19.08.2024
CORPORATE VENTURING | FOLGE 5

Was bei Venture Clienting und Cross-Industry-Collaboration zu beachten ist

Nachlese. Was bewegt Corporates dazu, mit Startups zu koopieren? Welche Vorteile hat Corporate Venture Clienting und welche Erfolgsfaktoren für eine gelungene Kooperation lassen sich benennen? Um diese Fragen dreht es sich in Folge 5 unserer Schwerpunktserie "Corporate Venturing". Mit dabei sind diesmal Plug and Play Austria, AVL, Elevator Ventures und Infineon.
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Collage und Titelbild der CV Serie Fotos der Gesprächspartner
vlnr. Andreas Muehlberger (Strategic Partner Manager, Infineon); Maximilian Schausberger (Managing Director, Elevator Ventures); Sebastian Jagsch (Global Head of Creators Expedition, AVL); Nik Munaretto (Managing Director, Plug and Play Austria)

“Corporate Venturing” is powered by AVL, Elevator Ventures, Flughafen Wien – Vienna Airport, ÖBB, Plug and Play Tech Center, Raiffeisen Bank International AG, UNIQA Ventures und VERBUND AG.


Mit der brutkasten-Serie Corporate Venturing widmen wir uns Innovationsaktivitäten von Großunternehmen wie der Zusammenarbeit mit Startups und Scaleups oder dem Venture Building. Wir arbeiten dabei heraus, wie unterschiedlichste Aktivitäten in diesem Feld als Innovationsmotor für die österreichische Volkswirtschaft fungieren können.

In dieser Folge kommen Vertreter von Corporates zu Wort, die ihre Sicht auf die Frage: “Warum mit Startups kooperieren?” darlegen. Sie beschreiben wie die Zusammenarbeit gelingt, welche Learnings aus vergangenen Projekten gezogen wurden und warum sich Startups und Corporates auf verschiedene Arten zusammentun sollten.

Zu Gast bei brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic waren dazu Nik Munaretto von Plug and Play Austria, Sebastian Jagsch von AVL, Maximilian Schausberger von Elevator Ventures, dem Venture-Capital-Arm der Raiffeisen Bank International (RBI) und Andreas Mühlberger von Infineon.


1. | Beweggründe für die Kooperation mit Startups

2. | Fokus auf Kooperationsform des Venture Clienting

3. | Fokus auf Kooperationsform der Cross-Industry-Collaboration

4. | Erfolgreiche Kooperationen: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen


1. | Warum Corporates mit Startups kooperieren

Mit großer Einigkeit unter den Vertretern werden die Vorteile der Zusammenarbeit zwischen Corporates und Startups besprochen. Dabei beleuchten die Corporate-Venturing-Vertreter aus ihren unterschiedlichen Perspektiven, warum sie mit Startups zusammenarbeiten und welche Vorteile sie in der engen Kooperation sehen.

“Man muss nicht alles intern erfinden und herumbasteln”

Werden Anwendungen und Lösungen firmenextern entwickelt, kann es für etablierte Unternehmen einen Innovationsschub bedeuten. Durch die enge Kooperation bringen Startups ihr Spezialwissen in ein Unternehmen ein. Sich dieses Wissen selbst zu erarbeiten würde wiederum einen hohen Aufwand für das Unternehmen bedeuten. Durch Corporate-Startup-Collaboration ergeben sich also Effizienzvorteile. Das sieht auch Plug and Play Managing Director Nik Munaretto und erklärt: “Man muss nicht alles intern erfinden und herumbasteln”.

“Es ist oft viel, viel schneller und es gibt viel mehr Benefits, Startups ins Unternehmen reinzuholen, die wirklich fokussiert auf ein Thema sind”. Warum Corporates mit Startups eng zusammenarbeiten liegt also für Munaretto von Plug and Play auf der Hand: “Am Ende des Tages habe ich Cost Savings und habe mehr Umsatz. Das ist eigentlich unserer Meinung nach einer der größten Benefits”, sagt der Managing Director.

Seit mehr als sieben Jahren hat sich AVL bereits diesem Thema gewidmet. Das Unternehmen fokussiert sich dabei vor allem auf Co-Innovation. Dabei werden Produkte und Services für AVL-Kunden in Kooperation mit Startups generiert. So können Startup-Technologien genutzt werden, in die sich die Corporates selbst noch nicht hineinbewegt haben und diese dann “schneller und effizienter an den Markt” gebracht werden, sagt Sebastian Jagsch von AVL. Im Gespräch betont er das Potenzial für Effiziensteigerung durch Co-Innovation.

Startups gehen schneller an den Markt

Maximilian Schausberger von Elevator Ventures, dem RBI-Venture-Capital-Bereich, sieht Startups als “Profis für den Product-Market-Fit”. So würden Startups eng am Markt agieren und dementsprechend rasch entscheiden, ob ein Projekt erfolgreich ist und weiterverfolgt werden sollte. “Neuer Versuch, bis es funktioniert”, fasst der RBI-Vertreter die Startup-Mentalität zusammen.

Für Corporates ergibt sich durch das permanente Testen so die Möglichkeit, in einer kurzen Zeitspanne Produkte nutzbar zu machen. Corporate-Startup-Collaboration-Projekte machen für Schausberger deshalb Sinn, weil sie nach dem Motto funktionieren: “Lasst uns denen helfen und sie helfen uns, etwas rascher an Mann und Frau zu bringen”.

Die Vorteile der Startup-Kooperation erkennt Andreas Muehlberger von Infineon vor allem im Zugang zur Expertise der großen Unternehmen. Startups profitieren vom engen Kontakt mit Fachkräften der Corporates und dem Erfahrungsschatz großer Unternehmen. Für Infineon ergeben sich aus etwa zwei Drittel der Startup-Kooperationen danach Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Das verbleibende Drittel der Startups entwickelt sich zu einem Zulieferer von Infineon und steuert in dieser Form von Außen IP bei.

2. | Vorteile des Corporate Venture Clienting

Corporate Venture Clienting beschreibt der Experte von AVL, Sebastian Jagsch wie folgt: “Wir werden Kunde eines Startups”, weil Corporates “lieber mal etwas einkaufen, als das wir es selbst machen”. Vor allem in Branchen, die sich schnell entwickeln, wäre diese Kooperationsform sinnvoll. Er nennt hier Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI). In diesen Themenfeldern können Startups schneller entwickeln als Corporates.

Wie Startups von Venture Clienting profitieren

Startups profitieren von dieser Kooperationsform – und das sogar über den Kundengewinn hinaus. So ergeben sich Vorteile von Venture Clienting dadurch, dass die enge Beziehung mit einem etablierten Unternehmen auch mit einem Reputationsgewinn für das Startup einhergeht. Außerdem erlaubt eine sichere Kunden-Lieferanten-Beziehung es auch, Produkte im Sinne eines Blueprints auszuprobieren. So entsteht auch ein Vorsprung gegenüber anderen Startups, von dem wiederum Corporates profitieren, erzählt Jagsch. “Natürlich hätten wir da gerne noch einen Stake mit drinnen, wir machen das mit einem wirtschaftlichen Interesse”, sagt der AVL-Vertreter.

Den Sinn von einem Startup-Programm erklärt Andreas Muehlberger von Infineon so: “Es ist einmal der erste Schritt, um in eine so große Organisation wie Infineon die Tür zu öffnen.” Dabei ergibt sich für Startups die Möglichkeit, die eigene Idee mit Fachpersonal aus den großen Unternehmen zu besprechen und dann mit den richtigen Ansprechpartner:innen gemeinsam das Pilotprojekt umzusetzen. “Das bringt sehr viel Zusammenarbeit, Vernetzung und Gewinn für das Startup”, sagt Muehlberger. Er nennt auch ein konkretes Beispiel für eine Kooperation mit einem schwedischen Unternehmen: “Zuerst hat man kooperiert und binnen einem halben Jahr ist es zu einem M&A gekommen, das Startup ist jetzt Teil von Infineon.”

Venture Clienting braucht Prozesse

Damit die Vorteile der Venture-Clienting-Kooperation auch greifen können, ist ein etablierter Prozess in der Zusammenarbeit notwendig, betont Nik Munaretto von Plug and Play Austria. Dieser Prozess umfasse sowohl das Testen der Kooperationspartner als auch der Projekte.

Möglichst viele Mitarbeiter:innen in der Organisation mit den Startups in Kontakt zu bringen, sei eine zentrale Komponente im Venture Clienting. Ein Unternehmen müsse auch die internen Prozesse auf die Zusammenarbeit mit Startups umlegen. Maximilian Schausberger nennt hier einige Bereiche von der IT-Infrastruktur über die IT-Sicherheitsstruktur bis hin zu Datensicherheit und Procurement. Diese Abläufe würden durch das Hinzukommen von Startups berührt und müssten auch verändert werden. Für Schausberger ist es daher wichtig, hier eine Basis zu legen und sicherzustellen, dass im Falle von enger Corporate-Startup-Collaboration diese Verbindungen bereits geklärt sind. Dafür empfiehlt Schausberger einen Zeitraum von bis zu drei Jahren.

Im Gespräch bringt Jagsch einen konträreren Gedanken dazu ein. Er lädt Corporates dazu ein, die Venture-Clienting-Beziehung pragmatisch anzugehen. “Lieber mit einem Beispiel beginnen und sich einmal trauen, das Venture einzugehen”, meint Jagsch. Denn es wäre problematisch, “wenn man zuerst das Programm baut, dann viele POCs durchspielt und dann das Werteversprechen nicht einhalten kann”. Der AVL-Vertreter empfiehlt den schnellen Einstieg in die Kooperation.

Quick-Wins säen und Verständnis ernten

Dass Venture Clienting eine gewisse Form der organisierten Kooperationsstrukturen braucht, darüber sind sich die Vertreter einig. “Weil ohne Prozesse ist es so, als schmeiße man etwas ins Leere hinein und hoffe auf das Beste”, erklärt Munaretto. Dennoch braucht der Aufbau dieser Strukturen Zeit und Ressourcen.

Um hier die “skeptischen CFOs” zu überzeugen, empfiehlt Munaretto “low-hanging fruits”, wie zum Beispiel Effizienzprobleme im Accounting oder anderen Unternehmensbereichen mit Startup-Kooperationen zu verbessern. Diese wenig aufwändigen und dennoch sehr sichtbaren Verbesserungen würden gute Werbung für Startup-Corporate-Beziehungen sein und würden beweisen, “dass Startup-Kooperation funktioniert”, sagt Munaretto.

Im eigenen Unternehmen überzeugen

Wie man unterschiedliche Unternehmensbereiche auf den Venture-Clienting-Zug aufspringen lässt, weiß Jagsch: Leuchtturmprojekte vorstellen und erfolgreiche Beispiele für Kooperationen unternehmensintern zu kommunizieren, wären Möglichkeiten im Unternehmen eine Startup-freundliche Kultur zu etablieren.

“Ein synergetisches Miteinander”, ergibt sich daraus, dass jene Startups, die eng mit den Corporates zusammenarbeiten, auch Produktverantwortung haben, sowie strukturierte Agile-Teams zur Verfügung gestellt bekommen. Das erklärt Schausberger am Beispiel von Venture-Clienting-Kooperationen, in denen die RBI auch involviert war.

Die Formen des Venture Clienting

Für Munaretto gehen aus einem Corporate Venturing Programm zwei Ansätze hervor: Entweder hat ein Corporate ein Problem, das gelöst werden muss, oder es möchte mithilfe einer neuen Technologie etwas Neues entwickeln.

Bei letzterem geht es darum, zukunftsweisende Technologien wie AI zu erkunden, obwohl noch unklar ist, wie sie genau genutzt werden können. Unternehmen sprechen deshalb mit vielen Startups, um mögliche Anwendungsfälle zu identifizieren. Häufiger, erklärt Munaretto, wird jedoch ein konkretes Problem erkannt, für das gezielt ein Startup genutzt werden soll. Am Beispiel vom Flughafen Wien erörtert Munaretto diesen Ansatz.

In einem Programm, das auf Partnerschaften ausgerichtet ist, selektiert man jene aus, die rasch Resultate liefern können, sagt Maximilian Schausberger. Innovative Unternehmen, deren Nutzen erst nach einiger Zeit sichtbar wird, würden so öfter durchfallen. In einem Venture-Clienting-Ansatz ergibt sich jedoch die Möglichkeit, dass Corporates diesen Unternehmen und ihrer Entwicklungsreise beiwohnen können.

Anders sieht das der AVL-Vertreter: “Für uns ist Innovation nicht unsere Weiterentwicklung, die Core-Innovation würden wir nicht als Innovation bezeichnen”, erklärt Jagsch. Er unterscheidet hier zwischen Venture-Clienting-Elementen in internen Unternehmensbereichen und der Adjacent-Innovation in anderen Geschäftsbereichen oder Märkten. Bei zweiterem wäre der ROI sehr viel schwieriger messbar. AVL setzt daher mehr auf Partnerschaften als auf Venture Clienting.

Venture Clienting kostet und Ressourcen müssen definiert sein

Jagsch erklärt auch, dass Venture Clienting Kosten verursacht, da Startups Aufwände haben, um mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen stellt dafür Budgets bereit, so werden Kooperationskosten nicht zur Hürde. Dabei ist das Budget flexibel und kein fixiertes Projektbudget, das vom Startup selbst beantragt werden muss. “Wir sind hier fair und das Budget sollte nicht die Hürde sein, weswegen ein Projekt nicht zustande kommt”, sagt Jagsch über die Handhabe bei AVL.

Ähnlich sieht das auch Mühlberger von Infineon. Das Unternehmen handhabt die Kooperationskosten ähnlich. Venture Clienting bei Infineon bedeute aber auch, dass die Zusammenarbeit mit Startups auf Projektbasis erfolgt, dadurch entstehende Aufwände werden vergütet. Allerdings kooperiert Infineon erst in einer späteren Phase mit den Startups, wenn ein erster Prototyp oder eine konkrete Idee vorhanden ist. Wenn dies der Fall ist, wird ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. “Im Bereich Venture-Clienting ist es so, dass wenn die etwas für uns machen, unterstützen wir konkret und vergeben Aufträge”, sagt Muehlberger.

“Cool, wir haben auf euch gewartet”, sagen die wenigsten der besten Startups, weiß Munaretto von Plug and Play. Er betont deshalb, dass Ressourcen – sowohl finanzielle als auch personelle – vorhanden sein müssen, bevor Corporates mit einem Startup zusammenarbeiten können. Es wäre wichtig, wer im Unternehmen mit dem Startup kooperiert, damit die Zusammenarbeit erfolgreich wird und für beide Seiten einen Nutzen bringt.

3. | Fokus auf Kooperationsform der Cross-Industry-Collaboration

Die Cross-Industry-Collaboration ist eine weitere Form der Startup-Corporate-Collaboration. Hier verbinden sich unterschiedliche Corporates, um gemeinsame Herausforderungen mithilfe von Startups zu bewältigen. Dabei kann diese Kooperation auch institutionalisiert sein und verschiedene Branchen zusammenbringen.

Über die Bringschuld der Corporates

Cross-Industry-Collaborations mit Startups gebe es auf zwei unterschiedlichen Wegen, weiß Sebastian Jagsch von AVL. Ersterer wäre: Es besteht gemeinsam mit den Startups das Ziel darin, zusammen einen Dritten, also einen Kunden, zu gewinnen, dem sie die gemeinsam erarbeitete Lösung verkaufen wollen. Für AVL gilt das als der einfachste Cross-Industry-Weg, denn die gemeinsame Lösung hat sich schon bewiesen. Jetzt geht es darum, den Kunden zu überzeugen. Dabei sind Startup und Corporate bereits verbündet.

Schwieriger wird es beim zweiten Fall, den Jagsch beschreibt. Nämlich jener, in dem es noch keine fertige Lösung und möglicherweise auch kein klares Problem gibt. Bereits besteht aber für Corporates die Vermutung, dass ähnliche Herausforderungen existieren. Die Aufgabe der Corporates, wie AVL, sieht Jagsch dann darin, sich zu verbinden und gemeinsam die Startups effizienter zu nutzen. So sollen sich Corporates zusammenfinden und allgemeine Problemstellungen formulieren, damit sich Startups an die Lösungsfindung machen können, ohne durch verschiedenste Unternehmensanforderungen in ihrer Arbeit verwirrt zu werden.

“Und das müssen wir tun, das ist unsere Bringschuld als Corporates, uns hier zusammenzusetzen und zusammenzuarbeiten”, findet Jagsch. AVL hat hier ein Programm und eine Plattform gestartet, in der bereits 20 Unternehmen aus dem DACH-Raum zusammengeführt werden. “Definitiv auch Energie investieren” wird Infineon in diesem Bereich, erzählt Muehlberger.

Dinge gemeinsam anzuschauen, macht durchaus Sinn

Cross-Industry-Collaboration wird auch von Maximilian Schausberger gelobt, der das Beispiel von Elevator Ventures und VerbundX einbringt. Schausberger beschreibt hier die Win-Win Situation, die sich aus den unterschiedlichen Expertisen ergibt, wenn es um die Bewertung von Startups geht. “Wir bringen unsere Expertise ein, Verbund bringt ihre ein. Und ich glaube, so ist es wieder eine Win-Win-Situation, wo man Unternehmen aus mehreren Blickwinkeln gut analysieren kann”, sagt Schausberger.

Für Plug and Play ist die Cross-Industry-Vernetzung ein immens wichtiger Geschäftsbereich, berichtet Munaretto. Als Beispiel nennt er das “Startup Autobahn”, das Office von Plug and Play in Stuttgart. In diesem sind mehrere Kunden wie Porsche, Mercedes-Benz und Hyundai zwar Konkurrenten, schließen sich aber gemeinsam auf einer Plattform zusammen. So können sie an branchenweiten Herausforderungen arbeiten. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, Probleme zu lösen, die nicht nur die einzelnen Unternehmen, sondern die gesamte Industrie betreffen. Durch Cross-Industry-Collaboratio können Startups hier also Probleme lösen, die die Industrie betreffen und nicht nur die einzelnen Unternehmen. “Es finden sich Konkurrenten auf der gleichen Plattform wieder, die sagen, wir arbeiten zusammen”, fasst Munaretto die Kooperation zusammen.

4. | Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei Startup-Corporate-Collaboration

Die Erfolgsfaktoren der Kooperationsformen zeichnen sich auch durch klare KPI-Vereinbarungen zwischen den Kooperationspartnern aus. Zudem wird die Frage gestellt, wie weit Exklusivitätsvereinbarungen unterzeichnet werden sollten und warum es dedizierte Teams oder Champions innerhalb von Unternehmen braucht, die sowohl Koordination als auch Übersetzungsleistungen einbringen.

Verbindlichkeit erzeugen in der Kooperation, aber nicht unbedingt Exklusivität

Infineon legt verbindliche Zieldefinitionen der Kooperation schon in den Pilotprojekten fest. Diese dauern gewöhnlich drei bis sechs Monate. Pilotprojekte sind auch “die Basis für ein erstes Alignment mit den Startups”, sagt Muehlberger.

Uneinigkeit herrscht beim Thema Exklusivität in der Startup-Corporate-Beziehung. Für den Vertreter von Plug and Play gilt das Thema als “schwierig”. Er sagt, Exklusivität “empfehlen wir grundsätzlich nicht”, denn offen bleiben wäre für Startups meist die bessere Variante.

AVL-Vertreter Jagsch rät hier zur Fokussierung. Für ihn ist es wichtig, dass Startups sich in der frühen Phase auf wenige, ausgewählte Partner konzentrieren. Exklusivität versteht er eher als Fokussierung. Für manche Startups ist das ein Erfolgsfaktor, auch wenn dies nicht unbedingt vertraglich festgelegte Exklusivität bedeuten müsse.

Infineon verlangt teilweise Exklusivität bei Startup-Kooperationen, der Normalfall sei es aber nicht, erklärt Mühlberger. Exklusivität würde aber dann nicht vereinbart werden “wenn Startups Kunden von uns werden, wir keinerlei Interesse an deren IP haben, sondern sie einfach unsere Produkte nutzen und coole Applikationen entwickeln sollen, wo sie unsere Produkte einsetzen”.

Übersetzungsteams sind für die Kooperation unumgänglich

“Wir sprechen unterschiedliche Sprachen”, weiß Jagsch über Startups und Corporates. Für Startups ist es wichtig, dass Unternehmen Ansprechpersonen nennen, die als Schnittstelle fungieren. Im besten Falle haben sie dafür kompetente Networker:innen gewählt, die intern gut vernetzt und in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu verteilen. Eine zentrale Koordinierungs- und Vermittlerrolle innerhalb der Corporates finden alle Vertreter wichtig. Schausberger beschreibt auch, dass diese zentrale Einheit verhindert, dass zu viele Einzelpersonen aus dem Unternehmen die Startups ansprechen, was negativ zur Außenwahrnehmung des Unternehmens beiträgt.


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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Konflikte, Konflikte in Unternehmen, Mediation, Mediator, ostal
(c) Stock.Adobe/gnublin - Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskonflikten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.

Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.

Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.

Die Konfliktarten

Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.

Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.

Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.

Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.

Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).

Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.

Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.

Was innen passiert, bleibt innen

Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.

Konflikte
(c) Proconsens.at – Jürgen Dostal von Proconsens.at

„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”

Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“

Eskalationsstufen beim Konflikt

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.

Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.

In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.

„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“

Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.

„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“

Ein ungelöster Konfliktfall

Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.

„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“

Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.

„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.

Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“

„Konflikte benötigen Reife“

Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.

„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“

Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“

Kämpfe und Warnzeichen

Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“

Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.

Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.

„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“

Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“


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