22.02.2021

waterdrop überschreitet Marke von einer Million Kunden

Das Wiener Startup waterdrop hat laut eigenen Angaben die symbolische Marke von einer Million Kunden überschritten. 2021 soll die Expansion in Europa, USA und Asien weiter forciert werden.
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waterdrop
v.l.n.r.: Christoph Hermann, CDO und Co-Founder; Martin Murray, CEO & Founder; Henry Murray, CCO & Co-Founder | (c) PhilippLipiarski

Wie waterdrop am Montag in einer Aussendung bekannt gab, konnte das Unternehmen im Feber die symbolische Grenze von einer Million Kunden überschreiten. „Ich bin unglaublich dankbar und möchte mich bei unserem gesamten Team bedanken, das waterdrop mit einer unglaublichen Menge an Leidenschaft aufgebaut hat, und auch bei unseren treuen und unterstützenden Kunden, die an unseren Traum und unsere Mission geglaubt haben“, so waterdrop CEO Martin Murray in einer Aussendung.

Das Wiener Startup waterdrop wurde 2016 von Martin Murray und seinem Bruder Henry Murray sowie Christoph Hermann gegründet. Seitdem hat das Unternehmen einen beachtlichen Wachstumkurs hingelegt. Erst letzten Sommer eröffnete das Unternehmen auf der Wiener Mariahilfer Straße einen eigenen Flagship-Store und ist mittlerweile im stationären Retail-Bereich neben Österreich auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich vertreten.

Über E-Commerce ist der Mircrodrink aktuell in über zehn Ländern weltweit erhältlich. Wie Murray im Sommer 2020 gegenüber dem brutkasten erläuterte, werden zirka 15 Prozent des Umsatzes über den stationären Handel und 85 Prozent über den E-Commerce-Bereich erwirtschaftet – der brutkasten berichtete.

Mit Online-Marketing zum Erfolg

Der Schlüssel zum Erfolg liegt laut Murray neben dem innovativen Produkt im Online-Marketing und dem gezielten Aufbau einer eigenen Community. So spricht das Wiener Unternehmen Neukunden gezielt über Social Media an. Dabei wird auf einen Mix aus Social Ads, Influencer Marketing und Testimonials gesetzt. Aktuell zählt das Unternehmen auf seinem Instagram-Account rund 313.000 Abonnenten.

Zudem werden Bestandskunden über den sogenannten waterdrop Club langfristig an das Unternehmen und Produkt gebunden. Über den Club können sich Kunden austauschen, an Challenges teilnehmen oder erhalten in regelmäßigen Abständen Mitgliedervorteile.

“Online Marketing und der Aufbau unserer Community war für uns von Anfang an unsere Priorität. So konnten wir in schnellen Intervallen testen, optimieren und skalieren”, so Murray, der in einem eigenen Blog-Post anlässlich des Überschreitens der Marke von einer Million Kunden Einblicke in die Firmengeschichte gibt – angefangen von den ersten Produkttests über den Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ bis hin zur Eröffnung des ersten stationären waterdrop-Stores.

(c) waterdrop

200 Mitarbeiter und Engagement für Umweltschutz

In den letzten Jahren baute waterdrop zudem das eigene Team stark aus. Aktuell zählt das Unternehmen rund 200 Mitarbeiter, die sich aus 20 unterschiedlichen Nationalitäten zusammensetzen.

Neben den Ausbau des Teams ging waterdrop auch Kooperationen im Nachhaltigkeitsbereich ein. Seit 2020 sammelt waterdrop gemeinsam mit der Plastic Bank als Partner, für jede verkaufte Packung eine Plastikflasche aus der Umwelt wieder ein. Für Murray ist die Kooperation ein logischer Schritt, da sich waterdrop schon von Beginn als Alternative zur konventionellen Getränkeindustrie sah und ein klares Zeichen gegen das Abfüllen und Transportieren zuckerhaltiger Getränke in Plastikfalschen setzen wollte.

Die Pläne von waterdrop für 2021

Für 2021 hat waterdrop noch viel vor. So soll die Expansion in Europa, den USA und Asien weiter vorangetrieben werden. Zudem soll auch das Produktportfolio erweitert werden. So erfolgt aktuell die Einführung des vierten Mircroteas mit der Sorte „Mellow Mint“.

„Unser Produktportfolio wird kontinuierlich über unsere Microdrinks und Microteas hinauswachsen und schon bald die neuesten Technologien in Form Wasserfiltern, intelligenten Verschlüssen, einer waterdrop App und vielem mehr anbieten“, so Murray


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19.03.2025

Österreich und seine Medizin – ein Land am KI-Strome

Künstliche Intelligenz ist zwar in aller Munde, aber noch nicht in allen Praxen angekommen. Während bei manchen die zukünftige Gesundenuntersuchung wilde Science-Fiction-Vorfreude auslöst, herrscht bei anderen noch vorsichtige Skepsis – sowohl auf der Seite der Patient:innen als auch auf jener der Mediziner:innen. Eines jedoch ist nicht zu leugnen: Es tut sich was im Staate Österreich, die Medizin wandelt ihr Gesicht langsam, aber stetig. Ein Blick in die heimische Beziehung zwischen KI und Heilkunst.
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KI, KI in Medizin, Imagebiopsy Lab, KI Ambulanz, Symptoma
© Symptoma/ IBL - Nateqi, Founder Symptoma und Richard Ljuhar, Founder ImageBiopsy Lab.

Dieser Artikel erschien in der März-Ausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download der Digitalversion findet sich am Ende des Artikels.


„1277 221235, korrekt?“ Man nickt und bestätigt seinen Namen. Trotz der heftigen Schmerzen, die man verspürt, erinnert man sich an seine Sozialversicherungsnummer wie an die Geburtstage seiner Liebsten. In diesem Alter nicht verwunderlich, denkt man, denn ein Arztbesuch ist mittlerweile mehr wiederkehrender Alltag als ein Treffen mit manchen Freunden. „Bitte nehmen Sie Platz. Sie werden in neun Minuten 33 Sekunden bis neun Minuten 54 Sekunden aufgerufen“, sagt die künstliche Intelligenz, die in Form eines weiblichen Avatars am Empfang sitzt, tatsächlich Aida genannt wird und freundlich dreinblickt. Man fragt sich, ob man künstlichen Intelligenzen wirklich menschliche Namen geben sollte oder es doch lieber wie bei Hund und Katz hält – doch man verwirft den Gedanken schnell, denn der stechende Schmerz im Rücken zieht sich bis in den Oberschenkel hinab. Solche Fragen sollen andere klären!

Nach exakt neun Minuten und 39 Sekunden wird man in den Praxisraum gebeten, wo sich die Ärztin bereits alte Röntgenbilder, das letzte MRT und die aktuelle Diagnose auf einem riesigen Bildschirm ansieht. Sie scrollt weiter und findet Verletzungen aus den Teenagerjahren und sogar die eine Verstauchung aus Volksschulzeiten, die man beinahe vergessen hätte. Man stimmt erneut zu, diesmal dem Einsatz einer zweiten künstlichen Intelligenz, die den Körper von oben bis unten mit Sensoren scannt. Ein digitaler Zwilling wird in den Raum geworfen und die Ärztin zeigt auf genau jene Stelle, die die Pein in Rücken und Bein verursacht. Wenige Augenblicke vergehen und sie sagt: „Es sind die Bandscheiben.“

Zugegeben, wir reden hier von einer möglichen Zukunft eines Arztbesuchs, die noch Jahrzehnte entfernt sein könnte oder womöglich gar nicht derart eintritt. Doch solche Vorstellungen dürfen heutzutage erlaubt sein, sieht man sich die Entwicklung der künstlichen Intelligenz in den vergangenen Jahren an.

Univ. Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der MedUni Wien, hat am 5. November des Vorjahrs im Gesundheitsmagazin „MedMedia“ kompakt zusammengefasst, wie die „Mensch-Maschine-Interaktion auf Basis künstlicher Intelligenz“ die Medizin bereits heute verändert. Ihm zufolge hat die KI historisch ihre Wurzeln in der Naturwissenschaft und ebbte als Forschungsgegenstand nach einem kurzen Hoch in den 1940ern wieder ab. Erst 40 Jahre später hat man den Faden wieder aufgenommen und festgestellt, dass neuronale Netze (ein Ansatz im maschinellen Lernen) für die Lösung komplexer Aufgaben trainiert werden können.

Als die Verfügbarkeit von Datenmengen zunahm und die Worte „Deep Learning“ und „Big Data“ erstmals ins kollektive Bewusstsein Einzug hielten, gab es in diesem Bereich einen großen Fortschritt, was zu „schnellerer Rechenleistung und verbesserten Algorithmen“ führte. Dies geschah in den 2000er Jahren und bildet die Grundsteine für heutige KI-Entwicklungen, die teilweise seit dem Aufkommen von OpenAIs ChatGPT einen nahezu popkulturellen Status innerhalb der Gesellschaft erreicht haben.

Angewandte Bildgebung bereits KI geneigt

Richard Ljuhar, Gründer des österreichischen KI-Medtechs ImageBiopsy Lab, sieht unterschiedliche Anwendungsbereiche der künstlichen Intelligenz in der heimischen Ärzteschaft: der Pathologie etwa. „Bei uns sprechen wir aber bei KI in der Medizin von angewandter Bildgebung“, sagt er. „Da hat sich in letzter Zeit viel getan. 2018 war die künstliche Intelligenz in den Anfangsstadien und bereits in der Radiologie etabliert. Radiologen sind technisch affin und haben großes Interesse, den Workflow optimal zu gestalten; bei gleichzeitiger Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit. Es war Standard. Jetzt ist KI auch außerhalb dieses Bereichs omnipräsent und beginnt zu wachsen. Orthopäden etwa, wo die KI immer wichtiger wird, sind jetzt dort, wo Radiologen vor einigen Jahren waren. Wir sind an dem Punkt angekommen, wo die Akzeptanz bereits da ist.“

Eine Akzeptanz-Einschätzung, die Jama Nateqi, Founder des Healthtech-Startups Symptoma, durchaus teilt. Er sieht die Anwendungsbereiche von künstlicher Intelligenz in der umfassenden Unterstützung von administrativen und klinischen Prozessen im Krankenhaus und in den Arztpraxen – und startete mit dem Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol ein Projekt, um die „erste KI gestützte Ambulanz Europas“ ins Leben zu rufen.

„Dies zeigt wunderbar, wie KI in der Medizin helfen kann“, sagt Nateqi. „Dabei steht jeweils unsere Kerntechnologie, an der wir seit 19 Jahren arbeiten, im Mittelpunkt – nämlich die Einschätzung von Krankheitswahrscheinlichkeiten. Das geht auch in Arztpraxen. Wir werden sehr bald eine komplette Transformation sehen.“

Diese zwei Einschätzungen beider Founder decken sich mit den Aussagen von MedUni Rektor Markus Müller, der im Vorjahr ähnliche Entwicklungen erkannt hat: „Aktuell sehen wir noch einen Großteil der KI-Anwendungen im Bereich der Administration und bei wiederkehrenden Prozessen – vor allem, wenn es um die Mustererkennung geht. Die große Domäne in der Medizin ist aktuell die Diagnostik, und hier vor allem die Radiologie, die Dermatologie, die Augenheilkunde oder die Pathologie sowie die Labormedizin“, wird er in „MedMedia“ zitiert.

Das KI-Repertoire der Republik

In Österreich entdecken heute KI-Algorithmen bereits Läsionen, schätzen Krebsrisiken ein, helfen bei der Diagnose von Erkrankungen mit komplexen Erscheinungsbildern oder dienen der Frühwarnung. Auch die Identifizierung von Krankheitsmerkmalen in Bildern, die man – ohne explizit danach zu suchen – gar nicht sehen würde, gehört zum aktuellen Repertoire. Nateqi weiß in diesem Sinne, dass hierzulande Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte ein großes Versprechen in KI sehen, nämlich jenes, dass ihnen die enorme administrative Last abgenommen wird. „Die brennen darauf, das umzusetzen“, sagt er.

Ljuhar nach hätten Medizinerinnen und Mediziner mittlerweile auch verstanden, dass die KI niemanden ersetzen werde, sondern dabei unterstützen soll, Kranke und Verletzte richtig zu diagnostizieren. „ChatGPT hat dabei sehr geholfen“, meint der Founder. „Ein bekannter US Radiologe hat 2016 gemeint, in zehn Jahren werde es keine Radiologen geben, die KI nicht als Standard einsetzen. Jene, die sich nicht darauf einließen, würden vom Markt verschwinden. Heute sind wir in Österreich schon ein Jahr früher dort.“

Dazu betont der ImageBiopsy-Founder, dass speziell Radiologie-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter den Drang hätten, noch genauer zu werden, ebenso effizienter und zudem noch „gute Rechner“ seien: Sie würden KI als Teil der Infrastrukturkosten sehen und von Natur aus mit „sündhaft teuren“ Geräten arbeiten. „Wenn die sagen, ‚KI ergibt Sinn‘, dann sind wir an dem Punkt angekommen, wo künstliche Intelligenz Standard ist“, sagt er – und umreißt die allgemeine Richtung, in die wir uns bewegen.

Bei der Blutuntersuchung würde sich die Wartezeit auf den Befund drastisch verkürze (von Wochen auf Sekunden), Radiolog:innen würden sich nur noch ausgewiesene Werte außerhalb der Norm ansehen, Orthopäd:innen könnten Fehlstellungen schneller erfassen; in der Lungendiagnostik könnte die KI nach einem Scan auf mögliche Lungenherde hinweisen – mit der Bitte um genauere Betrachtung der Stelle. Ljuhar ist überzeugt, dass die KI in der medizinischen Bildgebung „der Standard“ werden wird: „Die Ärzte, die diese Technologie nicht wollen, werden verdrängt werden.“

Während seiner Erfahrung nach vor zwei bis drei Jahren kaum Interesse an KI bestand, habe sich das bei Ärzt:innen geändert. Die Akzeptanz würde dort „im Laufschritt mit dem Reifegrad der Software“ stark zunehmen – eine Stärke allerdings, die sich unter den Patient:innen erst noch herausbilden muss, wie man nicht nur zwischen den Zeilen beider Experten heraushört.

Für Nateqi muss die Entscheidung zum Einsatz von KI bei den Patient:innen bleiben. Er weiß, dass der wichtigste Vorbehalt die sensible Frage der Souveränität des Menschen (Datenschutz) ist – und sieht es als ethische Verantwortung, die technologische und finanzielle Herausforderung zu meistern, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern, ohne ihre Souveränität anzutasten.

Daher verfolgt er mit seinem Unternehmen den Ansatz, dass Daten beim Leistungserbringer verbleiben und lokal verarbeitet werden. Hierzu muss jeweils in eine eigene KI-Infrastruktur investiert werden. „Bald wird es als Kunstfehler gelten, wenn man KI nicht einsetzt“, ist der Symptoma-Gründer überzeugt.

Die „einfache“ Lösung wäre, die Daten einfach in eine Cloud zu schieben und dort zentral mit KI verarbeiten zu lassen. „Ich warne jedoch davor, von US-Firmen Cloud-Lösungen anzunehmen, auch wenn sie hybrid sind. Cloud ist Cloud und Daten sollten erst gar nicht rausgehen“, sagt Nateqi. Ljuhar indes hat neben der großen Frage des Schutzes eigener Daten etwas anderes bemerkt: Patient:innen seien in letzter Zeit viel „selbstbewusster“ geworden und forderten bei der orthopädischen Bildgebung den Einsatz von KI aktiv ein, sobald sie sie einmal gesehen hätten.

Explainable AI

„Sie werden schon sehr wohl aufmerksam“, präzisiert er, „aber es wird noch eine Weile dauern, bis es flächendeckend ausgerollt wird.“ Wir seien noch nicht in der Phase, es als Verantwortung von Patientinnen und Patienten zu sehen, sondern man müsse Medizinerinnen und Medizinern die Tools in die Hand geben, um Patienten und Patientinnen in die neuen Möglichkeiten einzubinden.

Heutzutage gebe es Befunde mit lateinischen Begriffen, die Betroffene nicht verstehen. Da könnte eine „explainable AI“ die Lösung sein. „Im Augenblick kämpft man mit mancher Skepsis, aber wir befinden uns auf einem guten Weg“, so Ljuhar. Er wirft Anreize für Patientinnen und Patienten ins Feld und spricht von einer „Infrastruktur, die man bieten müsse, um den Menschen die Sorge Stück für Stück zu nehmen“. „Der Gesetzgeber hat auch verstanden, dass etwas gemacht werden muss, um ‚explainable AI‘ zum Patienten zu bringen. Man muss ‚Anbieter mit Ärzten mit Patienten‘ verbinden. Es braucht den Willen. Die Jungen fragen alle bereits danach.“

In diesem Sinne schlägt Nateqi in eine ähnliche Kerbe, was die nächsten Schritte betrifft: „Man sollte vonseiten der Politik die Sorgen und Bedenken der Menschen ernst nehmen und Datenschutz priorisieren – und nicht KI langsamer, sondern nachhaltiger gestalten. Ansonsten wird man auf Widerstand in der Bevölkerung treffen.“

19.03.2025

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Künstliche Intelligenz ist zwar in aller Munde, aber noch nicht in allen Praxen angekommen. Während bei manchen die zukünftige Gesundenuntersuchung wilde Science-Fiction-Vorfreude auslöst, herrscht bei anderen noch vorsichtige Skepsis – sowohl auf der Seite der Patient:innen als auch auf jener der Mediziner:innen. Eines jedoch ist nicht zu leugnen: Es tut sich was im Staate Österreich, die Medizin wandelt ihr Gesicht langsam, aber stetig. Ein Blick in die heimische Beziehung zwischen KI und Heilkunst.
KI, KI in Medizin, Imagebiopsy Lab, KI Ambulanz, Symptoma
© Symptoma/ IBL - Nateqi, Founder Symptoma und Richard Ljuhar, Founder ImageBiopsy Lab.

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„1277 221235, korrekt?“ Man nickt und bestätigt seinen Namen. Trotz der heftigen Schmerzen, die man verspürt, erinnert man sich an seine Sozialversicherungsnummer wie an die Geburtstage seiner Liebsten. In diesem Alter nicht verwunderlich, denkt man, denn ein Arztbesuch ist mittlerweile mehr wiederkehrender Alltag als ein Treffen mit manchen Freunden. „Bitte nehmen Sie Platz. Sie werden in neun Minuten 33 Sekunden bis neun Minuten 54 Sekunden aufgerufen“, sagt die künstliche Intelligenz, die in Form eines weiblichen Avatars am Empfang sitzt, tatsächlich Aida genannt wird und freundlich dreinblickt. Man fragt sich, ob man künstlichen Intelligenzen wirklich menschliche Namen geben sollte oder es doch lieber wie bei Hund und Katz hält – doch man verwirft den Gedanken schnell, denn der stechende Schmerz im Rücken zieht sich bis in den Oberschenkel hinab. Solche Fragen sollen andere klären!

Nach exakt neun Minuten und 39 Sekunden wird man in den Praxisraum gebeten, wo sich die Ärztin bereits alte Röntgenbilder, das letzte MRT und die aktuelle Diagnose auf einem riesigen Bildschirm ansieht. Sie scrollt weiter und findet Verletzungen aus den Teenagerjahren und sogar die eine Verstauchung aus Volksschulzeiten, die man beinahe vergessen hätte. Man stimmt erneut zu, diesmal dem Einsatz einer zweiten künstlichen Intelligenz, die den Körper von oben bis unten mit Sensoren scannt. Ein digitaler Zwilling wird in den Raum geworfen und die Ärztin zeigt auf genau jene Stelle, die die Pein in Rücken und Bein verursacht. Wenige Augenblicke vergehen und sie sagt: „Es sind die Bandscheiben.“

Zugegeben, wir reden hier von einer möglichen Zukunft eines Arztbesuchs, die noch Jahrzehnte entfernt sein könnte oder womöglich gar nicht derart eintritt. Doch solche Vorstellungen dürfen heutzutage erlaubt sein, sieht man sich die Entwicklung der künstlichen Intelligenz in den vergangenen Jahren an.

Univ. Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der MedUni Wien, hat am 5. November des Vorjahrs im Gesundheitsmagazin „MedMedia“ kompakt zusammengefasst, wie die „Mensch-Maschine-Interaktion auf Basis künstlicher Intelligenz“ die Medizin bereits heute verändert. Ihm zufolge hat die KI historisch ihre Wurzeln in der Naturwissenschaft und ebbte als Forschungsgegenstand nach einem kurzen Hoch in den 1940ern wieder ab. Erst 40 Jahre später hat man den Faden wieder aufgenommen und festgestellt, dass neuronale Netze (ein Ansatz im maschinellen Lernen) für die Lösung komplexer Aufgaben trainiert werden können.

Als die Verfügbarkeit von Datenmengen zunahm und die Worte „Deep Learning“ und „Big Data“ erstmals ins kollektive Bewusstsein Einzug hielten, gab es in diesem Bereich einen großen Fortschritt, was zu „schnellerer Rechenleistung und verbesserten Algorithmen“ führte. Dies geschah in den 2000er Jahren und bildet die Grundsteine für heutige KI-Entwicklungen, die teilweise seit dem Aufkommen von OpenAIs ChatGPT einen nahezu popkulturellen Status innerhalb der Gesellschaft erreicht haben.

Angewandte Bildgebung bereits KI geneigt

Richard Ljuhar, Gründer des österreichischen KI-Medtechs ImageBiopsy Lab, sieht unterschiedliche Anwendungsbereiche der künstlichen Intelligenz in der heimischen Ärzteschaft: der Pathologie etwa. „Bei uns sprechen wir aber bei KI in der Medizin von angewandter Bildgebung“, sagt er. „Da hat sich in letzter Zeit viel getan. 2018 war die künstliche Intelligenz in den Anfangsstadien und bereits in der Radiologie etabliert. Radiologen sind technisch affin und haben großes Interesse, den Workflow optimal zu gestalten; bei gleichzeitiger Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit. Es war Standard. Jetzt ist KI auch außerhalb dieses Bereichs omnipräsent und beginnt zu wachsen. Orthopäden etwa, wo die KI immer wichtiger wird, sind jetzt dort, wo Radiologen vor einigen Jahren waren. Wir sind an dem Punkt angekommen, wo die Akzeptanz bereits da ist.“

Eine Akzeptanz-Einschätzung, die Jama Nateqi, Founder des Healthtech-Startups Symptoma, durchaus teilt. Er sieht die Anwendungsbereiche von künstlicher Intelligenz in der umfassenden Unterstützung von administrativen und klinischen Prozessen im Krankenhaus und in den Arztpraxen – und startete mit dem Bezirkskrankenhaus St. Johann in Tirol ein Projekt, um die „erste KI gestützte Ambulanz Europas“ ins Leben zu rufen.

„Dies zeigt wunderbar, wie KI in der Medizin helfen kann“, sagt Nateqi. „Dabei steht jeweils unsere Kerntechnologie, an der wir seit 19 Jahren arbeiten, im Mittelpunkt – nämlich die Einschätzung von Krankheitswahrscheinlichkeiten. Das geht auch in Arztpraxen. Wir werden sehr bald eine komplette Transformation sehen.“

Diese zwei Einschätzungen beider Founder decken sich mit den Aussagen von MedUni Rektor Markus Müller, der im Vorjahr ähnliche Entwicklungen erkannt hat: „Aktuell sehen wir noch einen Großteil der KI-Anwendungen im Bereich der Administration und bei wiederkehrenden Prozessen – vor allem, wenn es um die Mustererkennung geht. Die große Domäne in der Medizin ist aktuell die Diagnostik, und hier vor allem die Radiologie, die Dermatologie, die Augenheilkunde oder die Pathologie sowie die Labormedizin“, wird er in „MedMedia“ zitiert.

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In Österreich entdecken heute KI-Algorithmen bereits Läsionen, schätzen Krebsrisiken ein, helfen bei der Diagnose von Erkrankungen mit komplexen Erscheinungsbildern oder dienen der Frühwarnung. Auch die Identifizierung von Krankheitsmerkmalen in Bildern, die man – ohne explizit danach zu suchen – gar nicht sehen würde, gehört zum aktuellen Repertoire. Nateqi weiß in diesem Sinne, dass hierzulande Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte ein großes Versprechen in KI sehen, nämlich jenes, dass ihnen die enorme administrative Last abgenommen wird. „Die brennen darauf, das umzusetzen“, sagt er.

Ljuhar nach hätten Medizinerinnen und Mediziner mittlerweile auch verstanden, dass die KI niemanden ersetzen werde, sondern dabei unterstützen soll, Kranke und Verletzte richtig zu diagnostizieren. „ChatGPT hat dabei sehr geholfen“, meint der Founder. „Ein bekannter US Radiologe hat 2016 gemeint, in zehn Jahren werde es keine Radiologen geben, die KI nicht als Standard einsetzen. Jene, die sich nicht darauf einließen, würden vom Markt verschwinden. Heute sind wir in Österreich schon ein Jahr früher dort.“

Dazu betont der ImageBiopsy-Founder, dass speziell Radiologie-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter den Drang hätten, noch genauer zu werden, ebenso effizienter und zudem noch „gute Rechner“ seien: Sie würden KI als Teil der Infrastrukturkosten sehen und von Natur aus mit „sündhaft teuren“ Geräten arbeiten. „Wenn die sagen, ‚KI ergibt Sinn‘, dann sind wir an dem Punkt angekommen, wo künstliche Intelligenz Standard ist“, sagt er – und umreißt die allgemeine Richtung, in die wir uns bewegen.

Bei der Blutuntersuchung würde sich die Wartezeit auf den Befund drastisch verkürze (von Wochen auf Sekunden), Radiolog:innen würden sich nur noch ausgewiesene Werte außerhalb der Norm ansehen, Orthopäd:innen könnten Fehlstellungen schneller erfassen; in der Lungendiagnostik könnte die KI nach einem Scan auf mögliche Lungenherde hinweisen – mit der Bitte um genauere Betrachtung der Stelle. Ljuhar ist überzeugt, dass die KI in der medizinischen Bildgebung „der Standard“ werden wird: „Die Ärzte, die diese Technologie nicht wollen, werden verdrängt werden.“

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Explainable AI

„Sie werden schon sehr wohl aufmerksam“, präzisiert er, „aber es wird noch eine Weile dauern, bis es flächendeckend ausgerollt wird.“ Wir seien noch nicht in der Phase, es als Verantwortung von Patientinnen und Patienten zu sehen, sondern man müsse Medizinerinnen und Medizinern die Tools in die Hand geben, um Patienten und Patientinnen in die neuen Möglichkeiten einzubinden.

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In diesem Sinne schlägt Nateqi in eine ähnliche Kerbe, was die nächsten Schritte betrifft: „Man sollte vonseiten der Politik die Sorgen und Bedenken der Menschen ernst nehmen und Datenschutz priorisieren – und nicht KI langsamer, sondern nachhaltiger gestalten. Ansonsten wird man auf Widerstand in der Bevölkerung treffen.“

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