30.11.2015

Who is who: Wer im Wiener Netzwerk die Fäden zieht

2006 verkauften drei Wiener ihr Unternehmen um 55 Mio. € in die USA und legten damit den Grundstein der Wiener Startup-Szene.
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Wien ist klein und jeder kennt jeden. Das hört man oft von Wienern und es trifft umso mehr zu, wenn es um die Startup-Szene geht. Der allmonatliche Startup-Stammtisch ist immer gut besucht und mehr als die Hälfte der Gäste kennt sich bereits, schätzt Tanja Sternbauer vom Interessensverband Austrian Startups, der den Stammtisch organisiert. Dabei ist das Wiener Startup-Netzwerk ein relativ junges Phänomen. “Vor zehn Jahren war da noch nix”, erinnert sich Bernhard Lehner, Gründer, Investor und PR-Profi, der seit Beginn dabei war. Damals waren Startup-Erfolge Einzelphänomene, sei es der Telekom-Dienstleister 3United AG oder der Skype-Konkurrent Jajah.

+++ Interview mit Lisa Fassl: Für die AAIA ist das Team wichtiger als das Business-Modell +++

Schon seit 2002 gibt es in Wien den akademischen Inkubator INiTS, aber erst 2007 nahm das Thema Startups in Wien Fahrt auf. Mit i5invest wurde der erste private Inkubator und Fonds gegründet und die Facebook-Gruppe “Austrian Startups” war der Beginn des späteren, gleichnamigen Interessensverbandes. Dann ging es Schlag auf Schlag: 2009 gründeten die späteren Pioneers-Festival-Initiatoren Jürgen Furian und Andreas Tschas die Organisation Start Europe, die heute für ihre “Startup Live”-Events bekannt ist, 2011 wurden die Investment-Fonds Speedinvest und Speed Beteiligungs GmbH aus der Taufe gehoben, 2012 kam es zur Gründung der Austrian Angel Investors Association (AAIA) und 2013 wurde aus der Facebook-Gruppe der Interessensverband “Austrian Startups”.

3 United AG: Die eigentliche Keimzelle

Die eigentliche Keimzelle der Wiener Startup-Szene ist die 3United AG. Sie ging 2004 aus drei Unternehmen hervor, darunter der Mehrwert-SMS-Spezialist Xidris von Markus Wagner und Sysis von Oliver Holle. Zwei Jahre später ging 3United um 55 Millionen € an die amerikanische Verisign. Wagner gründete später die i5invest und Holle Speedinvest. Beide zählen heute zu den wichtigsten heimischen Investoren oder zumindest Beratern, wenn ein Startup den Sprung in die USA schaffen will. Auch Stefan Kalteis ist Mann der ersten Stunde und einer der Shooting-Stars in Wien. 2007 war er einer der Gründer des ersten i5invest-Startups, der Personen-Suchmaschine 123people, die 2010 um kolportierte 10 Millionen € an die französischen Gelben Seiten verkauft wurde.

+++ Mehr zum Thema: Was ist ein Startup? +++

i5invest

Ein Jahr später gründete er gemeinsam mit Michael Altrichter wieder bei i5invest den Zahlungs-Dienstleister Payolution, der nur vier Monate nach dem Start um einen Millionenbetrag an den britischen Finanzdienstleister Skrill verkauft wurde. Richtig abgecasht hat Altrichter ein paar Monate danach, als Skrill auch noch sein bereits 2000 gegründetes Prepaid-Karten-Unternehmen Paysafecard übernahm. Dank der TV-Show “2 Minuten, 2 Millionen” ist der studierte Physiker heute wohl eines der bekanntesten Gesichter der österreichischen  Investoren.

Startup-Papa Hansi Hansmann

In der Wiener Startup-Szene ist es dennoch ein anderer Name, der immer wieder fällt: Hansi. Gemeint ist Johann Hansmann, unter dessen Fittichen jedes Startup zu Gold wird. Der “Startup-Papa” Österreichs war an Runtastic beteiligt und ist beispielsweise in die Job-Plattform Whatchado, den Beipackzettel-
Dienst Diagnosia oder das Diabetes-Startup MySugr investiert. Die Basis für das Kapital, das er einbringt, stammt aus dem Verkauf seines Pharmaunternehmens 2003. Heute ist Hansmann einer der einflussreichsten Player der heimischen Startup-Szene. “Wenn man Hansi-Hansmann-approved ist, hat man es leichter”, sagt Sternbauer. “Alle glauben, dass alles, was ich anfasse, etwas wird”, bestätigt der Investor auch selbst. Im Gespräch mit dem Brutkasten betont er mehrfach, das er eigentlich nicht mehr investiert. Dass diese Schutzbehauptung notwendig ist, liegt auf der Hand: fast jede neue Idee aus Österreich scheint früher oder später auf seinem Schreibtisch zu landen. “Wirklich gute Ideen leite ich weiter”, so Hansmann. Österreich ist so klein, dass man recht rasch an jeden wichtigen Player herankommt, heißt es. Ob man bei Hansmann einfach so anrufen kann? “Nein”. Für “seine” Startups sei er immer erreichbar, sonst ist auf jeden Fall ein Termin notwendig. Und Hansmann hat keine Sekretärin. “Wenn jemand gut Mountainbiken kann, könnte er mich auf einer meiner Touren begleiten”, meint Hansmann und lacht. “Aber sonst bin ich ausgebucht”. Aus den Augen, aus dem Sinn. Am Ende der Woche erinnere er sich an keinen der zehn bis 15 Businesspläne, die er wöchentlich zugeschickt bekomme, meint Hansmann.

+++ Mehr zum Thema: Startup-Hype in Wien +++

Die Multiplikatoren der Wiener Startup-Szene

In der Wiener Startup-Szene gibt es aber einige Leute, die scheinbar jede neue Idee im Kopf haben. “Was gibt es für neue Projekte?” ist das “Wie geht’s Dir?” auf Startup-Events. Es sind “Multiplikatoren” wie Michael Grabner von dem Startup-News-Portal inventures.eu, die Pioneers-Organisatoren Furian und Tschas oder die Austrian-Startups-Vorstände Christoph Jeschke, Can Ertugrul, Daniel Horak und Daniel Cronin, die die Ideen an die richtigen Stellen weitertragen. Neben dem offiziellen Startup-Stammtisch gibt es auch kleinere, private Jour-Fixes derWiener Grüppchen rund um Speedinvest und i5invest. Startups, die an diesen Stammtischen diskutiert werden, dringen auch in das Langzeitgedächtnis der Investoren vor: “Erst, wenn ich von einer Idee an unterschiedlichen Orten, von unterschiedlichen Personen höre, erinnere ich mich am Ende der Woche auch”, sagt Hansmann.

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GemeinsamErleben-CEO Alexander Lendl
GemeinsamErleben-CEO Alexander Lendl | (c) GemeinsamErleben

200 Millionen Seitenaufrufe pro Monat, mehr als 1.000 Neuregistrierungen pro Tag, 20.000 monatlich organisierte Aktivitäten und nun insgesamt mehr als eine Million Mitglieder – diese Zahlen veröffentlichte das 2019 gegründete Wiener Scaleup Synexit nun über seine Freizeit- und Sport-Plattform GemeinsamErleben.

“Kampf gegen die Einsamkeit” im Zentrum

Über die Plattform werden in 70 “Themen-Communities” gemeinsame Aktivitäten organisiert, wobei die Teilnehmer:innen sich dazu nicht vorher kennen müssen. In der Kommunikation von GemeinsamErleben ist klar: Im Zentrum steht der “Kampf gegen die Einsamkeit”. Damit schaffe man auch gesellschaftlichen Mehrwert. Und das Angebot sei gerade in den anstehenden Feiertagen wichtig. “Niemand sollte die Festtage alleine verbringen müssen”, wird CEO Alexander Lendl in einer Aussendung zitiert. “Es ist an der Zeit, das Thema Einsamkeit zu enttabuisieren und offen darüber zu sprechen.”

Übernahme des größten Mitbewerbers im DACH-Raum 2021

Das Konzept scheint – folgt man den Zahlen – aufzugehen. Man zeige, “dass auch Startups im Bereich des sozialen Miteinanders skalieren können”, heißt es vom Unternehmen. Synexit hat 2021 den größten deutschen Mitbewerber Spontacts vom Medienkonzern ProSiebenSat.1 für einen nicht genannten Betrag übernommen – brutkasten berichtete und Lendl war damals in Video-Talk zu Gast.

GemeinsamErleben “stellt Weichen” für weitere Internationalisierung

Seitdem baute GemeinsamErleben seine Kund:innenbasis im DACH-Raum deutlich aus – die Zahl der monatlichen Neuregistrierungen habe sich in der Zeit um mehr als 1.000 Prozent gesteigert, heißt es vom Scaleup. Mittlerweile würde man auch bereits “die Weichen für eine Internationalisierung in neue Sprachregionen” über den DACH-Raum hinaus stellen. Zudem stehe ein großes Plattform-Update bevor.

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