08.11.2019

Web Summit 2019: Die neun wichtigsten Erkenntnisse durch die rot-weiß-rote Brille

Das Web Summit 2019 in Lissabon ist mit 70.000 Besuchern das Nonplusultra unter den europäischen Startup- und Tech-Konferenzen. Teilnehmer aus Österreich beschreiben dem brutkasten, wie sie das Event wahrgenommen haben.
/artikel/web-summit-2019
Web Summit
Tony Blair spricht auf der Bühne des Web Summit 2019 (c) Bernhard Holzer

Der Brutkasten hat sich am Mittwoch auf den Weg nach Lissabon zur Superlative der Tech & Digitalkonferenzen gemacht – dem Web Summit 2019. Und so viel gleich vorweg, trotz einiger kleiner Schönheitsfehler, die bei einem Event dieser Größe fast unvermeidbar sind, fällt der Tenor der knapp 500 Österreicher vor Ort durchwegs positiv aus. Das erste Resümee aus rot-weiß-roter Sicht: Es führt kein Weg vorbei und es zahlt sich wirklich aus.

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Der Web Summit hat mit 70.000 Gästen dieses Jahr noch einmal neue Maßstäbe gesetzt und hat sich gerade mit der Übersiedelung von Dublin nach Lissabon endgültig zum weltweiten Nonplusultra und “Must Go”-Event der weltweiten Digitalszene entwickelt.

Die neun wichtigsten eigenen Eindrücke und jene der Österreicher vor Ort:

1.) Die unfassbare Größe und Vielfalt: Es ist einfach wirklich jeder da

Was uns sofort aufgefallen ist und was bei so gut wie jeder Wortmeldung zum Festival als erste Erkenntnis kam, waren die gewaltigen und nicht gekannten Dimensionen dieser Veranstaltung. Gegenüber dem Vorjahr wurde mit 70.000 Besuchern nochmal eins draufgesetzt. Nur zum Vergleich: Das entspricht in etwa einer sieben Mal ausverkauften Wiener Stadthalle, einem eineinhalb Mal gefülltes Ernst Happel-Stadion oder fast 20 Mal so vielen Teilnehmern wie beim langjährigen österreichischen Flagship-Event, dem Pioneers-Festival in der Hofburg. Allein die Tatsache, dass die Konferenz trotzdem ohne gröbere Probleme abgelaufen ist, verdient Respekt.

2.) Lissabon ist die perfekte Stadt und lebt für dieses Event

Das fängt bereits am Flughafen an, wo man sich ein 50 Prozent vergünstigtes und eigens aufgelegtes Web Summit-U-Bahnticket kaufen kann. Hier sieht man gleich: Alle in der Stadt ziehen an einem Strang und wissen um die Wichtigkeit der Veranstaltung für Lissabon. Gepaart mit frühlingshaften Temperaturen im November, den sehr verträglichen Preisen vor Ort und dem Status als eine der Tech-Metropolen Europas bleiben hier wenige Wünsche offen. Einziges Manko laut Johannes Flaschka, der mit seinem IT-Unternehmen Trigo B2B-Individualsoftware entwickelt: “Einheimische klagen mitunter, dass für sie am Ende abseits von Nächtigungen nicht allzu viele positive Effekte bleiben.” Aber auch hier gilt “fair enough” – die Veranstaltung muss ihre Kosten decken und versucht natürlich, die meisten direkten Umsätze auf dem Veranstaltungsgelände bzw. bei Partnern zu generieren. Fakt ist trotzdem: Lissabon lebt den Web Summit an allen Ecken und Enden.

Österreichische Founder auf dem Web Summit 2019 (c) Bernhard Holzer

3.) Tolles Veranstaltungsareal, 20.000 Schritte pro Tag und die 100.000er-Gästemarke vor Augen

Die Actic Arena (20.000 Plätze) und das anschließende Veranstaltungsgelände direkt am Atlantik ist groß und weitläufig, aber irgendwie trotzdem bewältigbar. Gut zehn Minuten geht man von einem Ende zum anderen, fast durchwegs barrierefrei. 20.000 Schritte macht das laut Fitnesstracker von Horst Plochberger von Uniqua-IT Services pro Tag.

Und auch wenn man es nicht glauben will, die Kapazitätsgrenzen sind noch immer nicht erreicht. Es würde nicht wundern, wenn diese Megakonferenz schon in den nächsten Jahren die 100.000er-Schallmauer durchbricht. Das ist übrigens auch der Plan, wie uns hinter vorgehaltener Hand vom Organisationsteam zugetragen wurde. Die Abendgestaltung in der Pink Street oder in den malerischen Hafengässchen der LX Factory war zwar sehr bemüht – Parties, bei denen der Funke wirklich überspringt, gibt es da aber, wenn man an das Pioneers oder Bits & Pretzels-Festival denkt, sicherlich bessere. Ein guter Tipp sind diesbezüglich die unzähligen Side-Events, wie dieses Jahr zum Beispiel das Schweizer Get-together in der beeindruckenden Time Out-Markthalle mitten in Lissabon.

4.) Advantage Austria hilft an allen Ecken – ein bisschen haben sich alle Zuhause gefühlt

Und damit kommen wir zu einem Punkt, der aus allen Richtungen positives Feedback bekommen hat: Die Außenwirtschaft Österreich mit ihrer Dependance in Lissabon und ihrem Damen-Quartett Esther Maca, Carla Galhardo, Eva Mandl und Janete Baltazar haben die Ösi-Community wirklich zusammengehalten, waren mit Rat und Tat zur Hand und hatten egal ob in Person oder per Whatsapp-Gruppe immer ein offenes Ohr.

Spezielles Lob bekam diesbezüglich auch das Networking-Event von Advantage Austria am Lissaboner Flughafen am Dienstag, bei dem mehr als 100 Leute fleißig am Networken waren und sich so auch im weiteren Verlauf des Festivals schon kannten und gegenseitig unterstützten konnten. Esther Maca für die WKO-Truppe stellvertretend: “Man muss den Web Summit wirklich erleben, um den Vibe zu spüren. Mich freut am meisten, dass für viele österreichische Teilnehmer am Ende soviel Zählbares herausgekommen ist. Jeder fährt mit etwas in der Hand wieder nach Hause und darüber freuen wir uns am meisten.”

AWO Lissabon WebSummit
(c) Stefan Lechner

5.) Die Veranstaltungs-App spielt wirklich alle Stückchen

So wie wir auch, waren die meisten Besucher, mit denen wir in Lissabon gesprochen haben, schon auf diversen Tech-Konferenzen und bringen dementsprechend Erfahrungen mit. Selten waren die Rückmeldungen zur Veranstaltungs-App aber beinahe euphorisch. Diese Applikation konnte irgendwie alles: Neben Basic-Features wie Check-in Registrierung oder einer praktischen Live-Map wurde vor allem die direkte Chatfunktion mit mehreren Millionen Nachrichten intensivst genutzt.

Zwei echte Highlights aus persönlicher Sicht und wie uns auch Max Unger von The Ventury verraten hat:  Die Übersetzungs-Funktion, die ähnlich wie bei den Vereinten Nationen in New York die Talks in Sprachen wie Englisch, Portugiesisch, Spanisch, Japanisch oder Mandarin simultan übersetzt, nur eben ohne Dolmetscher sondern nur mit AI-Unterstützung. Und zweitens das wirklich praktische Transkriptions-Feature, mit dem sämtliche Vorträge schriftlich und live „abgetippt“ wurden. So konnte auch im Nachhinein alles nachgelesen werden. Für die schreibende Zunft wie Journalisten genauso sinnvoll wie für alle, die lieber aktiv Zuhören, als ihren Notizblick seitenweise voll zu kritzeln und dabei die Hälfte zu verpassen. Wirklich praktisch, und ein echter Benchmark für alle Konkurrenzveranstaltungen.

6.) Lineup mit Qualität in der Quantität, der Spagat ist gelungen

Wer Größen wie Edward Snowden, Tony Blair oder Vladimir Klitschko an Bord holt und sich  CEOs oder C-Level-Speaker von Boston Dynamics, Wikipedia, Uber, Amazon und unzähligen anderen Tech-Giganten angeln kann, spielt eben in der Königsklasse. Fairerweise schaffen das aber auch einige andere kleinere, aber nicht minder hochklassige Events wie beispielsweise Slush in Helsinki oder Bits in München. Was aber den Web Summit 19 einmal mehr besonders macht, ist die schiere Breite und Tiefe an Speakern und Experten quer über alle Themengebiete von AI bis Smart Mobility.

Es ist also genau dieser Spagat zwischen einem breitenwirksamen Megaevent, das gleichzeitig gefühlte 30 kleine Sub-Konferenzen inkludiert. Für Christoph Praxmarer von Smart Mobility-Anbieter Swarco aus Tirol war genau das ein echter Mehrwert der Konferenz: “Diese Cluster sowohl was Unternehmen als auch Talks angeht hilft, einem Thema sehr konzentriert zu begegnen und wirklich einzutauchen. Sowohl in einem Gebiet, in dem man Experte ist, aber auch einem gänzlich neuen. Es hilft gleichzeitig, auch bei der Vergleichbarkeit sehr gut, wenn hier 50 Startups zu einem Thema Tür an Tür gesichtet werden können. Auf diesem Level war das gänzlich neu für mich.”

Ein kleiner Kritikpunkt von Uniqua-IT-Manager Horst Plochberger an dieser Stelle zu den Center Stage Talks: “Teils  waren Talks mit fünf, zehn Minuten einfach zu kurz. Da war zwar ein großer Name da, aber die Message etwas dürftig. Andererseits wurden wirklich gute Vorträge oder Panels fast schon brutal mitten im Thema oder der Diskussion beendet. Bei allem Verständnis für den Zeitplan, da wäre ein wenig mehr Flexibilität im Sinne der Zuschauer doch schlau.” Was uns als Verbesserungsvorschlag für die kommenden Jahre noch aufgefallen ist: Ruhezonen oder gemütliche Sitzmöglichkeiten sind echte Mangelware, da darf noch deutlich nachgebessert werden.

7.) Ein Schlachtplan hilft, Vorbereitung war die halbe Miete

Angesichts dieser nie gesehenen Masse an Angeboten hieß es aber auch, vorab seine Hausaufgaben zu machen und zumindest teilweise Vorträge und Meetings einzutakten. Katharina Binder von The Ventury dazu: “Ich war das erste Mal hier und eigentlich fast durchgehend in Meetings oder Gesprächen, wenn ich wenn nicht bei unserem Stand war. Ich habe gerade auch für uns einige extrem spannende Startups kennengelernt. Insgesamt konnte man extrem viel rausholen, aber ohne eine Mindestmaß an Vorbereitung hätte es den halben Spaß gemacht. Es war ein absolut verrücktes Event im positiven Sinne.”

Ins selbe Horn bläst auch ihr Kollege Max Unger, der hier noch Potential nach oben sieht: “Wen man die Zeit hat, müsste man sich in Wahrheit vorab eine Woche lang damit beschäftigten, welche Talks man alle sehen will. Allein für unsere Themen wie AI, Bots  oder Growth gab es wohl an die 100 Talks. Irgendwann erschlägt einen das Angebot einfach.”

The Ventury
The Ventury goes Web Summit: Max Unger (mitte) und Katharina Binder (rechts). (c) Bernhard Holzer

8.) DAS Networking-Schlaraffenland mit Erschöpfungspotential

Definitiv den größten Nutzen liefert das Megaevent wohl in Sachen Kontakte. Fast jeder fand, was oder wen er brauchte. Nina Kornfeind mit ihrer Kleinunternehmen-Buchhaltungssoftware Prosaldo hat zum Beispiel die heiß ersehnten und lang gesuchten App-Entwickler aus Polen an Land gezogen.

+++Analyse des brutkasten: Polen als Startup-Hotspot+++

Dafür heißt es aber auch: nicht schüchtern sein. Olivia Scheibelreiter, die mit ihrer Copywriting &  Content-Marketing-Firma sayitright beim Web Summit am Start ist, schätzt genau das: “It’s all about networking heißt es hier noch mehr als sonst wo. Man kann sehr viel rausholen, wenn man aktiv auf die Leute zugeht. Ich habe gerade eben neue potentielle Geschäftspartner getroffen.” Katharina Binder von The Ventury sieht irgendwann aber auch Grenzen erreicht: “Man redet hier de facto vier Tage durch. Bei 70.000 Leuten mit dem selben Mindset gibt es fast nur spannende Gesprächspartner. Irgendwann stößt hier aber auch der sozialste Mensch an seine Belastungsgrenze.”

9.) Das österreichische Startup-Highlight  – Goodbag als Überraschungs-Hit glänzt vor 20.000 Zuschauern

Christoph Hantschk war mit seinem Startup Goodbag aus österreichischer Sicht eine der absoluten positiven Überraschungen der Web Summit 2019. Das Startup, das mit einer schlauen B2B-Strategie normale Mehrwegtaschen mit Retailern und Umweltinitiativen wie Bäume pflanzen oder Ozeane reinigen matched, kämpfte sich Runde für Runde weiter. Am Ende hieß es: Halbfinale und Top 8-Platzierung – bei der starken Konkurrenz mehr als ein Achtungserfolg. Das Potential erkannte übrigens auch bereits der prominente Kunde Flughafen Heathrow in London, sowie zukünftige Kunden von der Schweiz bis Japan und Südkorea. Bevor es richtig losgeht, liegen die Umsätze bei Goodbag schon jetzt jenseits der 300.000 Euro pro Jahr – mehr als ein Versprechen für die Zukunft.

Web Summit
Die Präsentation von Goodbag auf dem Web Summit 2019 (c) Bernhard Holzer

Sustainibility und der Klimaschutz bekamen auch in der Tech-Welt große Beachtung. Fast die Hälfte der Finalisten kam aus diesem Feld – wobei besonders Qwarzo, das am besten Weg scheint, dem Plastik auf dieser Welt der Garaus zu machen hervorzuheben ist.

Abschließend noch einige weitere der heimischen Startups aus Österreich, die beim Web Summit 2019 unter insgesamt 2000 Startups die Fahnen für Österreich hoch gehalten haben: Userbrain, warrify, Vresh/Das Merch, vloggs, ClassNinjas, SlideLizard, fiskaly, Newsadoo, Salamantex, Trigo, moonvision und hokify.

Das Web Summit 2020 findet von 2. bis 5. November 2020 statt – wieder in Lissabon. Wir freuen uns schon darauf.

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v.l. Kilian Kaminsiki und Markus Linder

Neben der Klimakrise erleben wir eine ebenso Biodiversitätskrise. Während der Fokus meist auf der Reduktion von CO₂-Emissionen liegt, gerät der rasante Verlust an Artenvielfalt oftmals in den Hintergrund. Dabei sind beide Krisen eng miteinander verwoben: Intakte Ökosysteme wie Wälder, Moore oder Korallenriffe sind nicht nur Lebensräume für unzählige Arten, sondern auch essenzielle Kohlenstoffspeicher.

Um die Biodiversitätskrise wirksam anzugehen, ist ein umfassendes Monitoring entscheidend, um den Zustand der Ökosysteme zu bewerten, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Maßnahmen ergreifen zu können. Eine Lösung dafür bietet das Münchner Startup Hula Earth.

Die Lösung von Hula Earth

Hula Earth hat sich auf das Echtzeit-Monitoring von Biodiversität spezialisiert. Durch die Kombination von Satellitendaten mit vor Ort installierten IoT-Sensoren das Unternehmen eine präzise Erfassung und Analyse von Umweltparametern. Diese Sensoren sind solarbetrieben und sammeln kontinuierlich Daten, die über ein Funknetzwerk übertragen werden, selbst in abgelegenen Waldgebieten.

Die gesammelten Daten werden mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ausgewertet und in eine benutzerfreundliche Plattform integriert. Dies ermöglicht es Unternehmen und Organisationen, ihre Auswirkungen auf die Biodiversität zu messen, zu überwachen und transparente Berichte zu erstellen. Zudem unterstützt Hula Earth laut eigenen Angaben auch die Ausstellung von Biodiversitätszertifikaten, die gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) anrechenbar sind.

Hula Earth holt bekannte Investoren an Bord

Für das weitere Wachstum konnte sich Hula Earth im Rahmen einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde ein 1,6-Millionen-Euro-Investment sichern. Die Runde wurde von Point Nine Capital angeführt, mit Beteiligung von Climate Founders, Partners in Clime, WithEarth sowie Tier Mobility Gründer. Lawrence Leuschne.

Mit Kilian Kaminski, Gründer von refurbed, und Inoqo-Gründer Markus Linder, beide bekannt für ihr Engagement in der Nachhaltigkeit, beteiligen sich auch zwei bekannte Investoren aus Österreich am Unternehmen.

Neben dem Aufbau von inoqo war Linder bereits in der Vergangenheit als Angel Investor aktiv und investiere in diverse Startups, die sich mit skalierbaren Geschäftsmodellen dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben. Unter anderem hat er dafür das Investment-Vehikel Triple Impact Ventures gegründet. Zum Portfolio zählen unter anderem die zwei bekannten FoodTech-Startups Arkeon und Fermify (brutkasten berichtete).


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