17.06.2024
GEGEN VERSCHWENDUNG

Wie ein Bio-Bäcker mit Data Science die Lebensmittelüberproduktion reduziert

Oftmals bleibt im Lebensmittelhandel einiges an Ware über, die dann den Weg in den Müll findet. Prognosen zu treffen, fällt aufgrund vieler Variablen den Beteiligten sehr schwer. Die Bio-Bäckerei brotsüchtig allerdings hat es in einem Projekt mit zwei Kooperationspartnern geschafft, die Lebensmittelverschwendung essentiell zu reduzieren.
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brotsüchtig
(c) Simlinger - (v.l.) brotsüchtig-Gründer Oliver Raferzeder, Alois Keplinger, Projektberater Innovationsmanagement der WKOÖ, brotsüchtig-Gründer Stefan Faschinger, Volkmar Wieser, Area Manager Data Science bei SCCH.

Rund 500 Kilo Bio-Mehl verarbeitet die Bio-Bäckerei brotsüchtig täglich zu Brot und Gebäck. Dabei wird die Produktionslogistik zum Drahtseilakt. Einerseits sollen die Kunden bis zum Ladenschluss aus dem gesamten Sortiment wählen können. Andererseits soll danach möglichst wenig Brot und Gebäck übrigbleiben.

brotsüchtig: “Rettung nur die zweitbeste Lösung”

“Denn Lebensmittelrettung ist nur die zweitbeste Lösung”, sagt brotsüchtig-Gründer und -Geschäftsführer Oliver Raferzeder. Die beste wäre, exakt so viel zu backen, wie verkauft wird. Um diesem Ziel möglichst nahezukommen, hat das Innovationsmanagement der WKO Oberösterreich für brotsüchtig ein KI-Projekt beim EU-Digitalisierungsprogramm “Test before Invest” eingereicht. In diesem hat das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) unter anderem Verkaufs-, Produktions-, Kalender-, Wetter- und Veranstaltungsdaten aufbereitet, in einem Dashboard sichtbar gemacht und so die Produktionsplanung verbessert. Die Retouren-Quote konnte so um 20 Prozent reduziert werden.

“Wir verlieren doppelt, wenn wir zu viel Ware backen”, erklärt Stefan Faschinger, ebenfalls Mitgründer von brotsüchtig, das Dilemma der Produktionsplanung. “Wir verlieren die kostbare Arbeitszeit unserer Bäckerinnen und Bäcker. Und wir verlieren kostbare Rohstoffe.”

Ein schicksalhaftes Treffen

So sind die bei brotsüchtig verwendeten bio-Rohstoffe generell um 15 bis 20 Prozent teurer als herkömmliche – Mohn in Bioqualität sei sogar doppelt so teuer. Deswegen investiert der Co-Founder bis zu zwei Stunden täglich in die Produktionsplanung für den nächsten Tag, erzählt Raferzeder.

Dies mühsamen Umstand teilte Faschinger dem Projektberater Alois Keplinger vom Innovationsmanagement der WKOÖ bei einer zufälligen Begegnung im Verkaufsraum mit. Daraus entwickelte sich ein gemeinsames Forschungsprojekt. Keplinger stellte folglich einen Förderantrag bei “Test before Invest”, das Digitalisierungs-Projekte bis zu einem Volumen von 40.000 Euro zu 100 Prozent aus Mitteln der Europäischen Union und der Forschungs-Förderungs-Gesellschaft FFG finanziert. Als Partner für die nötige Daten-Wissenschaft holte man das SCCH an Bord.

Data Science als Strategiegeber

“Das Ziel der Daten-Wissenschaft ist es, oft zusammenhanglos wirkendes Datenmaterial so aufzubereiten, dass man daraus konkretes Wissen und Strategien ableiten kann”, so Keplinger weiter. “Mit Data-Science lassen sich in praktisch allen Branchen Effizienzsteigerungen erzielen oder bessere Entscheidungen treffen.”

Bei brotsüchtig hängen die Verkaufszahlen als wichtigste Datenbasis von einer Unzahl an Faktoren ab: “Dabei spielen die Jahreszeit, das Wetter, der Wochentag, die generelle Frequenz in der Stadt aber auch Veranstaltungen rund um unsere Shops eine große, nur schwer zu kalkulierende Rolle”, skizziert Raferzeder die produktionslogistische Herausforderung.

So hänge auch das Kaufverhalten stark davon ab, ob das Wetter zum Schlendern in der Stadt einlade, zu große Hitze oder Regen die Kunden vertreibe, ob Wochenendeinkäufe anstehen oder eine öffentliche Veranstaltung die Passantenfrequenz beeinflusst.

brotsüchtig: Daten statt Bauchgefühl

“All diese Faktoren haben wir immer sehr intensiv beobachtet und versucht, daraus Schlüsse zu ziehen”, erzählt Raferzeder. Das sei zwar meist ganz gut gelungen, war aber extrem zeitintensiv und habe vor allem auf seinem eigenen Bauchgefühl beruht. Dieses sollte durch eine wissenschaftlich fundierte Basis für die Produktionsplanung in der Backstube ergänzt – oder im Idealfall ersetzt – werden. “So wollten wir etwa wissen, bei welchem Wetter wir mehr „Drahdiwaberl“ (Anm.: veganes Brot) verkaufen und welche Faktoren dafür noch verantwortlich sind.”

Mit seiner Kernkompetenz, Daten in Wissen umzuwandeln, war bei diesem Projekt das SCCH ein Idealkandidat für dieses Digitalisierungs-Projekt. Für die Aufgabenstellung, mittels Data Science aus dem vorhandenen Datenmaterial möglichst treffsichere Vorhersagen für die Produktion zu machen, konnte sich Area Manager Data Science bei SCCH Volkmar Wieser vor allem auf umfassende Verkaufsdaten stützen.

Planungsaufwand halbiert

“Uns lagen für die vier brotsüchtig-Shops in Linz (Anm.: dort zwei), Steyregg und Wels ebenso umfassende wie detaillierte Verkaufsstatistiken vor”, erklärt er. Nach dem Datenexport aus den Kassensystemen sowie entsprechender Aufbereitung und Visualisierung konnte dann die Verkaufsdynamik für jeden einzelnen Artikel zu bestimmten Uhrzeiten an allen Tagen in jedem einzelnen Shop klar und übersichtlich dargestellt werden.

“Wir haben auch noch Wetterdaten und Feiertage in die Analyse einfließen lassen, um sichtbar zu machen, wie sich diese im Kaufverhalten bemerkbar machen”, so Wieser weiter. Mit dem Ergebnis, dass brotsüchtig-Chef Faschinger auf einem Dashbord jederzeit alle für die Produktionsplanung nötigen Daten tagesaktuell aufrufen und mit Referenzwerten vergleichen kann.

“Diese Klarheit und Übersichtlichkeit der Daten erleichtert die Produktionsplanung enorm”, sagt er. “Mein Planungsaufwand hat sich halbiert, die Präzision der Vorhersage gleichzeitig wesentlich verbessert. Jetzt haben wir um ein Fünftel weniger Retourware als zuvor.”

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Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

Bidirektionales Laden eröffnet für E-Autos weitreichende Möglichkeiten, die weit über die klassische Nutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehen. Mit dieser Technologie können Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch gespeicherten Strom wieder zurückspeisen. Dadurch werden sie zu mobilen Energiespeichern, die flexibel in verschiedene Szenarien eingebunden werden können – so zumindest in der Theorie. In der Praxis ist bidirektionales Laden in Österreich jedoch noch Zukunftsmusik. Ein neues Forschungsprojekt, an dem das Wiener Startup kW-Solutions beteiligt ist, möchte das nun ändern.

Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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