21.07.2017

Der Weg zum Kunden: Wie man das Ding unter die Leute bringt

Geld bekommen gute Startups heute relativ leicht. Schwieriger ist es, schnell an viele Kunden zu kommen. Corporates können sie dabei unterstützen. Aber geht das Versprechen auf?
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Den Startup-Hype nützen, um sich neue Ideen zu holen: Das ist derzeit für viele große Unternehmen das Rezept der Wahl. In Deutschland ist es schon länger so: Der Technologiekonzern Siemens etwa kooperiert schon seit 1999 mit Startups und investierte seither rund 800 Millionen Euro in junge Unternehmen. In Österreich ist dieser Trend etwas später angekommen. „Dafür geht es jetzt mit Raketengeschwindigkeit los“, sagt Julian Kawohl, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin die Beziehungen zwischen Startups und Konzernen erforscht.

Auch eingesessene Platzhirsche wie der heimische Energiekonzern Wien Energie springen jetzt auf den Zug auf – weil sich der Energiemarkt im Umbruch befindet, die Kunden anspruchsvoller werden und auch branchenfremde Anbieter in den Markt drängen. Kurz: Einfach nur Strom zu liefern reicht heutzutage nicht mehr. „Unser Ziel ist es, innovativer zu werden“, sagt Lorena Skiljan, die bei Wien Energie für Startups zuständig ist. In der Theorie klingen diese Kooperationen gut: Die Jungunternehmer bringen mit ihrem Gründergeist frischen Wind in die oft träge gewordenen Konzernstrukturen und verleihen ihnen das Prädikat „innovativ“. Die Startups erhalten im Gegenzug wertvolle Expertise, Geld, Infrastruktur und Zugriff auf die etablierten Netzwerke der Corporates, deren Vertriebsstrukturen und Kunden – eine echte Win-win-Situation. Aber funktioniert das auch in der Praxis? Profitieren tatsächlich beide Seiten von der Zusammenarbeit? Und bekommen am Ende alle das, was sie sich erhofft haben?

Entwicklung

Stefan Ponsold kennt beide Seiten. Nach der HTL-Matura arbeitete er einige Jahre in großen Konzernen,am Schluss leitete er die Abteilung für Forschung und Entwicklung der UmdaschAG. Mit 26 Jahren machte er sich selbstständig, kurz darauf kündigte er seinen gut bezahlten, sicheren Entwicklerjob. Seine Firma „Sunnybag“ produziert Rucksäcke und Taschen mit integrierten Solarzellen, mit denen sich Smartphones, Laptops und Tablets unterwegs umweltfreundlich aufladen lassen. Die sechs Mitarbeiter starke Firma mit Sitz in Graz hat sich auf dem Markt schon behauptet: „Wir sind mittlerweile profitabel“, sagt Ponsold stolz.

Feedback von großen Partnern

Sunnybag arbeitete von Anfang an mit „Corporates“ zusammen – mit Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und dem SOS Kinderdorf etwa, oder mit dem oberösterreichischen Motorradhersteller KTM. Für Ponsold war die Zusammenarbeit mit etablierten Organisationen immer gewinnbringend. „Was du auf jeden Fall immer bekommst, ist Feedback, wie gut das Produkt funktioniert“, sagt er. Etwa im Fall von Ärzte ohne Grenzen: „Die Taschen werden unter Extrembedingungen in Krisengebieten getestet. Das könnten wir in Österreich gar nicht. Wir können unsere Produkte dadurch ständig verbessern“, sagt Ponsold. Für KTM stellt Sunnybag Outdoorrucksäcke her. Auch das ist ein Gewinn für das junge Unternehmen. Sunnybag hat damit auf einen Schlag auch die KTM-Kunden an der Hand – wohl mehr, als man in dieser kurzen Zeit über den eigenen Shop erreicht hätte.Und genau darum geht es: schnell Zugang zu möglichst vielen Kunden zu erhalten. Startups sind reich an Ideen und gut darin, sie weiterzuentwickeln. Auch Geld ist nicht unbedingt die rarste Ressource – Investoren, die bereit sind, gute Ideen zu finanzieren, gibt es nicht zu knapp. Die Herausforderung ist, das Produkt möglichst schnell unter die Leute zu bringen.

Startup-Unit als “CEO-Toy”?

„Das ist ja der Unterschied zwischen einem Startup und einem Handwerksbetrieb: Startups wollen schnell hohe Wachstumsraten erreichen. Dafür brauchen sie erst einmal einen Kundenstamm, um zu beweisen, dass die Idee marktfähig ist“, sagt Julian Kawohl. Derzeit sei „viel Aktionismus“ im Markt, sagt Kawohl. Wenn sich Konzerne medienwirksam mit Startups beschäftigen, bestehe immer die Gefahr, dass die Startup-Unit in der äußeren Wahrnehmung zum „CEOToy“ verkomme. Um diesen Eindruck zu widerlegen, muss der Konzern dem Startup dauerhaft genug Aufmerksamkeit widmen, damit es gedeihen und die ihm zugedachte Rolle spielen kann. „Wenn das nicht gegeben ist, brauchen sich die Unternehmen über den Eindruck, das Ganze sei nur ein Imagethema, nicht zu beschweren“.

Es geht um das Netzwerk

Startups wollten von Corporates zwei Dinge: Expertenwissen und Zugang zum Kundennetzwerk. Alles andere könnten sie auch woanders bekommen. „Das Versprechen, das Corporates geben, klingt extrem charmant“, sagt Kawohl. „Theoretisch könnte das Corporate auf einen Schlag viele Kunden zur Verfügung stellen. Aber es geht auch ein großes Risiko ein, wenn es dem Startup erlaubt, seine Ideen an treuen Kunden auszuprobieren.“ Startups leben von der Schnelligkeit, sie testen ihr Produkt in der Regel im laufenden Betrieb. „Für Corporates, die darauf konditioniert sind, Fehlervermeidung um jeden Preis zu betreiben, ist das eine Kulturrevolution.“

Redaktionstipps

Das Corporate habe immer Angst, dass das auf die eigene Reputation zurückfalle. Kawohl rät großen Unternehmen dennoch, das Risiko einzugehen: „Genau das   die Chance. So komme ich außerhalb der Konzernmauern schnell auf neue Ideen.“ Bislang bestünden die meisten Verbindungen allerdings noch zu kurz, als dass man deutliche Erfolge registrieren könne. Oft werde der Fehler gemacht, dass die Ziele der Kooperation nicht klar genug definiert seien. „Dann ist es schwierig, eine Erfolgsstory zu kreieren.“ Ein positives Beispiel sei der Accelerator des deutschen Privatsenders ProSieben- Sat.1. Startups, die daran teilnehmen, bekommen nicht Geld, sondern mediale Aufmerksamkeit in Form von Werbezeit auf den Kanälen der Sendergruppe. Der Online-Sexshop Amorelie etwa konnte so rasch auf eine Größe von über 100 Mitarbeitern wachsen. Pro 7 habe mittlerweile die Mehrheit an Amorelie übernommen.

Von Kampagnen gelernt

Auch für Sunnybag- Gründer Ponsold waren Medien bislang der wichtigste Kanal, um potenzielle Kunden anzusprechen: „Die Presse ist das Allerwichtigste, um Aufmerksamkeit für die Marke zu bekommen“, sagt er. Geld für Marketing und Anzeigen sei, wie bei den meisten Startups, nämlich kaum da. Auch Crowdfunding sei eine rasche und effiziente Möglichkeit, das Produkt zu bewerben und gleichzeitig zu testen, ob es dafür einen Markt gibt. „Wir haben immer wieder Kampagnen auf Kickstarter gemacht und schon so manche Lernkurve bekommen“, sagt Ponsold. Gerade habe man für ein spezielles Produkt für Bergsteiger 70.000 Euro eingesammelt, ausgegangen war man von 22.000 Euro. Auch das Gegenteil hat er schon erlebt: dass er mit einem riesigen Erfolg rechnete, dann aber viel weniger hereinkam. Da sei er froh gewesen, dass er erst einmal das Interesse ausgelotet habe, bevor er 1000 Stück produzieren ließ. Aber Crowdfunding, sagt Ponsold, habe auch einen Nachteil: „Man steht auf der Bühne im Schweinwerferlicht.“ Wenn das Produkt nicht so gut ankomme, sei das auf ewig im Internet einsehbar. Gerade für Firmen, die sich selbst für sehr wertvoll halten, sei das ein großes Risiko.

Auch Klinkenputzen funktioniert noch

Fortgeschrittenere Startups sind auf Crowdinvesting-Plattformen besser aufgehoben. Zum Beispiel auf Green Rocket: Die Plattform hat sich auf die Themen Energie, Umwelt, Gesundheit und Nachhaltigkeit spezialisiert. „Von veganen Nudeln bis zur Nano-Beschichtung für Solarzellen haben wir schon alles gehabt“, sagt Gründer und CEO Wolfgang Deutschmann. Die Firmen auf Green Rocket schreiben in der Regel schon 50.000 bis 100.000 Euro Umsatz, die größte lag bei zwei Millionen Euro. Das Mindestinvestment beträgt 250 Euro. Im Durchschnitt sammeln die Firmen 230.000 Euro ein. „Einige nützen die Kampagnen auch als Kundenbindungsinstrument“, sagt Deutschmann; etwa, indem sie den Investoren zusätzlich zu den Beteiligungen lebenslange Rabatte in ihren Online-Shops gewähren oder Gutscheine ausgeben. „So kann man Crowdfunding auch umsatzwirksam machen“, sagt Deutschmann.

Sonst funktioniert immer noch das gute, alte Klinkenputzen. Sunnybag-Gründer Ponsold kam so an seine ersten Kunden: Er rief ganz einfach bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen an und fragte, ob sie Interesse an seiner Solartasche hätten. Der Mut zahlte sich aus: Sie kauften um 25.000 Euro bei ihm ein. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte war geschrieben.

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Lympik
Teamfoto: Links: Tom Schwartz, rechts Thomas Peroutka | (c) Lympik

Bereits im Oktober 2022 hat die ESA in Hinblick auf die olympischen Spiele 2024 in Paris und 2026 in Milano-Cortina Förderungen unter dem Motto “Space for Olympic Games” ausgeschrieben. Europäische Startups und KMUs sollten und sollen weiterhin dabei unterstützt werden, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Weltraumtechnologie nutzen und den olympischen Spielen damit Nutzen bringen.

Das niederösterreichische Startup Lympik hat aus dem Topf eine Förderung im unteren sechsstelligen-Bereich erhalten. Damit möchte man seine Produkte weiterentwickeln und Geschäftsfelder ausweiten. Auch eine Folgeförderung stehe im Raum.

Lympik: Angebot ausbauen

“Meine Idee war von Beginn an, Weltraumtechnologie wie Satellitennavigation und -kommunikation, für den Sport zu nutzen”, erklärt der Gründer von Lympik, Thomas Peroutka, der selbst viele Jahre als Leistungssportler aktiv war. “Begonnen haben wir mit einer neuen Art der digitalen Zeitmessung, dann kamen GPS-Tracking und Videoanalyse dazu. Diese Kombination können wir nun dank der ESA-Förderung schneller und umfangreicher ausbauen.” Aktuell ist das ÖSV-Biathlon-Team der erste Testanwender der neuen Lösung.

“In sechs bis neun Monaten wollen wir so weit sein, dass unsere Lösung für digitale Zeitmessung, GPS-Tracking und Videoanalyse für unterschiedliche Sportarten einsatzbereit ist”, so Peroutka weiter.

Bisher konnten in Sportarten wie Ski Alpin oder Langlauf im Training lediglich die Endzeiten sowie drei bis vier Zwischenzeiten verglichen werden. Mit der Technik von Lympik – brutkasten berichtete – sei eine minutiöse Detailanalyse möglich: Etwa, wer an welcher Stelle auf welcher Linie wie viele Millisekunden gewonnen oder verloren hat oder welche Ausrüstung zum Einsatz kam.

Sensoren

“Durch unsere Lösung stehen nicht nur viel mehr Informationen zur Verfügung, die Teams ersparen sich auch viel Zeit- und Personalaufwand bei der Analyse und noch mehr bei der Auswertung. Während bisher immer eine Person während des Trainings alle Eckpunkte manuell in ein Tablet eingeben musste, geht jetzt alles automatisch”, erklärt Peroutka.

Die Athletinnen und Athleten werden vom Startup dazu mit Sensoren ausgestattet und das Training wird gefilmt. Nach dem Training werden die Videos in eine App geladen und automatisch mit den Daten aus der Zeitmessung und dem GPS-Tracking synchronisiert. Nach wenigen Sekunden stehen die Daten aufgegliedert bereit.

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