27.08.2024
STARTUP POLITIK

Wirtschaftsminister Kocher spricht sich für Dachfonds aus – in der nächsten Regierung

Wirtschaftsminister Martin Kocher präsentierte am European Forum Alpbach (EFA) eine Bilanz seiner Startup-Politik - angefangen von der neu geschaffenen Mitarbeiterbeteiligung bis hin zur Flexiblen Kapitalgesellschaft (FlexKapG). Und spricht über Maßnahmen seiner Startup-Politik, die nicht umgesetzt wurden.
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(c) Viktoria Waba / brutkasten

Die Forderung nach der Schaffung eines Dachfonds für institutionelle Investoren, der auf die Stärkung des Kapitalmarkts für Startups abzielt, ist keineswegs neu. Seit Jahren wird in der Startup-Politik darüber diskutiert. Erst Ende Juni präsentierten invest.austria, AustrianStartups, die Junge Wirtschaft und StartupNOW ihre Vision 2030. Darin enthalten ist die altbekannte Forderung nach einem Dachfonds. In diesem soll Kapital unter anderem von Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen und Banken gebündelt werden. Vorbild soll ein vergleichbarer Dachfonds aus Dänemark sein, der seit 1992 in rund 7.900 Unternehmen investiert hat (brutkasten berichtete).

Kocher spricht sich für Dachfonds aus

Von Seiten der Politik kam es jedoch bislang nicht zur Umsetzung eines derartigen Dachfonds. Nun greift Wirtschaftsminister Martin Kocher kurz vor der Wahl am 29. September und seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung – er wechselt in die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – das Thema auf. Am European Forum Alpbach sprach er sich vor einer Runde an Journalisten – darunter auch brutkasten – für die Schaffung eines Dachfonds aus. Dieser sollte seiner Meinung nach über ein Fondsvolumen in Höhe von 500 Millionen Euro bis einer Milliarde verfügen.

Auf die Frage, warum die Forderung nicht in der Legislaturperiode umgesetzt wurde antwortet Kocher: “Es wäre ein Paket gewesen, das einfach nicht zustande gekommen ist, weil wir auf die flexible Kapitalgesellschaft konzentriert haben. Und das hat ziemlich lange gedauert, bis alles gepasst hat.”

Die Bereitschaft von Seiten des Koalitionspartners hätte es – im Gegensatz zum Beteiligungsfreibetrag – dafür gegeben. “Es gab mit dem Koalitionspartner, was den Beteiligungsbeitrag betrifft, unterschiedliche Auffassungen, da gab es einfach keine Mehrheit dafür”, so Kocher. Die Einführung eines Beteiligungsfreibetrags ist auch eine Maßnahme, die er der nächsten Regierung ans Herz legen würde.

Wie sollte der Fonds ausgestaltet sein

Im Gespräch mit brutkasten machte Kocher auch Aussagen zu einer möglichen Ausgestaltung eines Dachfonds. So sollte die öffentliche Hand den institutionellen Rahmen bereitstellen, während die private Seite das Kapital beisteuert. Denkbar wären darüber hinaus auch Garantie-Elemente, sodass insgesamt bei Verlusten die öffentliche Hand einen bestimmten Anteil ersetzt.

Die genaue Ausgestaltung des Rot-Weiß-Rot-Fonds müsste laut Kocher noch Gegenstand tiefergehender Gespräche sein. Der Vorschlag sieht jedoch vor, dass der Dachfonds in Venture Capital-Fonds investiert, die wiederum in Startups investieren – angelehnt an das Modell Fund of Funds.

Für die Ansiedlung des Fonds könnte sich Kocher beispielsweise die Förderbank des Bundes Austria Wirtschaftsservice (aws) vorstellen, wobei der Fonds von professionellen Fondsmanagern verwaltet werden sollte. “Es muss in einem öffentlichen Bereich sein, weil es eine gewisse öffentliche Kontrolle braucht, aber natürlich nicht direkt in einem Ministerium”, so Kocher.

Auf die Frage, wie realistisch die Umsetzung in einer neuen Regierung sei antwortet Kocher: “Ich gehe auch davon aus, dass in einer neuen Regierung, egal wie sie zusammengesetzt ist, die Argumente für einen Rot-Weiß-Rot-Fonds eigentlich überzeugend sein sollten”

Mitarbeiterbeteiligung und Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG)

Zudem nahm Kocher auch Bezug zu Maßnahmen, die noch in seiner Legislaturperiode umgesetzt wurden – darunter die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG). So wurden mit 26. August bereits über 500 flexible Kapitalgesellschaften ins Firmenbuch eingetragen. Da die Gründung erst seit Jahresbeginn 2024 möglich ist, entspricht dies laut Kocher im Schnitt über zwei Gründungen pro Tag. Zudem sind derzeit ungefähr zehn Prozent aller Gesellschaften, die in Österreich gegründet werden, flexible Kapitalgesellschaften. Bei Startups sind es hingegen 90 Prozent aller Gründungen.

“Ich gehe davon aus, dass sie künftig noch mehr an Zuspruch finden wird, weil sie eigentlich fast alles abdeckt, was eine GmbH auch abdeckt, aber noch zusätzliche Möglichkeiten bietet für die Gründerinnen und Gründer”, so Kocher.

Eine dieser Möglichkeiten ist die Mitarbeiterbeteiligung. Hier gab es in der Vergangenheit in der Startup-Szene Kritik an der festgelegten Grenze von 100 Mitarbeiter:innen. Sie schließt aktuell sehr viele Scaleups von den neu geschaffen Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung aus. Dazu hält der Wirtschaftsminister fest: “Das war natürlich ein Diskussionsprozess. Wir wollten zunächst sehen, wie das funktioniert.” Und merkt an: “Wir werden das auf jeden Fall evaluieren. Aber persönlich bin ich der Meinung, dass es durchaus eine höhere Grenze geben könnte.”

Wirtschaftsminister Martin Kocher über die Bilanz seiner Startup-Politik im brutkasten Talk am European Forum Alpbach

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Grafiken zur Startup Entwicklung Österreich
Eigene Grafiken, Karte Rechts (c) ASM
mit Visuals

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Es ist das Jahr 2014, brutkasten wurde soeben gegründet. Im September launcht Bitpanda, damals noch unter dem Namen Coinimal, Runtastic bringt ein Fitnessarmband auf den Markt und Shpock steht kurz vor der Übernahme durch den norwegischen Medienkonzern Schibsted. Die Startup-Szene boomt.

Das alles ist heute zehn Jahre her. Eine lange Zeit, in der in der österreichischen Startup-Szene einiges passiert ist – Erfolgsstorys von großen Exits werden geschrieben, Investor:innen stecken Millionenbeträge in junge Unternehmen, staatliche Gesellschaften wie die FFG vergeben jährlich 100 Millionen Euro für Projekte von Startups. Aber auch Krisen wie die Covid-19-Pandemie erschütterten die Wirtschaft – immer wieder werden Startups insolvent.

All diese Veränderungen versucht der Austrian Startup Monitor (ASM) festzuhalten, hinter dem das Austrian Institute of Technology (AIT) steht. Durch jährliche Umfragen erhebt die Forschungseinrichtung wichtige Daten, die einen Überblick über die Welt der Startups liefern. Diese Daten wurden brutkasten exklusiv zur Verfügung gestellt. Wir haben uns an – gesehen, was sich in den letzten zehn Jahren in der österreichischen Startup-Szene verändert hat.

Gründungsland Österreich

Beginnen wir mit den Neugründungen. Insgesamt 277 Startups wurden 2014 – im Entstehungsjahr von brutkasten gegründet. Anschließend stieg die Anzahl der Gründungen jährlich, bis der Wert 2017 mit 379 Startups seinen bisherigen Höhepunkt erreichte.

Was die Daten des ASM ebenfalls zeigen, ist ein kleiner Rückgang im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie. Doch die Startup-Szene erholt sich schnell, bereits 2021 befinden sich die Neugründungen wieder auf Vorkrisenniveau. Aufgrund der vom AIT ausgewählten Suchstrategien, scheinen neu gegründete Startups erst mit einer zeitlichen Verzögerung bis zu zwei Jahren in den Daten auf. Doch für 2022 bis heute wird, ähnlich der Werte aus Deutschland, eine stabile Anzahl an Neugründungen erwartet  – wenn auch mit einem leichten Rückgang.

Investments: Mehr Deals, Gesamtsumme aber zuletzt rückläufig

Dass Startups über die Jahre vor allem wirtschaftlich immer relevanter werden, zeigen auch die Daten des jährlich erscheinenden EY Start-up-Barometer. Die Studie verrät, dass die Anzahl der Investments für österreichische Startups im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreicht hat. Noch nie zuvor wurden so viele Deals abgeschlossen.

Hier lohnt sich jedoch der Blick auf die Gesamtsumme der Investments. Denn 2023 waren die Investmentbeträge zum zweiten Mal rückläufig. Wie die Daten von EY zeigen, wurden 2023 zwar weit mehr Investments abgeschlossen als jemals zuvor, allerdings gab es keinen einzigen Großdeal im Umfang über 100 Millionen Euro.

2021 war die Anzahl an Investments zwar noch um einiges niedriger als 2023, allerdings katapultierte die Anzahl an Großdeals - wie etwa jene von Bitpanda oder GoStudent - die Summe in eine noch nie da gewesene Höhe. Über 1,2 Milliarden Euro wurde damals in Startups investiert  – mehr als die Hälfte davon alleine durch Großdeals.

Startups werden immer höher bewertet

Neben der Anzahl an Investments steigt auch die Bewertungen der Startups kontinuierlich. Aus den Daten des ASM geht hervor, dass die Investor:innen 2019 noch den Großteil der Startups mit weniger als 2,5 Millionen Euro bewertet haben. Doch bereits im Jahr darauf hat sich alles geändert: Mehr als die Hälfte der Startups erhielt eine Bewertung über dem Schwellwert. 

Seitdem sind die Bewertungen jährlich gestiegen. Im vergangenen Jahr kamen 44 Prozent der heimischen Startups auf eine Bewertung von mehr als fünf Millionen Euro  –  so hoch war der Wert noch nie. Einige Startups haben Bewertungen von über 100 Millionen Euro erreicht.

Startup-Gründung: eine Frage des Geldes

Insgesamt steigt zwar die Anzahl der Investments und auch die Bewertungen. Doch auf welche Finanzierungsformen setzen österreichische Startups überhaupt in welchem Ausmaß?

Die Daten zeigen: Bootstrapping bleibt nach wie vor häufigste Finanzierungsform. Zwei von drei Founder:innen finanzieren ihr Startup aus eigenen Mitteln. Allerdings ist der prozentuale Anteil an eigenfinanzierten Startups seit 2018 stark zurückgegangen. Vor sechs Jahren wurden noch 81 Prozent der Startups gebootstrappt - letztes Jahr waren es nur noch 66 Prozent.

Auch hier zeigt sich, dass öffentliche Förderungen aktuell wieder häufiger werden. Rund die Hälfte der Startups erhielt nationale Unterstützungen. Auch gaben mehr als ein Viertel der Startups an, sich aus dem Cashflow zu finanzieren. Daneben hat gut jedes vierte Startup einen Business Angel hinter sich. Hingegen spielen Finanzierungsmethoden wie Crowdfunding nur mehr eine sehr geringe eine Rolle.

Beliebte Branchen

Vor zehn Jahren war Künstliche Intelligenz noch weitaus weniger verbreitet als heute. Doch die Grundsteine waren bereits gelegt. Aus den Fortschritten im maschinellen Lernen gingen die ersten Pioniere hervor: 2014 übernahm Google das Startup DeepMind und bald danach wurde auch OpenAI gegründet - das Unternehmen hinter der beliebtesten KI ChatGPT. Es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis KI auch die österreichische Startup-Szene umkrempelt.

Was aus der Grafik hervorgeht ist, dass IT & Software prozentual gesehen nach wie vor die dominierende Branche bleibt. Startups in der Branche der Life Sciences bekamen in den vergangenen Jahren starken Zuwachs. Ein Rückgang hingegen gab es bei den Anteilen an Hardware-Startups. Sie verlieren über die Jahre immer mehr an Bedeutung – verhältnismäßig setzen sich auch immer weniger Jungunternehmen in der industriellen Technologie an.

Dass Life-Science-Startups beliebter werden, zeigt sich auch bei den Gründungsformen. Akademische Startups, also Unternehmen, die als Spin-Off an einer Universität oder an einer Fachhochschule entstanden sind, machen heute knapp ein Viertel aller Gründungen aus. Aber dennoch: Mehr als jedes zweite Startup wird weiterhin unabhängig gegründet.

Frauen in den Gründungen

Auch der Frauenanteil in den Gründungsteams verändert sich. Nach den Daten des ASM waren vor sechs Jahren nur rund zwölf Prozent der Gründer:innen Frauen, während insgesamt 29 Prozent der österreichischen Gründungsteams zumindest eine Frau im Team hatten.

Bis 2022 stieg der Frauenanteil in den Gründungsteams auf rund 39 Prozent, bevor er vergangenes  Jahr wieder leicht zurückging. Der Anteil der Gründerinnen insgesamt hat sich bei etwa 17 Prozent eingependelt – auch dieser Wert ist leicht rückläufig.

Startups-Teams wachsen

Anhand der Anzahl der Mitarbeiter:innen zeigt sich: Startups wachsen. Vor sechs Jahren, also 2018, waren durchschnittlich 8,2 Mitarbeitende pro Startups angestellt. Nur drei Jahre später, 2021, waren es mit 12,3 Mitarbeiter:innen bereits um die Hälfte mehr. Auch im vergangenen Jahr waren durchschnittlich wieder 12,3 Mitarbeitende pro Startup angestellt.

In welchen Bereichen werden Mitarbeitenden eingesetzt? Am meisten gefragt ist nach wie vor IT und Softwareentwicklung. Jährlich gaben mehr als 40 Prozent der heimischen Startups an, dass sie hierbei Probleme in der Besetzung haben – 2022 war es sogar die Hälfte aller Startups.

Auch Positionen im Sales und in der Produktentwicklung sind gefragt – mehr als ein Viertel der Startups sucht ergiebig nach Angestellten.

Finanzielle Realität

Doch wie viel Umsatz machen die Startups am Ende des Jahres wirklich? Die Antwort wirkt etwas ernüchternd: Nach wie vor geben etwas mehr als ein Viertel der heimischen Startups an, keinen Umsatz zu machen. Ein weiteres Viertel hingegen äußert, dass sie einen Umsatz bis 50.000 Euro hatten – auch dieser Wert bleibt über die Jahre unverändert.

Immerhin kann die andere Hälfte von sich behaupten, einen Umsatz zu erwirtschaften, der darüber liegt. Nicht nur das, auch gibt mehr als jedes zehnte Startup an, bereits einen Umsatz über einer Million Euro zu haben.

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Die Daten, die wir für diesen Artikel verwenden, wurden dem brutkasten vom Austrian Startup Monitoring (ASM) zur Verfügung gestellt, sowie vom EY Start-up Investment Barometer Österreich 2023 abgerufen. Das ASM wird vom Austrian Institute of Technology (AIT) an der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt. Jährlich befragt die Forschungseinrichtung die österreichische Startup-Szene empirisch. https://austrianstartupmonitor.at/


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