19.03.2021

Warum Europa die Inflation besonders fürchtet

Amerika öffnet während Europa im Impfchaos versinkt. Das Problem: Wir könnten Inflation importierten - auch wenn unsere Wirtschaft noch nicht rund läuft.
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Niko Jilch: Warum Europa die Inflation fürchtet
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch | Hintergrund (c) Adobe Stock -. photoschmidt

Es wirkt absurd: Die Pandemie hat uns im Griff, die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Notenbanken sorgen sich, weil die Inflation zu niedrig ist. Gleichzeitig warnen immer mehr Ökonomen und Investoren vor steigender Inflation. Besonders inflationsempfindlich sind – aus historischen Gründen – die Österreicher und Deutschen. Vom Bundesbankchef bis zum Spitzenökonomen, vom ehemaligen IWF Chefvolkswirt bis zum Analysten: Alle sprechen von Inflation. Aber warum?

In der Theorie ist es simpel: Steigen die Preise, ist von Inflation die Rede. Fallen sie, spricht man von Deflation. Inflation wird von den Notenbanken durch eine Anhebung der Zinsen bekämpft, Deflation durch Zinssenkungen bzw. Gelddrucken. Ein Börsencrash – wie wir ihn vor rund einem Jahr gesehen haben – ist deflationär, eine Wirtschaftskrise ebenso. Deswegen schütten die Notenbanken und Regierungen im Krisenfall Geld in die Wirtschaft. Noch nie ist dies auf globalem Level so betrieben worden wie in der Corona-Krise. Wir sprechen von vielen Billionen Dollars, Euros, Yen und Pfund, die in die Märkte gekippt wurden. Tausende Milliarden. Einfach so.

“In Europa haben wir einen Strauß an Problemen”

Dass das Inflationsängste auslöst, sollte verständlich sein. Dazu kommt der sehr spezielle Charakter der Corona-Krise: Viele Gutverdiener im Westen hatten zwar kaum Einbußen, konnten das Geld aber kaum ausgeben. Restaurants, Hotels, Theater und Kinos: Alles war gesperrt. Oder ist es bis heute. Das hat die Sparrate massiv in die Höhe getrieben. Viele haben das Geld gleich veranlagt – eben um es vor der langfristigen Inflation zu schützen, die uns immer begleitet. Das hat die Kurse getrieben. Aber jetzt, da die Öffnungen langsam anlaufen, kommt dieses Geld in Bewegung. Trifft es auf ein verknapptes Angebot, könnten die Preise rasch steigen.

Für Deutschland, Österreich und Europa ist das ein Problem. Denn wieder einmal kommen wir besonders schleppend aus der Krise. Amerika legt gerade wieder los. Dort ist inzwischen von einem echten “Boom” die Rede. Auch in China läuft die Konjunktur bereits. “Aber in Europa haben wir einen ganzen Strauß an Problemen”, wie Gabriel Felbermayr, der Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel mir in der neuesten Folge des Agenda-Austria-Podcasts “Eine Frage noch…” erzählt.

Die Gefahr: Europa könnte in den kommenden Monaten und Jahren viel langsamer wachsen als die USA – von dort aber über höhere Güterpreise die Inflation importieren. Das Ergebnis: Hohe Inflation bei niedrigem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit. Eine so genannte Stagflation, ein worst case scenario.

Inflation: Die Notenbanken werden erstmal nicht gegensteuern

Ein weiters Problem: Aus Sicht der Zentralbanken ist eine anziehende Inflation erstmal erwünscht. Nachdem die Teuerungsraten in den vergangenen Jahren ohnehin oft niedrig waren, wäre eine Phase der höheren Inflation den Notenbankern recht. Sie wollen die Zinsen aktuell nicht heben, da die überschuldeten Staaten sonst Probleme bekommen würden.

Auch Firmen und Haushalte haben enorme Mengen an Schulden angehäuft. Dass die Zinsen an den Märkten langsam anziehen – eben weil Anleger sich vor Inflation fürchten, sieht etwa Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, sehr kritisch. Sie setzt jetzt darauf, auch die langfristigen Zinsen zu kontrollieren. Yield curve control heißt das bei den Experten. Offiziell wird es in Frankfurt noch nicht so genannt – aber das ist das Ziel.

Napier warnt vor dem “größten Fehler” der EZB

Der britische Ökonom und bekannte Finanzbuchautor Russell Napier, den ich gemeinsam mit dem Goldexperten Ronald Stöferle kürzlich per Zoom interviewt habe, warnt seit einigen Monaten vor einer steigenden Inflation – nachdem er mehrere Jahrzehnte lang die Deflation als größtes Problem gesehen hat. Er sagt, der jüngste Schritt der EZB zur Kontrolle der langfristigen Zinsen sei der “größte Fehler”. Denn ultimativ scheint der Plan weiterhin zu sein, “die Schulden weg zu inflationieren”, sagt Napier. Und je höher die Schulden, desto höher auch die Geldmengen, die dazu nötig sind.

Wenn dieses Geld auf den Konten und in den Börsen der Menschen landet – und die es ausgeben – steigen die Preise. Napier geht davon aus, dass genau das passieren wird. Auch deswegen, weil die Krisenpolitik diesmal viel direkter ist und das Geld deswegen nicht so sehr im Finanzsystem hängen bleibt, wie das nach der letzten Krise der Fall war. Und deswegen reden alle von Inflation. Vor allem in Europa.

Zum Autor

Niko Jilch ist Finanzjournalist, Podcaster und Speaker. Website: www.nikolausjilch.com Twitter: @nikojilch

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(c) ecop

Es positioniert sich als Spezialist in der Entwicklung von “effizienten Hochtemperatur-Wärmepumpen für Industrie und Fernwärme”. Schlagzeilen schrieb es deshalb schon einige – auch Kapitalgeber sind an dem Modell des in Wien gegründeten Jungunternehmens ecop interessiert.

Mit Wärmerückgewinnung zur Energiewende

Trocknen, Destillieren oder Schmelzen sind tägliche Prozesse in der Industrie. Ohne die dazu notwendige Wärme wäre die Industrie nicht denkbar. Wärme macht nämlich über 70 Prozent des industriellen Energiebedarfs aus – brutkasten berichtete. Das Ganze wird dann verschwenderisch, wenn die durch Industrieprozesse entstandene Wärme nicht genutzt wird.

Diesem Problem nahm sich das Wiener Startup ecop an und entwickelte eine Lösung zur Wärmerückgewinnung mit Wärmepumpen. Dabei wird die von der Industrie erzeugte Prozesswärme in den Produktionsprozess zurückgeführt. Damit kann man jene Wärme nutzen, die ansonsten ungenutzt in die Umgebung freigesetzt würde.

Flexibler Einsatz in Industrie

Seit seiner Gründung 2007 verfolgt ecop das Ziel, Rotationspumpen als Schlüssel zur Wärmerückgewinnung in der Industrie durchzusetzen. Das Startup hat dafür eine Technologie entwickelt, die es selbst als weltweit einzigartig bezeichnet.

2015 wurde der erste vollfunktionsfähige Prototyp fertiggestellt. Die Technologie basiert auf einem neuartigen thermodynamischen Kreislauf und ermöglicht eine effiziente Rückgewinnung und Wiederverwendung von Fabrikabwärme mit direkten Ausgangstemperaturen von bis zu 200 °C. Die Rotationsgeschwindigkeit könne jederzeit abgeändert werden, um sich an verschiedene Temperaturen der Wärmequellen anzupassen.

2.500 Tonnen CO2 pro Jahr gespart

Industrieunternehmen soll es dank ecop also möglich sein, ihren Einsatz von Erdgas und fossilen Brennstoffen zur Wärmeerzeugung erheblich reduzieren zu können. Konkret sollen Einsparungen von 2.500 Tonnen CO2 pro Jahr möglich sein, heißt es von ecop.

“Unser Produkt ist eine revolutionäre Großwärmepumpe für die Industrie, die völlig neue Anwendungsfelder für die Verwertung von Abwärme schafft und als erste wirtschaftlich effektive Wärmepumpe für Temperaturen bis 150 Grad gilt”, sagte ecop-Gründer und Geschäftsführer Bernhard Adler gegenüber brutkasten im Jahr 2022.

3,9 Mio. im Sommer 2022 – nun frische 8,5 Mio. von EIC

Die Lösung fand auch von Seite einige Kapitalgeber Zuspruch. Mit einem Investment in Höhe von 3,9 Millionen Euro beteiligte sich im Sommer 2022 mit EIT InnoEnergy ein starker Partner am Unternehmen (brutkasten berichtete). Um die Skalierung zu managen, holte sich ecop die Wiener Beteilgungsgesellschaft epoona rund um Lothar Stadler und Werner Töpfl an Bord – beide zwei erfahren C-Level Manager aus der Industrie. Ziel war es damals, eine Series-A-Finanzierungsrunde in Höhe von zehn Millionen Euro abzuschließen.

Zwar nicht zehn, aber satte 8,5 Millionen Euro holte man sich nun vom EIC Accelerator, wie der Wärmepumpen-Spezialist am heutigen Freitag vermeldet. Der EIC Accelerator als Programm des European Innovation Council fördert DeepTech-Startups und Kleinunternehmen, die er in “einem hochkompetitiven Verfahren” auswählt.

EIC Accelerator förderte 68 von 347 Bewerbern

Direkte Zuschüsse werden in einer Höhe von bis zu 2,5 Millionen Euro vergeben, Kapitalbeteiligungen seien bis zu sechs Millionen Euro möglich. Nach eigenen Angaben erhält das DeepTech somit “die maximale Investitionssumme, um die Produktion seiner Rotations-Wärmepumpe zu skalieren”, heißt es per Aussendung.

Nach eigenen Angaben wurde ecop von der EIC Accelerator-Jury als eines der 969 Bewerber:innen zur Förderung ausgewählt. 347 Unternehmen kamen in die Interviewphase der Jury, 68 erhielten schließlich eine endgültige Finanzierungsrunde – darunter ecop. Insgesamt stellte das Investmentvehikel des European Innovation Council, der EIC-Fonds, eine Summe von 411 Millionen Euro zur verfügung, davon 165 Millionen in Form von direkten Zuschüssen und 245 Millionen in Form von Kapitalbeteiligungen.

Fabian Sacharowitz, seit April Co-CEO von ecop und früher Investment Director bei EIT InnoEnergy, äußert sich zur frischen Kapitalspritze wie folgt: „Das Innovations-Ökosystem der EU ist für uns eine wesentliche Unterstützung bei der Entwicklung unserer Technologie. Mit der Finanzierung können wir die Entwicklung unseres neuen Rotordesigns abschließen und den nächsten Skalierungsschritt starten sowie unsere Technologie noch breiter in den Markt bringen. Unternehmen und Kommunen können so bezahlbare CO2-freie Wärme erzeugen und ihre Betriebe nachhaltig versorgen.”

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