestieg mit einer Bekannten einen Van des Startups my­vanture, um eine Woche lang arbeitend durch die Nationalparkregion im Süden Österreichs zu touren, also dort, wo Emma Wanderer den ersten „Campus“ errichten will. Ein ­solcher Campus soll mitten in der Natur eine Infra­struk­­­tur für Büroarbeiter:innen bieten (Co-Working, gute Internet­verbindung etc.) und zusätzlich Unterkünfte und Stellplätze für Vans offerieren.

Claudia Falkinger im Van
Claudia Falkinger im Van “Thomas” von myvanture © Falkinger

Im Herbst 2021 gab es dazu lediglich ­Pläne und Visualisierungen, also musste sich Falkinger anders be­helfen. „Jeder Tag an einem anderen Ort“ war durchaus eine Heraus­forderung in der Planung – zwei unterschied­liche Apps lotsten sie zu Bauernhöfen und Weingütern, denn ein sieben Meter langer und drei Meter hoher Van kann nicht überall parken. Das unmittelbare Naturerlebnis hat bei Falkinger den stärksten Eindruck hinterlassen – der Klapptisch mitten in der Alpenlandschaft vor dem eigenen Van. Der Arbeitsalltag war aber eine größere Herausforderung, als man denken würde. 

So soll der Emma Campus in Hieflau aussehen © Emma Wanderer/Architekten W30
So soll der Emma Campus in Hieflau aussehen © Emma Wanderer/Architekten W30

Engpass Internet und Strom

„Den größten Druck hat man durch die Infrastruktur“, ­be­richtet Falkinger. Um arbeiten zu können, brauche man eben stabiles Internet, Strom und guten Kaffee, alles „on the road“ Mangelware, aber oft auch am Zielort selbst. Ist man zu zweit, kann eine:r fahren und die/der andere arbeiten – theo­retisch, denn in der Praxis sei es eben schwierig, wenn der Van während eines Videomeetings durch einen Tunnel fahren muss und die Verbindung abbricht. Im Van gibt es zahlreiche USB-Anschlüsse und sogar induktive Möglichkeiten, Smartphones und Tablets aufzuladen. „Für den Laptop muss der Van aber am Stellplatz an den Strom angehängt werden“, so Falkinger. Genau hier setzt Emma Wanderer mit der Idee des Campus an, die all das bieten soll – inklusive Naturerlebnis. 

So soll Remote Working am Emma Wanderer Campus aussehen © Tim Ertl
So soll Remote Working am Emma Wanderer Campus aussehen © Tim Ertl

Arbeitgeber öffnen sich Workation

Unternehmen schaffen zunehmend Möglichkeiten für ­An­gestellte, solche Konzepte auszuprobieren und in ihr Arbeitsjahr zu integrieren. Das mittlerweile weit über die Startup-­Szene hinaus bekannte Unternehmen Bitpanda hat im Frühjahr mit einem besonders radikalen Konzept Schlagzeilen gemacht: Über die gesetzlichen 25 Tage Urlaub hinaus kann sich jede:r Mitarbeiter:in – insgesamt sind es mehr als 1000 – so viele Tage freinehmen, wie er/sie möchte, solange alle Ziele des Unternehmens weiterhin erreicht und alle Aufgaben erledigt werden können. Unbegrenzter Urlaub nicht als Marketing-Gag, sondern um sicherzustellen, dass Angestellte trotz arbeitsintensiver Phasen leistungsfähig bleiben: „Das ist zu unserem eigenen Vorteil, denn Arbeit­geber, die sich für ein Umfeld einsetzen, das die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördert, haben weniger Fehlzeiten, eine höhere Produktivität und ein loyales, produktives Team“, so HR-­Chefin Lindsay Ross zum brutkasten. Zwei „­Recharge Breaks“ schicken das ganze Team auf Firmenurlaub, und auch für Remote Work gibt es bei Bitpanda eine zusätzliche Sonder­regelung: An 60 Tagen im Jahr kann von anderen Orten auf der Welt aus gearbeitet werden, solange 80 Prozent Überschneidung mit der täg­lichen Arbeitszeit des restlichen Teams möglich sind.

Emma Wanderer steht mittlerweile kurz vor dem Baubeginn im Nationalpark Gesäuse. Dort soll noch 2022 ein Campus für Menschen entstehen, die einen Teil ihres Arbeitsjahrs in der Natur verbringen wollen. Tagsüber arbeiten in inspirierender Umgebung, Tapetenwechsel; nach Feierabend und am Wochenen­de geht es aufs Mountainbike, den Berg oder sogar die Skier, denn der Campus soll ganzjährig bereitstehen. Neben einem Clubhouse, in dem Kaffeehaus und Co-Working-Plätze unterkommen, sind Tiny Houses geplant, die entsprechend mit Büromöbeln ausgestattet sind. Emma Wanderer kann man als Privatperson buchen, für das Start­up besonders spannend sind aber die ersten Firmenkunden, die individuelle Packages für ihre Mitarbeiter:innen buchen – mitunter auch als Retreat für Teams oder das ganze Unternehmen. 

Chance für Alpentourismus

Diesen vielleicht aufkeimenden Trend wünschen sich nicht nur Startups herbei – nach zwei Jahren ­Durststrecke lässt er auch die Tourismusbranche aufhorchen. Der in Bayern angesiedelte Verein CoworkationAlps will das Potenzial von Remote Work für die Tourismusregion der Alpen nutzbar machen. Mit dabei ist auch die Standortagentur Tirol; im Aufsichtsrat des Vereins sitzt unter anderem Georg Gasteiger, der in Tirol mit dem Mesnerhof-C in Steinberg bereits länger die Zielgruppe arbeitender Urlauber oder workshoppender Unternehmen anspricht. Die Plattform CoworkationAlps listet mehr als 20 Tourismusbetriebe mit Co-Working-Angebot auf – darunter auch ein für Co-Working ausgebauter Heustadel in Osttirol oder ein ganzes Co-Workation-Village im Piemont, das auf bis zu 100 Coworker:innen ausgerichtet ist und eine Durchschnittsaufenthaltszeit von fünf bis 20 Tagen bietet. 

Georg Gasteiger hat den Mesnerhof-C eröffnet © Harald Eisenberger
Georg Gasteiger hat den Mesnerhof-C eröffnet © Harald Eisenberger

Der Verein hat dazu auch eine Studie im Alpenraum durch­geführt, für die 2728 Berufstätige mit ortsungebundenen Jobs und 676 Unternehmen befragt wurden. 60 Prozent der befragten Berufstätigen können sich demnach eine Co-Workation vorstellen, 90 Prozent davon würde dafür der Alpenraum reizen. Unternehmen gaben in der Befragung an, dass die technische Infrastruktur vor Ort passen und eine klare, arbeitsrechtlich sichere Vereinbarung bestehen müsse.

Visa für Digital Nomads

Emma Wanderer hatte von Anfang an den Plan, nicht nur Öster­reicher:innen eine naturnahe Alternative zum Home­office anzubieten. Für 2023 ist nicht nur ein weiterer Campus in Österreich (konkret: in Kärnten) geplant – auch in Portugal, Griechenland und Kroatien steckt das Startup in Verhandlungen zu Locations. Andreas Jaritz, der Emma Wanderer 2021 mit aus der Taufe gehoben hat, hat dazu mit Julia ­Trummer eine Expertin für internationale Hotelleriekonzepte als Co-Founderin an Bord geholt. 

Die Wahl der Standorte hat nicht nur mit Naturnähe zu tun. Österreich sei vergleichsweise restriktiv, was Co-Working-Tourismus angehe, erklärt Jaritz dem brutkasten. Kroatien hingegen gibt seit 2021 spezielle Visa für Digital Nomads aus und lockt damit zahlreiche internationale Fachkräfte ins Land. Mit der „Digital Nomad Association Croatia“ (DNA) kümmert sich eine eigene NGO um die wachsende Community. Laut DNA dauert der Antrag etwa drei bis vier Wochen, dann darf man zwölf Monate lang in Kroatien für ein Unternehmen arbeiten, das keinen Sitz in Kroatien hat; im Gastland fällt dabei keine Einkommensteuer an. 

Andreas Jaritz ist CEO von Emma Wanderer © Tim Ertl
Andreas Jaritz ist CEO von Emma Wanderer © Tim Ertl

Airbnb-Chef auf Tour

In Italien gibt es ebenfalls bereits Überlegungen, ein ­solches Visum anzubieten, und Südafrika ist bereits in der ­Umsetzung. Dass der Trend gekommen ist, um zu bleiben, zeigt auch die Aufmerksamkeit, die große Plattformen dem Thema widmen: Airbnb-Chef Brian Chesky hatte Anfang des Jahres sogar selbst angekündigt, einige Monate auf Reisen zu gehen und währenddessen weiterhin das Unternehmen zu leiten – eine Tour, die nicht nur der persönlichen Abwechslung dient; ­Chesky will damit auch zeigen, dass Remote Work in unter­schiedlichen Airbnbs selbst für Firmenchefs eine Option ist, und damit das Work-and-Travel-Angebot der Ferien­unterkunft-Plattform anpreisen. „Alles, was man braucht, ist ein Laptop und ein Internetanschluss bei jemandem zu Hause, um seine Arbeit zu erledigen. Man kann so sogar ein fast 100 Milliarden Dollar schweres Unternehmen leiten“, sagte er zur Zeitung „USA Today“. 

Tourismus entdeckt Laptop Luggers als Zielgruppe

Laptop Luggers, wie Deloitte diese wachsende Gruppe Reisender nennt, sind eine lukrative Zielgruppe für die Touristikbranche: Sie reisen öfter, bleiben länger und haben eine hohe Kaufkraft, wie die Unternehmensberatung in einer Studie herausfand. Und sie haben spezielle Bedürfnisse: gutes WLAN, ruhige Arbeitsplätze und flexible Aktivitäten, die sich ihrem Arbeitstag anpassen. Internationale Hotelketten beginnen bereits, auf sie zu reagieren, etwa mit Abomodellen. 

Noch offen ist die Frage, was der Workation-Trend für die Mo­bilität und letztlich für die Umwelt bedeutet. Nach ihrer Workation-Tour durch die Nationalparkregion blieb bei Falkinger jedenfalls der Eindruck, dass die Zukunft der Arbeitswelt nicht ein Pkw sein könne – auch aus dem Blickwinkel der Umweltbelastung. Länger auf dem Campus zu arbeiten kann sie sich schon vorstellen, und genau darin sieht Jaritz auch eine Chance für den Klimaschutz: Workation verlängere die Dauer der Aufenthalte und reduziere damit die Zahl der besonders umweltschädlichen Kurztrips. Vier Wochen findet der Unternehmer ideal – zwei Wochen Workation und zwei Wochen Urlaub mit flexiblen Übergängen. 

Lesetipp: brutkasten Magazin #14

Dieser Beitrag erschien zuerst im brutkasten Magazin #14 (Ausgabe: Frühjahr 2022). Hier erfährst du, wie du das ganze Magazin lesen kannst.

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Clemens Wasner vor einem Symbolbild zu künstlicher Intelligenz
Clemens Wasner | Foto: Adobe Stock (Hintergrund), Enlite.ai

Entgegen der Erwartungshaltung vieler Skeptiker hat sich die KI-Entwicklung in 2024 noch beschleunigt: Im Wochentakt erfolgten neue technische Durchbrüche, der Launch neuer Services oder die Integration von KI in bestehende Lösungen. Über die rasanten Entwicklungen im abgelaufenen Jahr könnte man ohne weiteres ein Buch füllen, weshalb ich hier nur einen kurzen Abriss über die wichtigsten Entwicklungen geben kann.

Large Language Models: Mit den Claude-Modellen von Anthropic hat sich ein Konkurrent zu OpenAI etabliert. Auch Google hat sich nach Startschwierigkeiten zu einem ernsthaften Player entwickelt. Den eigentlichen Wendepunkt stelle jedoch der Open-Source-Bereich dar. Während zu Beginn des Jahres LLama2 und vergleichbare Modelle einen Rückstand von etwa 18 Monaten gegenüber GPT4 hatten, gab es im Sommer mit Llama3 erstmals ein Open-Source-Foundation-Model, das seine Closed-Source Konkurrenten in Rankings und Benchmarks übertraf. Seitdem hat Meta mit LLama3.2, einer multimodalen Variante die Text und Bild als Input akzeptiert, Open-Source-seitig noch nachgelegt (auch wenn die kommerzielle Nutzung in der EU leider nicht erlaubt ist). 

Marktanteil von Large Language Models 2023 vs 2024

Bild und Video-Generierung: Die letzten Jahre waren von Dall-e, Mid Journey und RunwayML geprägt. Mit Flux, einer der sehr seltenen europäischen Erfolgsstories im KI-Bereich, ist ein neues Modell zur Generierung von Bildern neu hinzugekommen, das von vielen als das aktuell beste angesehen wird. 

Im Dezember erfolgte schließlich der lange erwartete Launch von OpenAIs Sora (nicht in der EU) sowie die Vorstellung von Google’s Veo2 (nicht in der EU), welches technisch einen Riesensprung gegenüber der Konkurrenz darstellt. In 2025 ist auf Social Media eine ähnliche Schwemme an AI-generierten Videos zu erwarten, wie wir sie in 2023 für KI-generierte Bilder erlebt hatten.

In 2024 wurden die ersten sogenannten “Reasoning-Modelle” vorgestellt. Ein Reasoning-Modell wie GPT o1 kann nicht nur Texte anhand erlernter Muster erstellen, sondern auch echte logische Zusammenhänge erkennen und nachvollziehen. Dies ist ein vollkommen anderer Ansatz als bisher, da KI-Systeme dadurch fundierter argumentieren können, anstatt lediglich die „wahrscheinlichste“ Antwort aus riesigen Textmengen herauszufiltern bzw. vorherzusagen. Ein paar Tage vor den Weihnachtsfeiertage wurde GPT o3 vorgestellt (brutkasten berichtete), dass bei komplexen wissenschaftlichen Aufgaben, Mathematik und Coding-Benchmarks eine neue Ära einläutet. 

das neue OpenAI-Modell o3 im Vergleich zu früheren Modellen

KI wird ‘Personal’

Während die letzten Jahre KI vor allem auf der Cloud stattfand und wir mit unseren Endgeräten lediglich darauf zugegriffen haben, wurden in 2024 die Weichen für KI am Smartphone und Computer (Windows & Mac) gestellt.

Apple Intelligence (derzeit nicht in der EU verfügbar) ist Apples hauseigene KI-Plattform, die neben einer für andere KI-Modelle offenen Architektur vor allem auf Datenschutz und lokale Datenverarbeitung setzt. Googles Assistent Gemini (nur eingeschränkt in der EU verfügbar) auf Android-Smartphones geht noch einen Schritt weiter, was App- und Datenübergreifende Assistenzfunktionen betrifft.

Beide Lösungen stellen die allererste Version eines persönlichen Assistenten dar, der nicht an einzelne Services (wie MS Copilot) oder Umgebungen (wie Browser) gekoppelt ist, sondern übergreifend analysieren und agieren kann. Bis von diesen auch komplexere Aufgaben übernommen werden können, wird es noch einige Versionen benötigen, die Basis hierfür wurde jedoch in 2024 gelegt.

In 2024 wird auch als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich ein Pfad für die Einführung von Augmented Reality (auch xR) herauskristallisierte. Damit ist weniger das im Februar dieses Jahres erschienene Apple Vision Pro gemeint, das zum aktuellen Preis und Formfaktor nicht viel mehr als ein Developer Kit darstellt, sondern die xR-Plattformen von Google und vor allem Meta.

Mit den Orion Glasses hat Meta im September einen Prototypen vorgestellt, der einen guten Ausblick darauf gibt, welche Möglichkeiten uns in etwa 5 Jahren erwarten: echtes Augmented Reality gepaart mit generativer KI. Wer sich von Sprachsteuerung und GenAI bereits heute ein bild machen will dem seien die Meta Rayban Smartglasses empfohlen, welche u.a. Live-Übersetzungen und Bilderkennung ermöglichen – wie üblich gilt: nicht in Europa.

Österreich wird Lifesciene-lastiger und KI-affiner

Das österreichische KI-Ökosystem entwickelt sich nach wie vor sehr gut. Vor allem im Bereich der Corporates und IT-Dienstleister kam es zu einem sprunghaften Anstieg von Unternehmen die KI einsetzen bzw. anbieten. Als Highlight im wissenschaftlichen Bereich kann das von Michael Bronstein geleitete AITHYRA-Institut genannt werden, welches von der Boehringer Ingelheim Stiftung mit 150 Mio. Euro gefördert wird (brutkasten berichtete). “AI in Lifescience” stellt bereits heute den größten Bereich für KI-Startups dar, ein Trend der sich mit diesem Institut sicher noch verstärken wird.

Wie zu erwarten, fanden im Superwahljahr 2024 keine strategischen Weichenstellungen statt. Ausgehend von den Wahlprogrammen und den aktuell noch andauernden Koalitionsverhandlungen wird KI auch in der nächsten Legislaturperiode keine Rolle spielen. Ein Rekorddefizit und geschwächte Wirtschaftsleistung sind kein guter Nährboden für ambitionierte Projekte, derer es aber sehr viele bedürfte. Auch eine mögliche Neuwahl wird daran leider nichts ändern, da die relevanten Parteien geistig noch in den 1930ern, 1950ern oder 1970ern leben.

Aus Sicht der Bevölkerung lässt sich festhalten, dass KI hierzulande mittlerweile so alltäglich wie Google-Suche geworden ist. 

Google Suchtrends Österreich 2024, ChatGPT vor Taylor Swift

Europa, der scheiternde Kontinent

Üblicherweise würde ich den Ausblick mit einer europäischen Perspektive abschließen – leider gibt es diese im Technologiebereich nicht. Jedem Durchbruch der letzten 20 Jahre wurde mit einer Kombination aus Skepsis, Pessimismus und Protektionismus begegnet. Darstellungen wie diese verstärken den Eindruck eines gescheiterten Kontinents – ein Narrativ, der mittlerweile das europäische Bild in den USA und Asien dominiert.

In Anbetracht der Sachlage macht es keinen Sinn, die EU und ihre Mitgliedstaaten in eine Diskussion über den Status Quo und zukünftige Entwicklungen von KI mit einzubeziehen. Eine Trendumkehr wird im KI-Bereich nicht mehr passieren können, dazu sind die Versäumnisse mittlerweile zu zahlreich und der Rückstand in Bereichen wie Infrastruktur, Kapitalmarkt und Skilled Migration zu groß. 

Anstatt sich für Steuergeldverschwendung wie Gaia-X oder Regulierung wie den AI Act selbst auf die Schulter zu klopfen, muss das Augenmerk auf die nächste Generation von Unternehmen gelegt werden – Startups. Das Zeitfenster hierfür schließt sich: Wenn es uns Europäern nicht binnen der nächsten fünf Jahre gelingt, Gründen in Europa attraktiver und erfolgreicher zu machen, wird die Erzählung von einem reichen Europa für nachfolgende Generationen ebenso unglaublich sein wie von einem österreichischen Imperium. 

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