23.03.2022

Wiener Startup Orderlion will B2B-Lebensmittelmarkt vom Faxgerät erlösen

Orderlion digitalisiert die Lieferkette im Lebensmittelbereich und will dabei ganz anders agieren als Amazon.
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Stefan Strohmer und Patrick Schubert haben Orderlion 2017 gegründet © Orderlion
Stefan Strohmer und Patrick Schubert haben Orderlion 2017 gegründet © Orderlion

Wenn am Abend die letzten Gäste das Lokal verlassen, beginnt in vielen Restaurants ein für Außenstehende mitunter seltsam wirkender Prozess: Der Koch oder die Köchin greifen zum Telefonhörer und diktieren Lebensmittelbestellungen auf Anrufbeantworter. Das kann mitunter länger als eine Stunde dauern. Um zwei Uhr früh beginnt dann die Arbeit am anderen Ende der Leitung. Mehrere Stunden an Bestellungs-Diktaten werden abgehört, niedergeschrieben, zusammengesucht und verpackt. Dass in diesem Prozess manchmal auch gefaxt wird, wirkt da beinahe effizient. So beschreibt Stefan Strohmer im Talk mit dem brutkasten die Funktionsweise von B2B-Lebensmittelbestellungen. Mit seinem Startup Orderlion bietet er eine Software an, die das alles ersetzen soll: “Wir müssen quasi das Faxgerät digitalisieren”, erklärt er augenzwinkernd.

Warum Orderlion kein Marktplatz sein will

Ein digitales Verbindungsglied zwischen unterschiedlichen Teilnehmern eines Marktes herzustellen ist in der Startupszene ein beliebtes Modell: Marktplätze sind seit Jahren Lieblinge von Investoren – selbst für Schrott gibt es mehrere konkurrierende Marketplace-Startups. Auch im B2B-Lebensmittelmarkt wäre es verlockend, sich als allumfassender Marktplatz zu positionieren, so Strohmer. Hier sehe sich Orderlion allerdings nicht. “Wir glauben, dass das ähnlich wie bei Amazon für viele Unternehmen existenzbedrohend ist und auch die Produktvielfalt einschränkt. Deshalb wollen wir Systeme zur Verfügung stellen, die jeder einsetzen kann – selbst jeder noch so kleine Obst- und Gemüsehändler soll sagen können: bestell bei mir per App”, erklärt der Gründer, der Orderlion lieber mit Shopify als mit Amazon vergleicht. Strohmer hatte Orderlion gemeinsam mit Patrick Schubert 2018 in Niederösterreich gegründet.

Orderlion wird als Software-as-a-Service angeboten und kann modular an die Bedürfnisse des Lieferanten angepasst werden. Je nach Unternehmensgröße fällt eine unterschiedlich hohe Monatsgebühr für die Nutzung an. Derzeit konzentriert sich das Startup auf den Gastrobereich, die Software sei aber auch für den klassischen Lebensmittelhandel gemacht. Das Team umfasst derzeit rund zehn Personen, könnte aber bald stark wachsen. Mit einem ersten Millionen-Euro-Investment von tecnet ist Orderlion bereits in vier Märkte expandiert und will noch heuer zum Sprung in die USA ansetzen und dafür wieder frisches Kapital bei Investoren einsammeln.

Internationalisierung unkompliziert

Für die Expansion ist David Hasenclever zuständig, der zuvor unter anderem bei Warda, iDwell und Groupon für Sales verantwortlich war. “Die Probleme, die Lieferanten und Großhändler haben, sind in jedem Land gleich”, erklärt er. Die Orderlion-Software sei damit ohne viel Ressourcen-Einsatz skalierbar – sei es in Deutschland, der Schweiz oder Großbritannien, wo der Start vergangenes Jahr sehr erfolgreich gewesen sein soll. In den vergangenen zwei Jahren konnte das Startup “mehrere hundert” Kunden gewinnen – eine Zahl, die sich vervielfachen könnte, wenn der nächste Schritt wieder so gut gelingt: “Wir flirten gerade mit den USA”, sagt Hasenclever.

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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