20.03.2024
GASTBEITRAG

Warum sich Führungskräfte jetzt schon auf den AI Act 2026 vorbereiten sollten

Gastbeitrag. Warum Führungskräfte unbedingt jetzt schon mit den Vorbereitungen zum AI Act anfangen sollten und warum dafür eine umfassende KI-Strategie notwendig ist, erklären der Digitalisierungsexperte Martin Giesswein und Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy.
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AI Act
(c) zVg - Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy und Digitalökonom Martin Giesswein.

Wir alle erinnern uns noch daran, als im Mai 2018 die DSGVO in Kraft trat. Einige Unternehmen in Europa waren darauf vorbereitet, viele allerdings nicht – mit unangenehmen und oft langwierigen Konsequenzen. Diese Geschichte könnte sich jetzt mit dem AI-Act der EU wiederholen: Alle Unternehmen, die ab 2026 Produkte oder Dienstleistungen auf KI-Basis anbieten, müssen ihre KI-Systeme kategorisieren und von den Behörden prüfen lassen – ein aufwändiger und zum Teil kostenintensiver Prozess.

So viel ist sicher: An Künstlicher Intelligenz führt in Zukunft kein Weg mehr vorbei. Und wie bei jeder anderen fundamental neuen technologischen Entwicklung birgt sie gleichermaßen Chancen und Risiken für jedes Unternehmen. Heute gibt es kaum mehr Unternehmen, die KI nicht oder noch nicht nutzen – sei es, dass Mitarbeiter (heimlich) ChatGPT verwenden, die IT-Abteilung neue Microsoft-Funktionen wie Copilot einführt oder KI-Spezialanwendungen als Software-Lösungen implementieren.

Is this GDPR history repeating?

Den meisten Unternehmen ist heute schon bewusst, dass die Nutzung von KI auch regulatorische, ethische und soziale Verantwortung den unterschiedlichsten Stakeholdern gegenüber bedeutet. Bis dato waren aber sehr viele Bereiche in diesem Zusammenhang freiwillig.

Ab 2026 geht die EU mit ihrer Verordnung über Künstliche Intelligenz (AI Act) einen Schritt weiter. Alle Unternehmen, die KI einsetzen, haben dann erhebliche Compliance-Pflichten zu erfüllen – und zwar nicht nur die KI-Anbieter selbst, sondern alle Unternehmen, die KI verwenden. Der finale Text des weltweit ersten Regelwerks für KI ist dieser Tage in Finalisierung; rechtswirksam wird er 2026.

Die zentralen Eckpunkte des AI Act: Das Regelwerk umfasst konkrete Verbote für den Einsatz von KI in gewissen Bereichen, unter anderem zur Kategorisierung von Menschen anhand sensibler Merkmale wie religiöser Überzeugung. Das ist die erste von insgesamt vier Risikokategorien, in die die jeweiligen KI-Anwendungen unterteilt werden. Neben diesem „unannehmbaren Risiko“, das zu Verboten führt, gibt es die Kategorien hohes, begrenztes und minimales Risiko – jeweils mit unterschiedlichen Anforderungen für Unternehmen, je nachdem in welche Kategorie sie fallen.

AI-Act: Wer jetzt handelt, ist klar im Vorteil

Für Führungskräfte im Jahr 2024 bedeutet das, dass sie weniger als zwei Jahre Zeit haben, um sich strategisch auf den AI Act vorzubereiten und gleichzeitig unnötige Zusatzkosten und Belastungen, die ohne entsprechende Vorbereitung entstünden, zu vermeiden.

“Mich erinnert der AI Act stark an die Zeit vor dem Inkrafttreten der DSGVO: Alle wussten, dass die Verordnung kommen wird. Alle wussten, dass es im Vorfeld einiger strategischer und praktischer Bemühungen bedarf, um sich entsprechend vorzubereiten – aber viele Unternehmen haben einfach den Kopf in den Sand gesteckt. Nach dem Motto: So schlimm wird’s schon nicht werden“, sagt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, die Führungskräften aus allen Branchen und Industrien daher rät, sich möglichst schnell mit dem AI Act im Detail auseinandersetzen.

Denn: Ähnlich wie bei den letzten großen technologischen Wellen wie der großflächigen Einführung des Internets in den 1990er Jahren, oder Social Media ab etwa 2006, sind auch jetzt alle Unternehmen betroffen.

Die eigene KI-Strategie – eine wichtige Übung, die sich auszahlt

Die EU hat sich dazu entscheiden, bei diesem Thema einen eigenen Weg zu gehen, der stärker ethisch als anderswo auf der Welt geprägt ist – durchaus auch zum potentiellen Nutzen der europäischen Wirtschaft. Die erhoffte positive Seite: B2B- und B2C-Kunden sehen ihr ethisches und transparentes Verhalten bei der Nutzung von KI als wertvollen Wettbewerbsvorteil.

“Was daher jedes Unternehmen bis zum Inkrafttreten des AI Act braucht, ist eine umfassende KI-Strategie. Mit ihr können sich Unternehmen zuverlässig KI-fit machen“, so Giesswein. “Eine umfassende Strategie ist keine ‘rocket science’, aber sie umfasst einige zentrale Kernmodule, die eine Ergänzung und Optimierung der bestehenden Geschäftspläne auf der Grundlage der neuen Spielregeln, die von der KI-Technologie aufgestellt werden, umfasst.”


Die folgenden sechs Module stellen das Fundament einer umfangreichen KI-Strategie dar, mit der Führungskräfte ihr Unternehmen jetzt AI-Act-fit machen können:

Machen Sie sich mit KI vertraut: “Grundlegende KI-Anwender-Kenntnisse sind heute für jede Führungskraft Pflicht: Um die Zusammenhänge und die (mögliche) Tragweite eines KI-Einsatzes zu verstehen, aber auch um mit den eigenen Fachexperten aus der IT-Abteilung anschlussfähig zu bleiben. Führungskräften müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen (in einer Welt voller KI) bewusst sein, aber auch, was es bedeutet, wenn der Mitbewerb KI einsetzt und das eigene Unternehmen nicht. Dazu müssen sie Bescheid wissen”, sagt Stöttinger.

An der WU Executive Academy ist daher KI schon in vielen Lehrangeboten ein wichtiger Teil der Digitalökonomie, der gemeinsam besprochen, strategisch analysiert und – idealerweise – auch konkret angewandt wird. Unternehmen sollten außerdem eigene Trainingsangebote innerhalb der Organisation aufbauen. So bietet beispielsweise das österreichische Startup mytalents.ai KI-Ausbildungen an, die sich an jenen Tools orientieren, die im jeweiligen Unternehmen zugänglich sind.

Martin Giesswein empfiehlt hier einen proaktiven Zugang: “Moderiertes Besprechen und Ausprobieren von KI gemeinsam mit Kollegen aus verschiedenen Abteilungen ist eine exzellente Möglichkeit, sich dem Thema professionell anzunähern.”

Zwei in einem – Ethische KI-Nutzung und Einhaltung des KI-Gesetzes: Hier können Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Eine ethische KI-Verwendung sicherstellen und gleichzeitig die rechtlichen Vorgaben erfüllen.

“Daher empfehle ich Führungskräften, sich schon jetzt der Compliance zum EU AI Act anzunähern, indem sie bei der Planung und Einführung neuer Systeme die Dokumentationen für eine spätere Klassifizierung erstellen”, so Giesswein. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang:

  • Bauen Sie internes Knowhow auf und lassen Sie sich von externen Experten beraten.
  • Machen Sie sich mit dem Risikorahmen des AI-Gesetzes (Einteilung in unterschiedliche Risikogruppen) vertraut.
  • Nutzen Sie den KI-Pakt der EU. Mit ihm haben EU-Unternehmen die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis schon jetzt eine Compliance herzustellen.
  • Beobachten Sie laufend die Ergebnisse einschlägiger Forschung.
  • Verwenden Sie Standards und Zertifizierungen für (neue) IT-Systeme, die auf die Compliance mit dem AI Act abzielen und eine ethische Dokumentation garantieren, etwa diese:
    • ISO/IEC/IEEE 7000-Norm: Berücksichtigung ethischer Belange bei der Systementwicklung.
    • IEEE 7001 Transparenz von autonomen Systemen.
    • CertifAIEd-Zertifizierung und -Zeichen.

Erstellen Sie Ihre eigene KI-Richtlinie: Eine freiwillige, unternehmensspezifische KI-Richtlinie, die Sie jetzt schon erstellen, schafft Klarheit und Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und anderen Partnern, wenn sie diese Punkte beinhaltet:

  • Wie stehen wir als Unternehmen generell zum Einsatz von KI?
  • Wie nutzen und kontrollieren wir KI? Streben wir eine Arbeitsplatzreduktion durch Optimierung bzw. Prozessautomatisierung an oder setzen wir vermehrt auf menschliche Kundeninteraktion, wenn Routineaufgaben von der KI übernommen werden?
  • Wie stellen wir Datenschutz und Fairness beim Einsatz von KI sicher?

“Beispiele für Unternehmen, die bereits eine KI-Richtlinie haben, gibt es einige – etwas die APA oder die Stadt Wien“, so Martin Giesswein. Die Austria Presse Agentur hat sich bereits früh mit KI beschäftigt. Schon vor dem Start von ChatGPT wurde eine interne Leitlinie zum Umgang dafür verabschiedet. Heute gibt es auch eine KI-Taskforce, die APA sieht sich auf dem Weg vom “Trusted-Content-Anbieter” zum “Trusted-AI-Anbieter”.

Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit anderen europäischen Medien- und Technologieorganisationen – auch das kann beispielhaft für andere Branchen sein.

Anders die Stadt Wien: Sie bietet auf übersichtlichen zwei Seiten eine Orientierung für Mitarbeitende und Bürger, wie mit KI in der Stadtverwaltung umgegangen wird.

Schätzen Sie die KI-Folgen ab und werfen Sie einen strategischen Blick in die Zukunft: “Ganz gleich, wie Sie mittelfristig, also drei bis fünf Jahre, in Ihrem Unternehmen planen, die Wahrscheinlichkeit, dass KI einen Einfluss auf Ihr Geschäft hat, ist groß. Integrieren Sie daher das Thema KI unbedingt in ihre Planung“, sagt Stöttinger. Dies Fragen können dabei helfen:

  • Gibt es für Ihre Branche durch den Einsatz von KI neue Wettbewerber und Herausforderer aus anderen Industrien?
  • Sind neue Nachfragemuster seitens der Kunden zu erwarten?
  • Ändern sich die traditionellen Wege eines Geschäftsabschlusses durch den Einsatz von KI-Interaktionen?
  • Ist KI ein Treiber des gesellschaftlichen Wandels und erzeugt neue Bedürfnisse, die Ihr Unternehmen decken kann?

Unternehmen, die jetzt schon Abteilungen haben, die sich mit CSR, ESG-Richtlinien und Non-Financial Reporting befassen, sollten die Auswirkungen der KI auf ihre Arbeit beachten.

“Es wäre möglicherweise sogar sinnvoll, eine strategisch vorausschauende Stabstelle der Geschäftsführung zu schaffen, die aus unterschiedlichen Bereichen wie Recht, Technik, Controlling und Compliance zusammengesetzt ist und so das Potential der KI für das gesamte Unternehmen hebt”, sagt Giesswein.

Stellen Sie betriebliche Produktivitätssteigerungen sicher: Die Befürworter des Einsatzes von KI im Unternehmen argumentieren in der Regel mit großen Produktivitätssteigerungspotenzialen. Aber von reinem Technikeinsatz wurde noch selten ein Euro eingespart oder mehr Umsatz generiert. Nur wenn die Technologie auch richtig eingesetzt wird, kann KI die Produktivität eines Unternehmens verbessern. Hier einige bewährte Schritte auf diesem Weg:

  • Schulen Sie Manager und Mitarbeiter im Einsatz von KI-Tools.
  • Identifizieren Sie jene Bereiche, wo KI sinnvoll eingesetzt werden kann: etwa in der Logistikoptimierung, beim Forecasting und bei Budgetsimulationen, bei der Automatisierung manueller Tätigkeiten im Büroalltag, oder beim Marketing und der Agentursteuerung.
  • Schaffen Sie eine firmenspezifische KI-Umgebung, abgestimmt auf Ihre individuellen Bedürfnisse. Unter dem Stichwort “CompanyGPT” bieten Anbieter wie etwa die Linzer Firma 506.ai, die deutsche Aleph-Alpha und natürlich auch Microsoft entsprechende Lösungen an.
  • Erstellen Sie einen langfristigen Plan zu Steigerung Ihrer KI-Produktivität. Quick Wins sind auch mit KI nur selten nachhaltig.

Behalten Sie die nationale Umsetzung des AI-Gesetzes im Auge: “Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist es notwendig, dass die jeweiligen nationalen AI-Offices gut abgestimmt sind und den AI Act einheitlich in ganz Europa verwalten”, sagt Stöttinger.

Mit dem AI Act und seinem strikten Regelwerk wird die EU weltweit zum Vorreiter, was wiederum europäischen Unternehmen aktiv als Asset nutzen sollten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung in der betrieblichen Praxis ist aber eine unbürokratische und einheitliche Vorgehensweise der lokalen Behörden.

“Hier kann”, so Stöttinger reümierend, “für Unternehmen viel Potential entstehen, aber auch einiges auf der Strecke bleiben. Umso wichtiger ist daher jetzt eine sorgfältige Vorbereitung – denn der AI Act kommt ganz bestimmt.”

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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