24.05.2019

China, Schulden, niedrige Zinsen: Experten befürchten die nächste Wirtschaftskrise

Auf der 17. Country Risk Conference von Coface haben Experten die größten Risikofaktoren unserer Zeit skizziert: Sie reichen vom Handelskrieg zwischen China und USA bis zur aktuellen Geldpolitik.
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Schellhorn China USA
(c) fotolia / Mike Mareen

“China ist die größte Blase, die die Weltwirtschaft je gesehen hat”, sagt der auch als “Mister Dax” bekannte Börsenanalyst und Buchautor Dirk Müller auf der 17. Country Risk Conference von Coface Österreich: Die geplante neue Seidenstraße sei ein “einmaliges Infrastrukturprojekt”. Den Handelskrieg zwischen den Mächten USA und China sieht Müller als das Hauptthema für die Weltwirtschaft.

Müller kritisiert die passive Rolle Europas: “Europa guckt und schaut, was passiert”, sagt er. US-Präsident Trump dagegen sei als einziger im “Driver Seat”, so Müller, denn “niemand weiß, was er macht”. Müllers Fazit: Mit einem “Machtbeben” nähert sich die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten.

Niedrige Zinsen entwerten Vermögen

Franz Schellhorn, Leiter des Thinktanks Agenda Austria, steht der wirtschaftlichen Zukunft Europas ebenfalls kritisch gegenüber – allerdings stellt aus seiner Sicht vor allem die aktuelle Geldpolitik ein Problem dar. “Die Schuldenstände steigen bei Staaten, aber auch bei Unternehmen und Privatpersonen”, sagt er: Regierungen borgen sich Geld quasi zum Nulltarif und treiben so die Staatsverschuldung in die Höhe, die Banken-Bilanzen sind europaweit wieder aufgebläht: Eine neue Finanzkrise steht laut Schellhorn somit bevor. Hinzu kommt: Die niedrigen Zinsen sind laut Schellhorn “die Vermögenssteuer der kleinen Leute”, zumal dadurch die Zinserträge der Sprabücher im besten Fall gerade mal die Inflation ausgleichen.

Das Problem der Verschuldung trifft laut Schellhorn nicht nur auf die südlichen EU-Länder, sondern auch auf Österreich zu: Die Regierung spekuliere darauf, dass die Zinsen niedrig bleiben, und auch im vergangenen Jahr habe der Staat Schulden gemacht, obwohl die Wirtschaftslage gut war. “Jedes Jahr gibt der Staat 20 Milliarden Euro mehr für Pensionisten aus, als die Aktiven einzahlen”, sagt Schellhorn.

Grzegorz Sielewicz, Coface Ökonom für Zentral- und Osteuropa, betont ebenfalls, dass die Zahl der Insolvenzen deutlich zunimmt: “Wir sehen 2019 wesentlich mehr Risiken als noch in den Jahren 2017 und 2018”, betont der Experte und warnt ähnlich wie Müller vor dem Protektionismus und dem Schwächeln der dominierenden Ökonomien in den USA, der Eurozone und China.

Digitale Disruption als Lösung?

Laut Schellhorn hofft der Staat auf eine Produktivitätsexplosion durch die Digitalisierung – es sei jedoch mehr als fraglich, ob diese in der EU oder gar in Österreich stattfinde. Das zeige sich unter anderem daran, dass Uber als digitaler Feind der hiesigen Wirtschaft stilisiert wird, anstatt dass man selber globale Tech-Marktführer schafft.

Die Politik, so Schellhorn, muss sich von einem sicherheitsorientierten zu einem innovationsfördernden Ansatz bewegen. Und auch der Staat selbst muss die Digitalisierung aktiver angehen: Als Vorbild nennt Schellhorn Estland.

Andere Generationen – andere Jobs

Immer wieder gibt es Bedenken, was mit den Arbeitsplätzen passiert, wenn die Arbeit von Software und Robotern erledigt wird. “Wenn man diese Frage früher so gestellt hätte, wäre die industrielle Revolution nie in Österreich angekommen”, sagt Schellhorn. Derartige Veränderungen gehen nicht von heute auf morgen, sondern brauchen Zeit, wodurch sich die Menschen entsprechend an die Veränderungen anpassen können. Junge Menschen, die nun am Anfang ihres Berufslebens stehen, werden im Lauf ihrer Karriere mindestens drei unterschiedliche Jobs machen.

Eine ähnliche Sichtweise hat der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset, der ebenfalls auf dem Symposium eine Keynote hielt. “Noch nie war der Abstand zwischen den Generationen größer als heute”, sagt der Philosoph. Die heute 20-jährigen seien projektorientiert. “Die Zukunft besteht nur noch aus Projekten. Projekte sind die neuen Chefs.” Indset fordert, mutig neue Fragen zu stellen, denn “wir brauchen ein ‚Why‘ im Leben”.

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Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec
Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec

Der Marketed Innovation Prize, verliehen von EIT Food, wählt Startups aus der Lebensmittelbranche aus, die „den Übergang zu einem gesünderen und nachhaltigeren Lebensmittelsystem unterstützen“. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 55.000 Euro vergeben. EIT Food wird vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) gefördert, einer Einrichtung der Europäischen Union.

Eines der ausgezeichneten Startups ist das niederösterreichische Unternehmen Kern Tec. Es verwandelt Obstkerne, die normalerweise als Abfall gelten, in hochwertige Zutaten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Diese finden zudem auch Anwendung in kosmetischen und industriellen Produkten.

Kern Tec: “Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission”

Luca Fichtinger, Co-Gründer von Kern Tec, freut sich gemeinsam mit seinem Team über den Marketed Innovation Prize. Er sagt: „Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission, Lebensmittelabfälle in wertvolle, nachhaltige Produkte umzuwandeln. Indem wir Aprikosenkerne zu nahrhaften Snacks aufwerten, wollen wir Abfälle reduzieren und gleichzeitig ein zirkuläreres und nachhaltigeres Lebensmittelsystem fördern. Dieser Preis bestätigt nicht nur unsere Bemühungen, sondern inspiriert uns auch, weiterhin innovative und skalierbare Lösungen zu entwickeln, die zu einem besseren Lebensmittelsystem für alle beitragen“.

Preise für “innovative Lebensmittel-Startups”

Insgesamt vergab EIT Food acht Preise an europäische Startups im Bereich Lebensmittelinnovationen. Mit dem Preis sollen „innovative und einflussreiche Agrar- und Lebensmittel-Startups“ ausgezeichnet werden, die „wirkungsvolle Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt” brachten, wie die Organisation erklärt.

„Diese Gewinner des Marketed Innovation Prize führen den Wandel in unserem gesamten Lebensmittelsystem an, von der Förderung der Proteindiversifizierung bis hin zur Entwicklung KI-gestützter landwirtschaftlicher Lösungen. Sie bieten den Verbrauchern spannende, gesündere Alternativen und geben Lebensmittelproduzenten innovative und nachhaltige Techniken an die Hand, um Effizienz und Produktivität zu steigern“, betont Richard Zaltzman, CEO von EIT Food.

2023: Kern Tec erhielt Investment von 12 Mio. Euro

Kern Tec rund um Gründer-Team Michael Beitl, Luca Fichtinger, Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither startete 2019 mit einer Technologie, um Öle und Proteine aus Obstkernen zu gewinnen. Dabei verwendete man Obstkerne von Marillen, Kirschen und Zwetschken – typische Abfallprodukte der heimischen Obstindustrie. Inzwischen brachte das Startup pflanzliche Alternativen von Milch, Joghurt, Eis und Käse auf Basis von Obstkernen auf den Markt.

Im vergangenen Jahr sicherte sich Kern Tec in einer Series-A-Finanzierungsrunde ein Investment von 12 Millionen Euro – brutkasten berichtete. Die Finanzierungsrunde wurde von Telos Impact angeführt, mit Beteiligung des PeakBridge Growth 2 Fonds und des European Innovation Council (EIC) Fonds. Mit diesem Kapital plante das Unternehmen, international zu expandieren und seine Produktpalette weiter auszubauen.

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