20.03.2024
GASTBEITRAG

Warum sich Führungskräfte jetzt schon auf den AI Act 2026 vorbereiten sollten

Gastbeitrag. Warum Führungskräfte unbedingt jetzt schon mit den Vorbereitungen zum AI Act anfangen sollten und warum dafür eine umfassende KI-Strategie notwendig ist, erklären der Digitalisierungsexperte Martin Giesswein und Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy.
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AI Act
(c) zVg - Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy und Digitalökonom Martin Giesswein.

Wir alle erinnern uns noch daran, als im Mai 2018 die DSGVO in Kraft trat. Einige Unternehmen in Europa waren darauf vorbereitet, viele allerdings nicht – mit unangenehmen und oft langwierigen Konsequenzen. Diese Geschichte könnte sich jetzt mit dem AI-Act der EU wiederholen: Alle Unternehmen, die ab 2026 Produkte oder Dienstleistungen auf KI-Basis anbieten, müssen ihre KI-Systeme kategorisieren und von den Behörden prüfen lassen – ein aufwändiger und zum Teil kostenintensiver Prozess.

So viel ist sicher: An Künstlicher Intelligenz führt in Zukunft kein Weg mehr vorbei. Und wie bei jeder anderen fundamental neuen technologischen Entwicklung birgt sie gleichermaßen Chancen und Risiken für jedes Unternehmen. Heute gibt es kaum mehr Unternehmen, die KI nicht oder noch nicht nutzen – sei es, dass Mitarbeiter (heimlich) ChatGPT verwenden, die IT-Abteilung neue Microsoft-Funktionen wie Copilot einführt oder KI-Spezialanwendungen als Software-Lösungen implementieren.

Is this GDPR history repeating?

Den meisten Unternehmen ist heute schon bewusst, dass die Nutzung von KI auch regulatorische, ethische und soziale Verantwortung den unterschiedlichsten Stakeholdern gegenüber bedeutet. Bis dato waren aber sehr viele Bereiche in diesem Zusammenhang freiwillig.

Ab 2026 geht die EU mit ihrer Verordnung über Künstliche Intelligenz (AI Act) einen Schritt weiter. Alle Unternehmen, die KI einsetzen, haben dann erhebliche Compliance-Pflichten zu erfüllen – und zwar nicht nur die KI-Anbieter selbst, sondern alle Unternehmen, die KI verwenden. Der finale Text des weltweit ersten Regelwerks für KI ist dieser Tage in Finalisierung; rechtswirksam wird er 2026.

Die zentralen Eckpunkte des AI Act: Das Regelwerk umfasst konkrete Verbote für den Einsatz von KI in gewissen Bereichen, unter anderem zur Kategorisierung von Menschen anhand sensibler Merkmale wie religiöser Überzeugung. Das ist die erste von insgesamt vier Risikokategorien, in die die jeweiligen KI-Anwendungen unterteilt werden. Neben diesem „unannehmbaren Risiko“, das zu Verboten führt, gibt es die Kategorien hohes, begrenztes und minimales Risiko – jeweils mit unterschiedlichen Anforderungen für Unternehmen, je nachdem in welche Kategorie sie fallen.

AI-Act: Wer jetzt handelt, ist klar im Vorteil

Für Führungskräfte im Jahr 2024 bedeutet das, dass sie weniger als zwei Jahre Zeit haben, um sich strategisch auf den AI Act vorzubereiten und gleichzeitig unnötige Zusatzkosten und Belastungen, die ohne entsprechende Vorbereitung entstünden, zu vermeiden.

“Mich erinnert der AI Act stark an die Zeit vor dem Inkrafttreten der DSGVO: Alle wussten, dass die Verordnung kommen wird. Alle wussten, dass es im Vorfeld einiger strategischer und praktischer Bemühungen bedarf, um sich entsprechend vorzubereiten – aber viele Unternehmen haben einfach den Kopf in den Sand gesteckt. Nach dem Motto: So schlimm wird’s schon nicht werden“, sagt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, die Führungskräften aus allen Branchen und Industrien daher rät, sich möglichst schnell mit dem AI Act im Detail auseinandersetzen.

Denn: Ähnlich wie bei den letzten großen technologischen Wellen wie der großflächigen Einführung des Internets in den 1990er Jahren, oder Social Media ab etwa 2006, sind auch jetzt alle Unternehmen betroffen.

Die eigene KI-Strategie – eine wichtige Übung, die sich auszahlt

Die EU hat sich dazu entscheiden, bei diesem Thema einen eigenen Weg zu gehen, der stärker ethisch als anderswo auf der Welt geprägt ist – durchaus auch zum potentiellen Nutzen der europäischen Wirtschaft. Die erhoffte positive Seite: B2B- und B2C-Kunden sehen ihr ethisches und transparentes Verhalten bei der Nutzung von KI als wertvollen Wettbewerbsvorteil.

“Was daher jedes Unternehmen bis zum Inkrafttreten des AI Act braucht, ist eine umfassende KI-Strategie. Mit ihr können sich Unternehmen zuverlässig KI-fit machen“, so Giesswein. “Eine umfassende Strategie ist keine ‘rocket science’, aber sie umfasst einige zentrale Kernmodule, die eine Ergänzung und Optimierung der bestehenden Geschäftspläne auf der Grundlage der neuen Spielregeln, die von der KI-Technologie aufgestellt werden, umfasst.”


Die folgenden sechs Module stellen das Fundament einer umfangreichen KI-Strategie dar, mit der Führungskräfte ihr Unternehmen jetzt AI-Act-fit machen können:

Machen Sie sich mit KI vertraut: “Grundlegende KI-Anwender-Kenntnisse sind heute für jede Führungskraft Pflicht: Um die Zusammenhänge und die (mögliche) Tragweite eines KI-Einsatzes zu verstehen, aber auch um mit den eigenen Fachexperten aus der IT-Abteilung anschlussfähig zu bleiben. Führungskräften müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen (in einer Welt voller KI) bewusst sein, aber auch, was es bedeutet, wenn der Mitbewerb KI einsetzt und das eigene Unternehmen nicht. Dazu müssen sie Bescheid wissen”, sagt Stöttinger.

An der WU Executive Academy ist daher KI schon in vielen Lehrangeboten ein wichtiger Teil der Digitalökonomie, der gemeinsam besprochen, strategisch analysiert und – idealerweise – auch konkret angewandt wird. Unternehmen sollten außerdem eigene Trainingsangebote innerhalb der Organisation aufbauen. So bietet beispielsweise das österreichische Startup mytalents.ai KI-Ausbildungen an, die sich an jenen Tools orientieren, die im jeweiligen Unternehmen zugänglich sind.

Martin Giesswein empfiehlt hier einen proaktiven Zugang: “Moderiertes Besprechen und Ausprobieren von KI gemeinsam mit Kollegen aus verschiedenen Abteilungen ist eine exzellente Möglichkeit, sich dem Thema professionell anzunähern.”

Zwei in einem – Ethische KI-Nutzung und Einhaltung des KI-Gesetzes: Hier können Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Eine ethische KI-Verwendung sicherstellen und gleichzeitig die rechtlichen Vorgaben erfüllen.

“Daher empfehle ich Führungskräften, sich schon jetzt der Compliance zum EU AI Act anzunähern, indem sie bei der Planung und Einführung neuer Systeme die Dokumentationen für eine spätere Klassifizierung erstellen”, so Giesswein. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang:

  • Bauen Sie internes Knowhow auf und lassen Sie sich von externen Experten beraten.
  • Machen Sie sich mit dem Risikorahmen des AI-Gesetzes (Einteilung in unterschiedliche Risikogruppen) vertraut.
  • Nutzen Sie den KI-Pakt der EU. Mit ihm haben EU-Unternehmen die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis schon jetzt eine Compliance herzustellen.
  • Beobachten Sie laufend die Ergebnisse einschlägiger Forschung.
  • Verwenden Sie Standards und Zertifizierungen für (neue) IT-Systeme, die auf die Compliance mit dem AI Act abzielen und eine ethische Dokumentation garantieren, etwa diese:
    • ISO/IEC/IEEE 7000-Norm: Berücksichtigung ethischer Belange bei der Systementwicklung.
    • IEEE 7001 Transparenz von autonomen Systemen.
    • CertifAIEd-Zertifizierung und -Zeichen.

Erstellen Sie Ihre eigene KI-Richtlinie: Eine freiwillige, unternehmensspezifische KI-Richtlinie, die Sie jetzt schon erstellen, schafft Klarheit und Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und anderen Partnern, wenn sie diese Punkte beinhaltet:

  • Wie stehen wir als Unternehmen generell zum Einsatz von KI?
  • Wie nutzen und kontrollieren wir KI? Streben wir eine Arbeitsplatzreduktion durch Optimierung bzw. Prozessautomatisierung an oder setzen wir vermehrt auf menschliche Kundeninteraktion, wenn Routineaufgaben von der KI übernommen werden?
  • Wie stellen wir Datenschutz und Fairness beim Einsatz von KI sicher?

“Beispiele für Unternehmen, die bereits eine KI-Richtlinie haben, gibt es einige – etwas die APA oder die Stadt Wien“, so Martin Giesswein. Die Austria Presse Agentur hat sich bereits früh mit KI beschäftigt. Schon vor dem Start von ChatGPT wurde eine interne Leitlinie zum Umgang dafür verabschiedet. Heute gibt es auch eine KI-Taskforce, die APA sieht sich auf dem Weg vom “Trusted-Content-Anbieter” zum “Trusted-AI-Anbieter”.

Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit anderen europäischen Medien- und Technologieorganisationen – auch das kann beispielhaft für andere Branchen sein.

Anders die Stadt Wien: Sie bietet auf übersichtlichen zwei Seiten eine Orientierung für Mitarbeitende und Bürger, wie mit KI in der Stadtverwaltung umgegangen wird.

Schätzen Sie die KI-Folgen ab und werfen Sie einen strategischen Blick in die Zukunft: “Ganz gleich, wie Sie mittelfristig, also drei bis fünf Jahre, in Ihrem Unternehmen planen, die Wahrscheinlichkeit, dass KI einen Einfluss auf Ihr Geschäft hat, ist groß. Integrieren Sie daher das Thema KI unbedingt in ihre Planung“, sagt Stöttinger. Dies Fragen können dabei helfen:

  • Gibt es für Ihre Branche durch den Einsatz von KI neue Wettbewerber und Herausforderer aus anderen Industrien?
  • Sind neue Nachfragemuster seitens der Kunden zu erwarten?
  • Ändern sich die traditionellen Wege eines Geschäftsabschlusses durch den Einsatz von KI-Interaktionen?
  • Ist KI ein Treiber des gesellschaftlichen Wandels und erzeugt neue Bedürfnisse, die Ihr Unternehmen decken kann?

Unternehmen, die jetzt schon Abteilungen haben, die sich mit CSR, ESG-Richtlinien und Non-Financial Reporting befassen, sollten die Auswirkungen der KI auf ihre Arbeit beachten.

“Es wäre möglicherweise sogar sinnvoll, eine strategisch vorausschauende Stabstelle der Geschäftsführung zu schaffen, die aus unterschiedlichen Bereichen wie Recht, Technik, Controlling und Compliance zusammengesetzt ist und so das Potential der KI für das gesamte Unternehmen hebt”, sagt Giesswein.

Stellen Sie betriebliche Produktivitätssteigerungen sicher: Die Befürworter des Einsatzes von KI im Unternehmen argumentieren in der Regel mit großen Produktivitätssteigerungspotenzialen. Aber von reinem Technikeinsatz wurde noch selten ein Euro eingespart oder mehr Umsatz generiert. Nur wenn die Technologie auch richtig eingesetzt wird, kann KI die Produktivität eines Unternehmens verbessern. Hier einige bewährte Schritte auf diesem Weg:

  • Schulen Sie Manager und Mitarbeiter im Einsatz von KI-Tools.
  • Identifizieren Sie jene Bereiche, wo KI sinnvoll eingesetzt werden kann: etwa in der Logistikoptimierung, beim Forecasting und bei Budgetsimulationen, bei der Automatisierung manueller Tätigkeiten im Büroalltag, oder beim Marketing und der Agentursteuerung.
  • Schaffen Sie eine firmenspezifische KI-Umgebung, abgestimmt auf Ihre individuellen Bedürfnisse. Unter dem Stichwort “CompanyGPT” bieten Anbieter wie etwa die Linzer Firma 506.ai, die deutsche Aleph-Alpha und natürlich auch Microsoft entsprechende Lösungen an.
  • Erstellen Sie einen langfristigen Plan zu Steigerung Ihrer KI-Produktivität. Quick Wins sind auch mit KI nur selten nachhaltig.

Behalten Sie die nationale Umsetzung des AI-Gesetzes im Auge: “Für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist es notwendig, dass die jeweiligen nationalen AI-Offices gut abgestimmt sind und den AI Act einheitlich in ganz Europa verwalten”, sagt Stöttinger.

Mit dem AI Act und seinem strikten Regelwerk wird die EU weltweit zum Vorreiter, was wiederum europäischen Unternehmen aktiv als Asset nutzen sollten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung in der betrieblichen Praxis ist aber eine unbürokratische und einheitliche Vorgehensweise der lokalen Behörden.

“Hier kann”, so Stöttinger reümierend, “für Unternehmen viel Potential entstehen, aber auch einiges auf der Strecke bleiben. Umso wichtiger ist daher jetzt eine sorgfältige Vorbereitung – denn der AI Act kommt ganz bestimmt.”

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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie “No Hype KI” diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

“Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”

“Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. “Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören”, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als “Key Technology” im KI-Bereich. Für “Women in AI” spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: “Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.” Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was “open” sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. “2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.” Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: “Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.” Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: “Wir setzen genau so auf hybrid.”

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. “Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.”

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. “Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden”, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in “Compliance-Fallen” führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: “Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.” Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: “Man kann nicht immer gleich die neueste ‘bleeding edge’-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.”

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. “Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich”, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. “KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht”, so Böttcher.

“Rechenleistungs-Hunger” von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. “Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur”, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der “Rechenleistungs-Hunger” sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: “Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.” Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. “Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar”, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. “Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben”, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: “Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.”

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: “Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.” Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. “Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann”, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. “Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist”, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? “Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen”, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: “Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.” Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die “Pioniere” im Unternehmen. “AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen”, so Ratheiser.

“Einfach einmal ausprobieren”

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: “Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.” Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: “Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.” Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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