22.11.2023

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales spricht im brutkasten-Interview am Web Sumimt über seine Beziehung zu Elon Musk, die Finanzierung von Wikipedia und warum er ChatGPT nicht als zuverlässige Quelle sieht.
/artikel/wikipedia-interview-jimmy-wales
Jimmy Wales im brutkasten-Interview am Web Summit | (c) Martin Pacher / brutkasten

Mitte Oktober sorgte Elon Musk mit einer Aussage zu Wikipedia für Aufsehen. Über seinen Kurznachrichtendienst X verkündete der Tech-Milliardär, die Online-Enzyklopädie kaufen zu wollen. Er würde dafür eine Milliarde US-Dollar bieten und die Plattform in “Dickipedia” umbenennen. Unter anderem kritisierte Musk die seiner Meinung nach “hierarchische Struktur” von Wikipedia. Während das Kaufangebot von Elon Musk eher als Witz zu verstehen ist, stellt sich dennoch die Frage, wie Wikipedia seine Unabhängigkeit absichert. Mehr darüber hat uns Gründer Jimmy Wales im Interview am Web Summit erzählt.

Unter anderem spricht Wales im Interview auch über den Einsatz von ChatGPT, KI-Regulierung und warum er trotz der Kontroverse rund Web-Summit-Mitgründer Paddy Cosgrave an der Tech-Konferenz teilgenommen hat. Nach Cosgraves Isreal-Kritik boykottierten zahlreiche große Firmen, wie Amazon oder Google, den Web Summit. Cosgrave kündigte darauf seinen Rücktritt als Geschäftsführer an. Ihm folgte Katherine Maher als CEO nach.


Im Zuge des Web Summit haben Sie erwähnt, dass ChatGPT und andere Wettbewerber keine zuverlässige Quelle sind. Was ist ihr Hauptkritikpunkt?

Fachleute bezeichnen das Problem auch als Halluzinationen. Die Fehlerquote ist einfach inakzeptabel hoch. Das gilt insbesondere für Bereiche, die mehrdeutig sind. Solange sich die Technologie nicht stark verbessert, ist sie für viele Anwendungsfälle ziemlich problematisch. 

Was müsste getan werden, dass es sich künftig um eine sichere Informationsquelle handelt?

Eines der Dinge, an denen gearbeitet werden muss, ist das sogenannte “Grounding” von Information. Mit anderen Worten: das Zitieren von Quellen. Leute müssen überprüfen können, ob das, was gesagt wird, richtig ist. Das Problem ist allerdings ziemlich komplex. Large Language Models (LLMs) sind Wahrscheinlichkeitsmodelle, die auf Vorhersagen beruhen. Sie haben im Prinzip kein konzeptionelles Verständnis. Die Modelle wissen nicht einmal, woher die statistischen Daten stammen. In der großen Berechnung geraten diese durcheinander. Das ist eine große Herausforderung. Es wird daran gearbeitet. Ich vermute, dass es noch eine Weile dauern wird, bis sie es richtig hinbekommen.

Könnte es in naher Zukunft sein, dass große Sprachmodelle auch Wikipedia verbessern können? 

Natürlich beschäftigen wir uns auch mit LLMs und der Frage, wie derartige Modelle die Arbeit unserer Community unterstützen können. Dazu zählt beispielsweise die Suche nach Aussagen in Wikipedia, die nicht mit der Quelle übereinstimmen, mit der sie verlinkt sind. Ein derartiger Einsatz könnte für unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr nützlich sein, um problematische Aussagen zu finden. Es gibt wirklich einige interessante Anwendungsfälle. Es geht allerdings nicht darum, dass Chat-GPT Wikipedia-Einträge schreibt.

Wenn es um die Regulierung von KI geht. Welche ethischen Richtlinien sollten aus Ihrer Sicht beachtet werden und wo liegen hier die Herausforderungen? 

Das ist wirklich ein schwieriges Thema. Niemand weiß derzeit wirklich, wie eine derartige Regulierung künftig aussehen könnte. Am Ende des Tages sind die Menschen verantwortlich, die KI einsetzen. Das trifft nicht nur auf LLMs, sondern auch auf KI-Entscheidungsmodelle zu. Das umfasst beispielsweise den Einsatz von KI zur Kreditvergabe. Wir können nicht einfach sagen, dass nur die KI dafür verantwortlich ist. Im Prinzip haben wir aber bereits Vorschriften. So ist beispielsweise eine Diskriminierung bei der Kreditvergabe in den meisten Ländern illegal. Der Einsatz von KI enthebt uns nicht von bestehenden Verpflichtungen. Eine Regulierung der KI-Modelle ist daher nicht wirklich sinnvoll. Vielmehr müssten menschliche Entscheidungen reguliert werden, die getroffen werden, nachdem das Modell eine Empfehlung ausgesprochen hat. Wir sollten daher nicht zu viel Panikmache betreiben. Vielfach gibt es ja bereits eine Regulierung.

Sie haben auch erwähnt, dass Sie froh sind, dass große Sprachmodelle Wikipedia lesen und nicht Twitter. Zudem hat Elon Musk mit kontroversen Aussagen zum Kauf von Wikipedia für Aufsehen gesorgt. Was vermuten Sie dahinter? 

Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben (lacht). Ich stehe einigen Entscheidungen, die er bei Twitter getroffen hat, kritisch gegenüber. Kürzlich habe ich zum Beispiel einen Tweet mit einem blauen Häkchen von jemandem gesehen, der behauptete, er sei ein Al Jazeera-Journalist. Letztendlich war er es aber nicht. Es handelte sich um einen gefälschten Account, wobei falsche Informationen verbreitet wurde. Wir können auf Twitter nicht mehr erkennen, wer von einer seriösen Nachrichtenorganisation ist und wer nicht. Früher war das ziemlich einfach. Und jetzt bedeutet das blaue Häkchen nichts mehr.

Hatten Sie jemals einen persönlichen Austausch mit Elon Musk zu diesem Thema?

Ja, ich war persönlich in Kontakt mit ihm. Und er hat mir nicht zugestimmt.

Wie sehen Sie die Aussage von Elon Musk, Wikipedia kaufen zu wollen? 

Wir sind eine Wohltätigkeitsorganisation. Wir stehen also nicht zum Verkauf. Niemand kann auch einfach so das Rote Kreuz kaufen. Das macht überhaupt keinen Sinn. Wir machen uns also keine großen Sorgen. Auf Vorstandsebene schmunzeln wir daher eher über Elons Aussagen.

Und wie stellen Sie sicher, dass Wikipedia auch in Zukunft eine gemeinnützige Organisation bleibt?

Wikipedia ist rechtlich als Wohltätigkeitsorganisation abgesichert. Deshalb gibt es auch keine Eigentümer. Selbst wenn Elon fünf Milliarden Dollar bietet, würde der Vorstand nichts von dem Geld bekommen. Warum sollten sie daher einem Kauf zustimmen? Das macht überhaupt keinen Sinn. Es gibt daher auch keine Chance, dass so etwas passiert. 

Es gibt aber Versuche von Regierungen, Einfluss auf Wikipedia zu nehmen. 

Wir hatten das schon immer. In China sind wir bereits seit langer Zeit blockiert. Auch in der Türkei waren wir für eine Weile blockiert. Wir haben uns aber vor Gericht dagegen gewehrt. Wir haben unsere Unabhängigkeit immer hartnäckig verteidigt. Wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Wissen ein grundlegendes Menschenrecht ist. Gleiches gilt für die Schaffung von Wissen. Wir verteidigen diese Werte sehr stark in der Öffentlichkeit, in der Politik und wenn nötig auch vor Gerichten. Über eine Einflussnahme mache ich mir daher keine allzu großen Sorgen. Mich sorgen eher autoritären Regierungen, die Kontrolle über Medien erlangen wollen. Die Türkei ist dafür ein gutes Beispiel.

Wie viel geben Sie mit Wikipedia für Anwälte aus, um diese Unabhängigkeit zu erhalten?

Das weiß ich nicht. Ich bin sicher, es steht in unseren Finanzberichten. Im Prinzip ist es aber kein großer Betrag. Natürlich sind wir am Ende des Tages kein Multi-Milliarden-Technologieriese. Wir sind eine Wohltätigkeitsorganisation mit rund 100 Millionen Umsatz. Wir haben also keine großen Teams von Lobbyisten, die in jedem Land der Welt sitzen. Deshalb haben wir oft das Gefühl, dass unsere Stimme nicht gehört wird. Wir repräsentieren ein gemeinschaftsbasiertes und faktenbasiertes Modell des Internets. 

Auch Wikipedia muss sich finanzieren. Was sind im Moment die größten Herausforderungen?

Wir sind finanziell in einer guten Position. Dennoch müssen wir die Beschaffung finanzieller Mittel immer sehr ernst nehmen, aber wir führen die Organisation finanziell sehr vorsichtig. Wir haben auch einen völlig separaten Stiftungsfonds, der eine eigene Wohltätigkeitsorganisation ist. Ich gehöre dem Vorstand von beiden an. Dieser Stiftungsfonds verfolgt die langfristige Absicherung von Wikipedia. Der Stiftungsfonds hat gerade mit der Vergabe von Zuschüssen begonnen. Dabei geht es um langfristige Projekte, die wir im Tagesgeschäft vielleicht nicht verfolgen können. Ein Beispiel ist maschinelles Lernen. In derartige Technologien investieren wir besser frühzeitig.

Könnte Chat-GPT auch eine Bedrohung für die Finanzierung von Wikipedia sein?

Nein, das glaube ich nicht. Es ist einfach nicht gut genug. Ich meine, die Leute lieben Wikipedia.

Zahlreiche Speaker und Sponsoren haben den Web Summit aufgrund der Aussagen von Paddy Cosgrave boykottiert. Warum haben Sie sich entschlossen, dennoch als Speaker teilzunehmen?

Ursprünglich stand ich nicht auf dem Programm. Über den Rücktritt von Paddy Cosgrave habe ich nur in den Nachrichten gelesen. Ihm folgte Katherine Maher als neue Geschäftsführerin nach, die früher auch Geschäftsführerin bei Wikipedia war. Sie ist also eine alte Freundin von mir. Nach ihrer Bestellung zur neuen Geschäftsführerin des Web Summit hat sie mich sofort angerufen. Katherine fragte mich, ob ich als Speaker auftreten möchte, da andere Speaker abgesagt haben. Persönlich halte ich den Web Summit für sehr wichtig. Ich denke Paddy hat mit seinem Rücktritt das Richtige getan.


Tipp der Redaktion

Neben Wikipedia-Gründer Jimmy Wales haben wir am Web Summit auch zahlreiche österreichische Gründer:innen zum Interview getroffen. Unter anderem haben wir uns mit den beiden Startups Glasskube und Surface Solutions über ihre Teilnahme an der Pitching-Competition unterhalten. Zudem haben wir nützliche Tipps eingeholt, wie Gründer:innen am Web Summit Fundraising betrieben, Sales-Leads generieren und vor Ort Großaufträge umsetzen.

*Disclaimer: Die Reise zum Web Summit fand auf Einladung der WKO statt.

Deine ungelesenen Artikel:
19.11.2024

Ex-Rolls-Royce-Direktor wird neuer CEO bei CycloTech

Das Linzer Startup CycloTech gab am Dienstagmorgen einen Wechsel an der Unternehmensspitze bekannt: Marcus Bauer, ehemaliger Direktor bei Rolls-Royce, wird ab dem 1. Dezember dieses Jahres die Position des Chief Executive Officers (CEO) übernehmen. Er tritt damit die Nachfolge von Hans-Georg Kinsky an.
/artikel/ex-rolls-royce-direktor-wird-neuer-ceo-bei-cyclotech
19.11.2024

Ex-Rolls-Royce-Direktor wird neuer CEO bei CycloTech

Das Linzer Startup CycloTech gab am Dienstagmorgen einen Wechsel an der Unternehmensspitze bekannt: Marcus Bauer, ehemaliger Direktor bei Rolls-Royce, wird ab dem 1. Dezember dieses Jahres die Position des Chief Executive Officers (CEO) übernehmen. Er tritt damit die Nachfolge von Hans-Georg Kinsky an.
/artikel/ex-rolls-royce-direktor-wird-neuer-ceo-bei-cyclotech
Neuer CEO bei CycloTech: Marcus Bauer (c) CycloTech

Mit Vorfreude blickt Bauer auf seine neue Aufgabe: „CycloTech ist für mich ein Unternehmen mit beispielloser Innovationskraft. Die CycloRotor-Technologie bietet Möglichkeiten, die die Luftfahrt nachhaltig verändern werden“. Der neue CEO freue sich darauf, „gemeinsam mit dem Team an dieser spannenden Zukunft zu arbeiten, die Entwicklung neuer elektrischer Antriebe voranzutreiben und die Luftmobilität zu revolutionieren“.

Neuer CEO besitzt “Innovationsgeist”

Der künftige CEO Marcus Bauer bringt über 20 Jahre Erfahrung in Führungspositionen mit. Zuvor war er unter anderem bei internationalen Unternehmen wie Airbus, Siemens und Rolls-Royce tätig. Laut Presseaussendung begleitete er in seiner Karriere bereits „zahlreiche technologische Durchbrüche“.

Mit seinem „technischen Know-how“, seiner „strategischen Führungsstärke“ und seinem „Innovationsgeist“ gilt Bauer als ideale Besetzung für die CEO-Position. Seine Aufgabe wird es sein, CycloTech in der Wachstumsphase zu unterstützen und das Unternehmen zu einem bedeutenden Akteur in der Luftfahrtindustrie zu entwickeln.

Kinsky bleibt trotz Rücktritt im Unternehmen

Nach sieben Jahren im Unternehmen übergibt Hans-Georg Kinsky nun seine Position als CEO. Stolz blickt er auf den Erfolg der letzten Jahre zurück: „Die Entwicklung der CycloRotor-Technologie war eine faszinierende Reise, und ich bin dankbar für die engagierte Zusammenarbeit unseres Teams. Mit Dr. Marcus Bauer als neuem CEO sind wir bestens aufgestellt, um unsere Vision einer nachhaltigen, elektrischen Luftmobilität weiter zu realisieren“.

Im Jahr 2016 übernahm Kinsky als Gesellschaftervertreter die Rolle als CEO. Unter seiner Leitung entwickelte sich CycloTech zu einem bedeutenden Anbieter von Antriebssystemen für die Luftfahrt. Nach seinem Rücktritt bleibt er dem Unternehmen als Beiratsmitglied erhalten.

CycloTech entwickelte Modell für fliegende Autos

Das Linzer Startup CycloTech bezeichnet sich selbst als weltweit führendes Unternehmen für Antriebssysteme in der Luftfahrt, die auf dem Voith-Schneider-Prinzip basieren. Es entwickelte ein elektrisch betriebenes 360°-Schubvektor-Antriebssystem. Dabei ermöglichen elektrisch angetriebene CycloRotoren eine direkte Variation der Schubkraft in Größe und Richtung auf einer vollständigen Kreisbahn. Damit unterscheidet sich das System von herkömmlichen Flugzeugantrieben (Düsen, Propeller, Rotoren), die nur Schub in eine Richtung erzeugen können.

Erst Anfang November präsentierte CycloTech einen Prototypen eines Fluggeräts, den „BlackBird“ – brutkasten berichtete. Dieses Konzept soll zukünftig die Entwicklung fliegender Autos mit einem neuartigen Antriebssystem ermöglichen. Langfristig verfolgt das Unternehmen das Ziel, individuelle Luftmobilität in den Alltag zu integrieren.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Wikipedia-Gründer im Interview: “Elon Musk möchte oft einfach nur Spaß haben”