03.01.2022

Wie Startups in ihren Geschäftsmodellen SDGs verankern können

Worauf müssen Startups achten, sofern sie SDGs in ihren Geschäftsmodellen verankern. Antworten darauf liefert uns im Interview die renommierte Innovationsökonomin und Nachhaltigkeitsexpertin Asetila Köstinger.
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Köstinger
Asetila Köstinger | (c) Adobestock/Köstinger Consulting

Immer mehr Startups in Österreich wollen mit ihren Produkten und Geschäftsmodellen einen positiven Impact für das Klima oder die Gesellschaft leisten. Laut dem Austrian Startup Monitor sind sogar 63 Prozent der Startups in Österreich sogenannte “Green Startups”, für die ökologische Ziele ein wichtiges oder sogar übergeordnetes Unternehmensziel darstellt.

Doch worauf müssen Startup-Gründer:innen achten, sofern sie SDGs in ihren Geschäftsmodellen verankern? Eine Antwort darauf liefert uns Asetila Köstinger. Als Innovationsökonomin und Nachhaltigkeitsexpertin gründete sie das Wiener Innovationsstudio Köstinger Consulting und berät Startups, KMU und NGOs dabei, ihre Geschäftsmodelle nachhaltig zu entwerfen.

Zudem ist sie Gründerin des Accelerator-Programms SDG Innovation Lab sowie des nachhaltigen Energie-Startups Greenwell Energy, das sich mit Geothermie beschäftigt. Mit dem Programm WeDO5 hilft sie darüber hinaus Frauen so genannte “Zebra Startups“ zu gründen: nachhaltig wachsende Unternehmen mit ökologischen und sozialen Zielen.

Warum sollten Gründer:innen die SDGs bereits bei der Gründung berücksichtigen? 

Gründer:innen arbeiten an Unternehmen, die langfristig bestehen soll, es geht daher um Kontinuität. Daher sollten bereits bei der Gründung Umwelt und Gesellschaft berücksichtigt werden, aber auch welchen positiven oder auch negativen Impact das Unternehmen haben wird. Benötigt ein Unternehmen beispielsweise Ressourcen, dann stehen diese natürlich nicht unbeschränkt auf der Erde zur Verfügung. All das sollte bereits in der Gründungsphase bedacht werden. 

Durch einen sozialen oder ökologischen Impact, sei es durch die Produkte selbst, durch Dienstleistungen oder durch ein Impact Revenue Model, können Gründer:innen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber etablierten Unternehmen am Markt erzielen und Zielgruppen ansprechen, die genau daran interessiert sind. Ein bestehendes Produkt zu ändern, ist mitunter schwieriger als ein neues zu entwickeln. 

Gründer:innen sollten heute zum einen möglichst umweltfreundlich und sozialverträglich agieren aber natürlich auch auf den nachhaltigen Erfolg ihrer Idee achten. Im SDG Innovation Lab wird gezeigt, wie ein nachhaltiges Geschäftsmodell unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kund:innen, der Umwelt und des sozialen Umfelds entwickelt werden kann. 

Worauf gilt es zu achten, sofern die SDGs langfristig im Geschäftsmodell verankert werden?

Es gilt, eine strategische Herangehensweise zu entwickeln. Neben der langfristigen wirtschaftlichen Ausrichtung müssen auch die sozialen und ökologischen Ziele und Kennzahlen definiert werden. Ziel ist die Entwicklung einer Roadmap, die zeigt, wo das Unternehmen hinwill und dabei hilft, die Unternehmensvision zu erreichen. Dieser Schritt bildet auch die Basis für einen Nachhaltigkeitsbericht, der ohnehin später benötigt wird und auch veröffentlicht werden sollte.

Wichtig ist das Miteinbeziehen der Mitarbeiter:innen sowohl top-down als auch bottom-up, denn viele spannende Ideen kommen Mitarbeiter:innen bei ihrer täglichen Arbeit. Mitarbeiter:innen tragen das Nachhaltigkeitsthema im Unternehmen mit und leisten somit großen Beitrag.

In der Startup-Welt hören wir ständig „If you can’t measure it, you can’t manage it”. Nur ist der Impact, also die positive Wirkung, nicht einfach zu messen.

Asetila Köstinger

Wie kann man einem “Mission-Drift” oder “Green-Washing” bei Startups vorbeugen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben?

Unternehmen bemühen sich, immer bessere Produkte herzustellen, beispielsweise indem sie giftige Chemikalien vermeiden, den Energieverbrauch reduzieren oder Produkte recyclingfähiger machen. Es muss Raum geben, um sich auszutauschen und diesbezüglich auch ermutigt zu werden. Weil „great companies have great stories and they have to tell them”. Gerade Startups oder kleinere Unternehmen machen dies oft zu wenig, weil sie nicht daran denken, nicht das Wissen haben, sich nicht so positionieren wollen oder schlicht nicht so viel Geld haben wie große Unternehmen. 

Selbstverständlich sollten Unternehmen nicht übertreiben, wenn es um die Nachhaltigkeit eines Produktes geht – wenn es nicht der Wahrheit entspricht. Transparenz ist von essenzieller Bedeutung, getätigte Behauptungen müssen auch beweisbar sein. Konsument:innen bemerken Green-Washing meist ohnehin. Ehrlichkeit und Transparenz sind hier von besonderer Wichtigkeit. 

Welche Herausforderungen ergeben sich insbesondere für frühphasige Startups im Bereich der Impact-Messung? 

In der Startup-Welt hören wir ständig „If you can’t measure it, you can’t manage it”. Nur ist der Impact, also die positive Wirkung, nicht einfach zu messen. Bei Startups und KMU ist die Impact-Messung sehr kostspielig und aufwendig. Dennoch ist es wichtig, dass Startups von Beginn an ihren Impact denken und dabei nicht vergessen, dass Impact mehr als nur CO2-Emissionen bedeutet. Die soziale und gesellschaftliche Wirkung ist genauso wichtig.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit Ihrer Meinung nach bei Investoren?

Finanzinvestor:innen sind einerseits daran interessiert, wie die Wirtschaftsleistung aussehen wird. Sie verlangen aber zunehmend zuverlässige Daten über Nachhaltigkeitsindikatoren, beispielsweise über den CO2 Ausstoß – hier achten Investor:innen darauf, dass die Werte nicht zu hoch sind.

Sie haben auch ein eigenes Accelerator-Programm namens “SDG Innovation Lab” ins Leben gerufen. Was ist die Zielsetzung? 

Das Ziel des SDG Innovation Labs ist die Entwicklung von Produkten, die innovativ, aber auch umweltverträglich, kulturell nachhaltig und damit wirtschaftlich erfolgreich sind. Es geht darum, den Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern: im Sinne von Langfristigkeit für das Unternehmen und im Sinne der SDGs, der UNO Nachhaltigkeitsziele. Zusätzlich versuchen wir mit Startup Lean Methoden auch heimische KMU zu unterstützen. 

Welche Startups können sich am Programm beteiligen? 

Alle Startups und auch mittelständische Unternehmen, die neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln wollen. Wir holen sie da ab, wo sie gerade stehen, identifizieren neue Geschäftsfelder und passen innovative Lösungen sukzessive an die Anforderungen des Marktes an. Die Teilnahme am Programm ist quasi kostenlos, da es von der Stadt Wien gefördert wird. 

Wie sehen Sie aktuell die Voraussetzungen für ClimateTech-Startups in Österreich im internationalen Vergleich? 

Das österreichische Startup Ökosystem ist sehr nachhaltig. Aber Nachhaltigkeit ist teuer. Damit diese Startups einmal erfolgreiche Unternehmen werden, ist die öffentliche Hand angehalten stark zu intervenieren. Man bedenke, dass das Ausstoßen von CO2 in die Atmosphäre noch legal ist. Oder dass Ware, die (oft unnötig) dreimal um die Welt fliegt, die durch Kinderarbeit hergestellt wird oder die Überfischung der Meere fördert, günstiger ist.

Es gibt immer mehr Startups in Österreich, die neue, saubere und grüne Technologien entwickeln, momentan sind diese aber noch Pioniere. Dank lokaler Partner und Programme wie SDG Innovation LAB, greenstart, re:wien, climathon, cirlce17, climate KIC oder INiTS bekommen sie Unterstützung.



Weitere Infos unter: www.koestinger-consulting.com, www.sdginnovationlab.com und www.wedo5.io


Tipp der Redaktion:

Der brutkasten hat mit brutkasten ventures Ende November das Mentoring-Programm Climate Tech Boost gestartet. Drei Startups, die sich der Bekämpfung der Klimakrise verschreiben haben, werden dabei Mentoring, Netzwerk und Support von einem Experten-Netzwerk geboten. Das Programm setzt sich aus folgenden drei Säulen zusammen:

  • Mentoring | Top-Entrepreneure und Climate-Experts beraten und begleiten beim Aufbau des Startups.
  • Netzwerk & Expertise | Das brutkasten-Netzwerk an Startups, Corporates, Institutionen und Stakeholdern aus Wirtschaft sowie Politik wird für die Startups genau in den Bereichen geöffnet, in denen sie Unterstützung suchen.
  • Sichtbarkeit & Reichweite | Mit insgesamt drei Online- und Print-Magazinen (brukastenStartingUp und VentureCapital Magazin), einer Multimedia-Produktion mit Schwerpunkten auf innovativen Video-Formaten, Live-Streaming und digitalen Events schaffen wir eine Bühne für nachhaltige Technologien und Projekte der Zukunft. Dadurch bieten wir eine Reichweite von mehr als 600.000 User:innen pro Monat im deutschsprachigen Raum. Zudem unterstützt die brutkasten Jobplattform in der Suche nach neuen Talenten. 
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Coworking Salzburg
(c) Romy Sigl -

Früher hieß es, steig nicht zu Fremden ins Auto. Oder: Lass keine Fremden in deine Wohnung. Dann folgten “absurde” Ideen und daraus Uber und Airbnb. Dies sind zwei Beispiele von Visionen, die anfänglich auf Skepsis gestoßen sind, sich dann aber zu weltweiten Erfolgen entwickelt haben. Zugegeben, die Thematik rund um das Ende von Coworking Salzburg – siehe hier – ist nun eine, die zu einem Teil der Scheiterkultur in Österreich geworden ist. Aber durch die Botschaft eines anonymen Kritikers das offenbart, womit man heutzutage noch in der Republik als Teil des Startup-Ökosystems zu tun hat.

Scheiterkultur in Österreich

Bereits vor zehn Jahren meinte Hansi Hansmann, dass Österreich eine schlechte Scheiterkultur habe. Dabei sei gerade hier der Lernprozess extrem hoch, sagte der Business Angel damals. Seitdem gab es immer wieder Beispiele von einem gesunden Umgang mit Fehlern und Fehleinschätzungen, etwa von CrowdFarming oder von Direct Sales. Vor knapp fünf Jahren machte sich zudem das Labor für schönes Scheitern dafür stark, einen “lockeren Umgang” im Scheitern zu pflegen.

“Die letzten zehn Jahre haben mir gezeigt, dass echte Veränderung dort beginnt, wo wir uns trauen, unsere Fehler anzunehmen und darüber zu sprechen – egal ob als Einzelperson, in einem Team oder in einer Organisation”, sagte auch Fuckup-Nights-Initiator Dejan Stojanovic im November des vorigen Jahres, als seine Idee die erste Dekade feierte.

Offener Umgang

Romy Sigl ging mit dem Ende von Coworking Salzburg, wie oftmals von der Szene empfohlen, dementsprechend offen um, kämpfte um die Rettung und musste sich schlussendlich mit dem Aus ihrer Vision abfinden. Wie sie kürzlich auf LinkedIn schrieb, erreichte sie jedoch eine anonyme Botschaft, die einige kritische Fragen zum Coworking-Space und der Startup-Kultur in Salzburg aufwarf. Sigl machte sie öffentlich und startete damit einen Diskurs rund um die Art und Weise von Kritik und das allgemeine österreichische Mindset, das ab und an mit Missgunst und Schadenfreude einhergeht.

Die Nachricht an die Founderin enthielt u.a. folgende Aussagen: “Die sogenannte ‘Startup-Bubble’ rund um den Coworking Space in Salzburg ist für mich eine reine Illusion. Sie besteht aus Menschen, die glauben, Geschäftsideen zu haben, die jedoch oft absurd und nicht realisierbar sind. (…) Ich sehe es positiv, dass dadurch Coworking-Spaces, die sich als vermeintliche Top-Adressen darstellen, letztlich verschwinden. Aus meinen eigenen Einblicken in diesen Coworking-Space kann ich nur sagen, dass ich es äußerst kritisch finde, wenn Menschen in ihren Ideen bestärkt werden, obwohl von Anfang an klar ist, dass diese nicht funktionieren können.”

Und weiter: “So schwer es für Romys Ego auch sein mag, es ist an der Zeit, die Realität zu akzeptieren: Es ist vorbei, und das Projekt kann nicht mehr künstlich am Leben gehalten werden. (…) Niemand möchte mit einem heruntergekommenen Gebäude und einer visionär überzogenen, aber wenig greifbaren Community in Verbindung gebracht werden. Es ist Zeit, loszulassen und die Realität anzunehmen. Liebe Romy, ich wünsche dir persönlich alles Gute, aber ich rate dir, dich in Zukunft von Startups und ähnlichen Projekten fernzuhalten.”

Auf eine inhaltliche Ebene heben

Sigl verlinkt in ihrem Post in den Kommentaren die komplette Botschaft des anonymen Absenders, macht aber noch weitaus mehr. Sie entbröselt die zum Teil persönliche Kritik und hebt sie auf eine inhaltliche Ebene, indem sie sachlich auf die einzelnen Kritikpunkte eingeht.

Sie schreibt: “Ein Vorwurf lautete, dass Coworking-Spaces ‘absurde und nicht realisierbare’ Geschäftsideen fördern. Hier möchten wir widersprechen: Innovation entsteht oft aus Experimenten und Ideen, die zunächst unkonventionell wirken. Airbnb, Uber oder Slack sind nur einige Beispiele von Unternehmen, die zunächst als unrealistisch abgetan wurden. Coworking-Spaces sind keine Erfolgsgaranten, sondern Plattformen. Sie bieten Gründern Zugang zu Netzwerken, Ressourcen und einer inspirierenden Umgebung. Es ist Teil des unternehmerischen Prozesses, Ideen zu testen – und manchmal auch zu scheitern. Wir sind stolz darauf, viele Startups auf ihrem Weg begleitet zu haben, von ersten Prototypen bis hin zu marktfähigen Produkten.”

Der Kritik, dass ihrer Community “jegliche echte Expertise” fehle, setzt sie entgegen, dass ihr Space von Beginn an eine bunte Mischung aus erfahrenen Unternehmer:innen, kreativen Köpfen und jungen Gründer:innen dargestellt habe: “Gerade diese Vielfalt macht Coworking-Spaces aus. Sie sind Orte des Austauschs, wo Wissen geteilt und gemeinschaftlich Lösungen gefunden werden. Darüber hinaus haben wir mit etablierten Organisationen wie Startup Salzburg und dem Techno-Z in Puch zusammengearbeitet, um unseren Mitgliedern Zugang zu weiterführenden Ressourcen und Programmen zu bieten. Expertise entsteht durch Zusammenarbeit, nicht durch Ausgrenzung”, so Sigl weiter.

“Feig” und “Schlag unter die Gürtellinie”

Weitere Punkte von Sigls Replik betreffen Förderungen, die Tragfähigkeit des Co-Working-Projekts und eine negative Stimmung als Folge, auf die sie eingeht. Unterstützung erhält sie dabei von Teilen der LinkedIn-Community, die die Anonymität des Kritikers “feige” bzw. seine Zeilen einen “Schlag unter die Gürtellinie” nennen und auf die nachhaltige Wirkung der Gründerin eingehen.

“Der Standort und die heimischen Startups, inklusive Symptoma, haben vom Beleben des Standorts eindeutig profitiert. Der Space hat viele Leute zusammengebracht – ein Grundbaustein für Innovationen”, schreibt etwa Jama Nateqi, Founder und CEO von Symptoma.

Und Sven Maikranz, Gründer von Upstrive hält einen besonderen Punkt fest, wo man eine große Chance verpasst hätte: “Menschen, die sich selbst nicht genug Signifkanz geben können, versuchen es dadurch zu erreichen, dass sie andere runter drücken und schlecht machen. Traurig und schade, weil es sicher zu den Themen eine konstruktive Diskussion geben könnte, der Autor durch die Form und Anonymität sich aber selbst disqualifiziert.”

Passend dazu zitiert Sigl den Buchschreiber und Berater Mario Kellermann: “Kritik ist nur dann wertvoll, wenn sie sagt, wie es besser geht. Alles andere ist sonst nur leeres Gerede und sinnlose Wichtigtuerei.”

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