05.04.2022

Warum Austrian Airlines, Flughafen Wien und Plug and Play eine neue Innovationspartnerschaft starten

Die Kooperationspartner sollen künftig Innovationsmaßnahmen in den Bereichen Passenger Experience und Abfertigung mit Schwerpunkt Digitalisierung entwickeln. Im Interview erläutern die Projektbeteiligten, welche Ziele sie damit verfolgen und auch Startups davon profitieren sollen.
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Austrian Airlines, der Flughafen Wien und die kalifornische Startup-Schmiede Plug and Play gehen eine neue Innovationspartnerschaft ein. Mit April tritt Austrian Airlines dem Travel & Hospitality Programm von Plug and Play mit Sitz in der Airport City am Flughafen Wien bei. Das Corporate-Innovation Programm möchte Industrieunternehmen mit Startups und Scaleups verbinden, um so die digitale Transformation weiter zu fördern. Neben innovativen Lösungen von Startups soll zukünftig eine verstärkte Digitalisierung dazu beitragen, den Reisekomfort für Passagiere weiter zu erhöhen. 

Im Interview mit dem brutkasten sprechen die Projektbeteiligten über die Hintergründe und Zielsetzung der neuen Partnerschaft. Dazu zählen Christian Novosel (Chief Data Officer & Head of Corporate Development bei Austrian Airlines), Jan Querfeld (Head of Strategy bei Austrian Airlines), Felix Pichler-Rossbacher (Head of Digital Delivery bei Austrian Airlines) und Ben Kloss (Director Plug and Play Austria).


Warum haben sich Austrian Airlines und Plug and Play dazu entschlossen eine Partnerschaft einzugehen? 

Christian Novosel: Austrian Airlines ist der österreichische Flag Carrier am Standort Wien, der Flughafen Wien ist das Tor Österreichs in die Welt und Plug and Play die weltgrößte Innovationsplattform für Corporates und Startups. Diese Kombination kann aus meiner Sicht nur ein Winning Team sein. Deshalb habe ich mein äußerst ambitioniertes Team rund um Jan Querfeld und Felix Pichler-Rossbacher geschnappt und sind somit diese Innovationspartnerschaft mit Plug and Play eingegangen.    

Jan Querfeld: Das Corporate Innovation Programm ist in seiner Form wirklich einzigartig und natürlich wollen wir hier dabei sein. Unsere drei Unternehmen haben ihre Wurzeln und ihre Geschichte, daraus können wir alle lernen. Und ich bin mir sicher, dass wir auch noch die Geschwindigkeit eines klassischen Startups hinbekommen. Das ist ein ziemlich inspirierendes Vorhaben.  

Ben Kloss: Die AUA zweifellos eines der ikonischsten Österreichischen Unternehmen und ein großartiges Aushängeschild für den Standort in der Welt. Ich freue mich sehr darauf mit dem Team um Christian, Jan und Felix daran zu arbeiten, den hohen Anspruch der Airline an Kundenzufriedenheit weiter zu stärken und sie dabei zu unterstützen, das Reisen mit Austrian Airlines nachhaltiger und digitaler zu machen. 

Welche Rolle spielt das Thema Innovation bei Austrian Airlines? 

Christian Novosel: Der Fokus wird auf digitalen Innovationen liegen, daher ist eine Partnerschaft mit Plug and Play besonders wichtig, denn sie ermöglicht uns Zugriff auf die neuesten Entwicklungen in allen Bereichen des Luftfahrtgeschäfts und auch darüber hinaus.

Wie sieht die konkrete Ausgestaltung des Corporate-Innovation Programms aus? 

Felix Pichler-Rossbacher: Wir haben ein gemeinsames Innovationsteam mit der Flughafen Wien AG ins Leben gerufen, um an verschiedensten Themenfeldern übergreifend arbeiten zu können. Dazu stehen wir bereits jetzt regelmäßig im Austausch. Dabei ist es uns wichtig primär ins TUN zu kommen, als in eine perfekte Umsetzung zu gehen. Mittels Trial and Error wollen wir Bereiche identifizieren, die für unsere Gäste einen echten Mehrwert schaffen. Es geht darum, neue Lösungswege zu erschließen, vielleicht auch um die Ecke zu denken. Innovation entsteht dort, wo man sich traut etwas anders zu machen, als man es bisher gewohnt war. Dazu braucht es neben guten Ideen auch ein Commitment zur Veränderung. Das tragen beide Unternehmen zu 100 Prozent, nicht nur in finanzieller Hinsicht. 

Wie sollen auch Startups und Scaleups konkret von diesem Programm profitieren? 

Felix Pichler-Rossbacher: Unser Ziel ist es Barrieren zu den Themen Technologien / Innovation so gering wie möglich zu halten. Das können wir vor allem durch einen Easy-to-Market Approach gewährleisten, bei dem wir schnell und agil agieren können und unter anderem langwierige Standardprozesse vermeiden. Das reduziert nicht nur die Time2Market, sondern auch die Kosten für Projekte mit langen Durchlaufzeiten.

Was erhofft sich Austrian Airlines mit der neuen Partnerschaft und welchen konkreten Nutzen soll die Innovationsförderung für das tägliche Geschäft und Betrieb der Airline haben?

Jan Querfeld: Ganz konkret drei Dinge. Erstens: Stetige Weiterentwicklung unseres Produkts in all seinen Bestandteilen, in unseren Prozessen sowie der Effizienz im Betrieb unserer Airline. Zweitens: Öffnung unseres Unternehmens für die wertvollen Impulse aus der weltweit verfügbaren und sich immer weiter entwickelnden Technologie- und Startup Landschaft. Drittens: Stärkung unseres Drehkreuzes in Wien durch die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Austrian Airlines, Flughafen Wien AG und Plug and Play sowie vielen weiteren unserer Partner.

Wie werden die Partner der Austrian Airlines im Rahmen der Innovationsförderung involviert? 

Jan Querfeld: Eines ist klar – es geht nur gemeinsam. Richtig gute Konzepte fliegen erst dann, wenn die Teamleistung funktioniert. Wir sehen unsere Partner:innen als integralen Bestandteil dieser Vorhaben. Plug and Play bietet uns dabei auch eine ideale Plattform, um die weltweit besten Lösungsansätze und Technologien zu finden. Diese müssen wir gemeinsam mit unseren Partner:innen bewerten, um das Beste rauszuholen. Gerade der Anfang wird nicht immer ganz einfach sein. Wir sprechen hier über eine Situation in der beispielsweise. agile Startups auf große Corporates treffen. Auch dieses Zusammenspiel wird in sich eine interessante Erfahrung.   

Gibt es bereits konkrete Projekte in der Pipeline, wenn ja welche?  

Felix Pichler-Rossbacher: Ja klar. Wir werden uns zunächst auf kommerzielle und operationelle Themen fokussieren, um unseren Gästen ein besseres Service auf ihrer gesamten Reise bieten zu können. Das beginnt beim Customer Offer, geht über Operational Efficiency bis hin zu Sustainable Travel. Das oberste Ziel ist noch immer mit Innovation unseren Kund:innen einen Mehrwert zu schaffen. Innovation muss nicht nur neu sein – sie muss vor allem einen Vorteil haben. Etwas erleichtern, verbessern oder auch etwas ganz neu erfinden. Der Fluggast steht dabei immer im Fokus unserer Überlegungen.  

Wie können auch die Kunden der Austrian Airlines künftig von den Innovationen profitieren? (Stichwort End-to-End-Reiseerlebnis) 

Jan Querfeld: Zunächst müssen alle unsere Anstrengungen dahingehen, dass unsere Gäste insgesamt ein noch schöneres und vor allem durchgängig verlässliches Reiseerlebnis im Sinne ihrer Entscheidung für Austrian Airlines erleben können. Die Prozesse zwischen Airline, Flughafen und unseren Partner:innen und Lieferant:innen sind hoch komplex. Wenn wir die ersten Stellschrauben gemeinsam optimieren, werden wir schnell Erkenntnisse daraus gewinnen können und uns weiterentwickeln. Es muss aber auch klar sein, die Dinge werden nicht über Nacht gelingen. Wichtig ist jetzt anzufangen und die ersten Themen anzugehen. Wenn unsere Kunde:innen mit der Zeit feststellen, dass sie einfach „besser ankommen“, dann haben wir aus meiner Sicht vieles richtig gemacht.

Noch ein Blick in die Zukunft: Welches Potential bietet der Standort Wien im Bereich der Innovationsförderung? 

Christian Novosel: Da der Flughafen Wien bereits Teil des Business-Netzwerkes ist, bietet sich uns hier eine einzigartige Möglichkeit, die Airport City als innovativen Standort und attraktiven Tech-Hub in Europa zu stärken. Durch die ideal gelegenen Büroräumlichkeiten direkt am Flughafen wollen wir gemeinsam einen Hotspot für Travel Innovation schaffen, der in unmittelbarer Nähe zu unseren Kunden und dem operativen Betrieb liegt.


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Bianca Gfrei
Bianca Gfrei war Startup-Founderin und ist heute Coachin. (c) Sandra Herrero

*Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Ausgabe unseres Printmagazins. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Founder:innen haben keine Angst, sie arbeiten gerne sieben Tage die Woche und stecken jeden letzten Tropfen Energie in ihr Unternehmen. Auch wenn Hustle-Culture nicht mehr als das Nonplusultra zum Erfolg gilt – vieles, das sie ausgemacht hat, ist heute noch genauso in den Mindsets von Gründer:innen zu finden. Zu ihr gesellt sich oft eine Angst vor dem Scheitern, immerhin will man weder Investor:innen noch Mitarbeiter:innen enttäuschen. 

Bianca Gfrei war genau hier drinnen. Mit Kiweno gründete sie 2012 ihr erstes Startup, noch während des Studiums. Das Unternehmen war Teil einer neuen Health-Branche, die labordiagnostische Tests für Zuhause anbot. Im Fall von Kiweno ging es zum Beispiel um Lebensmittelunverträglichkeiten, von denen Gfrei selbst betroffen war, oder um die Messung von Stresshormonen oder Mikronährstoffen. Hier stand also auch eine persönliche Betroffenheit dahinter, es sei ein “Herzensprojekt” gewesen. Als eine der wenigen Frauen in dieser Anfangszeit der österreichischen Startup-Szene wurde Gfrei schnell zu einem “Poster-Child”. Sie wurde als Keynote-Speakerin gebucht und sprach auf Panels über Female Founding. Sie erlebte die “Geburtsstunde der Szene” mit, wie sie heute erzählt.

Millionen-Investments bei Kiweno

Bianca Gfrei mit dem Kiweno-Team bei “2 Minuten 2 Millionen”, wo sie 2016 ein Investment in Höhe von sieben Millionen Euro erhielten. (c) PULS 4 / Gerry Frank

Kiweno wuchs schnell, bekannte Investor:innen wie Hansi Hansmann waren beteiligt. Mit Mitte 20 war Gfrei plötzlich für 35 Mitarbeiter:innen verantwortlich und managte Millionen-Investments. Medial war sie das Gesicht von Kiweno, auch als der Druck stieg und das Unternehmen durch einen Auftritt bei “2 Minuten 2 Millionen” immer mehr im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stand. Es wurde sehr viel Positives über Kiweno berichtet, es gab aber auch einiges an Kritik: Das Nachrichtenmagazin Profil berichtete 2016, dass das von Kiweno verwendete Verfahren zur Feststellung von Unverträglichkeiten von vielen Wissenschafter:innen als unseriös eingestuft wird.

Gleichzeitig wurde diese Art von Tests auch von Mitbewerbern und in vielen Laboren angeboten, sagt Gfrei. Sie vermutet heute, dass das schnelle Wachstum und die große öffentliche Aufmerksamkeit diese mediale Kritikwelle verstärkt habe – “nicht, weil wir etwas so wahnsinnig anders gemacht haben als unsere Mitbewerber oder Ärzte”. Diese Kritik an Kiweno habe sie auch persönlich getroffen. Sie war so eng mit dem Startup verbunden, sie lebte und atmete die Vision dahinter förmlich. Zu diesem Zeitpunkt kaufte Kiweno einen seiner Investoren aus, was einen massiven Sparkurs zur Folge hatte. Mitarbeiter:innen mussten entlassen werden. Gfrei beschreibt diese Zeit heute als eine “komplette Startup-Achterbahn” mit allen Höhen und Tiefen. 

Wir sind so eng mit unserem Baby verbunden. Wir können irgendwann nicht mehr zwischen dem Unternehmen und uns unterscheiden, unser gesamtes Leben ist das Unternehmen.

Bianca Gfrei

Noch mitten in diesem Krisenmodus habe man bereits an neuen Ideen gearbeitet und entschied sich, eine dieser Idee als eigenes Unternehmen auszugründen: Rootine, ein Startup für personalisierte Nahrungsergänzungsmittel. Zu diesem Zeitpunkt habe Gfrei schon sehr klar gewusst, dass sie eigentlich mitten in einem Burnout war. Damals hätte sie es wohl nie so genannt, das wäre undenkbar gewesen. Das Unternehmen habe ihre ganze Identität ausgemacht. Für Gfrei ist das unter Gründer:innen ein großes Thema: “Wir sind so eng mit unserem Baby verbunden. Wir können irgendwann nicht mehr zwischen dem Unternehmen und uns unterscheiden, unser gesamtes Leben ist das Unternehmen.”

Das Startup bin ich

Ein Besuch bei Claudia Altmann, Arbeitspsychologin im dritten Wiener Gemeindebezirk. Sie weiß genau, wovon Bianca Gfrei hier spricht. Unternehmensgründer:innen stecken zu Beginn derart viel Zeit in ihr Startup, da passiere es sehr leicht, dass man sich nur noch darüber identifiziere. Das sei prinzipiell ja nicht schlecht, immerhin sollte man die Werte seines Unternehmens auch vertreten und sich damit identifizieren. Problematisch wird es, wenn die eigene Persönlichkeit nur noch durch das Unternehmen definiert wird. Wenn jeder Fehler im Unternehmen zu einem persönlichen Fehler wird, wenn jede Kritik am Unternehmen als Kritik an einem selbst gesehen wird. Hier spielen auch Ängste eine Rolle: Viele spüren permanent die Angst, dass das Unternehmen versagen könnte. Dass die Idee nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hatte. Je enger das Produkt mit der eigenen Persönlichkeit verbunden ist, desto größer werden die Versagensängste.

Claudia Altmann, Arbeitspsychologin in Wien (c) Teresa Novotny – Knights of RGB

Das Knifflige liege im Absprung, sagt Altmann. Gerade am Anfang gehöre es dazu, als Gründer:in viele Aufgaben zu übernehmen. Man müsse zuerst Sicherheit aufbauen, “und die habe ich nicht von Anfang an”. Ist man einmal in der Wachstumsphase, wollen viele ja mittendrin sein und sich auf die Suche nach Mitarbeiter:innen machen. Ein solcher Gründungszyklus dauert circa drei Jahre, schätzt sie. Dann gelange man in einen “sicheren Modus”, in dem ein aufgebautes Netzwerk Aufgaben übernehmen kann. 

Aber auch innerhalb dieser drei Jahre brauche es Erholungsphasen. “Unser Körper braucht Energie”, sagt Altmann und zieht eine Vergleich zu technischen Geräten: Ein Handy laufe ja auch nicht rund um die Uhr, ohne dass man es dazwischen auflädt. Man müsse auch auf sich selbst achten. Sie verwendet dafür gerne den Begriff “Erholung” statt “Entspannung”. Es gehe nicht um tiefwirkende Entspannung. Oft reiche es, den Kopf einen Abend lang freizukriegen oder eine Stunde Bewegung zu machen.

Stetige Flamme

“Man muss brennen, damit man ausbrennen kann”, sagt Claudia Schwinghammer, die 2022 das Beratungsunternehmen Spark gegründet hat. Spark will die psychische Gesundheit von Corporate-Mitarbeiter:innen verbessern. Kund:innen sind Groß- und Mittelunternehmen, die für ihr Team bei Spark einen Pool an Sessions buchen können. Zu Beginn müsse man brennen, sagt Schwinghammer, die selbst vor der Gründung von Spark in Corporates gearbeitet hat. Sonst gründe man ja kein Unternehmen. Es gehe aber darum, diese Flamme langfristig zu erhalten. Folgt man dieser Metapher, ist eine stetige kleine Flamme besser als eine hohe Stichflamme zu Beginn. Dafür komme man aber auch gesund durch die Gründungsjahre und könne langfristig an dem Unternehmen arbeiten.

Eigentlich sei es ja widersprüchlich, dass Startups schnell in eine klassischen Corporate-Rhythmus verfallen und Gründer:innen sich ausbrennen. Aber so seien wir als Menschen nunmal, sagt Schwinghammer: “Wir lieben das, was uns vertraut ist. Unabhängig davon, ob es uns gut tut oder nicht.” Die Kunst sei es, sich mit etwas Neuem vertraut zu machen, das uns besser tut. Viele würden sich ja über ihren Stress definieren: “Ich bin mein Stress. Oder: Ich bin mein überfüllter Kalender.” Der Gedanke dahinter: Erfolgreich ist nur, wer von einem Meeting ins nächste hetzt. Dem sei nicht so, sagt Schwinghammer. Erfolg sei nicht am Stresslevel messbar.

Claudia Schwinghammer, CEO und Founderin von Spark (c) Spark

Keine Schwäche

Bianca Grei war derweil bereits im Gründungsprozess von Rootine klar, dass sie dringend eine Pause gebraucht hätte und nicht nahtlos weitermachen könnte. Gleichzeitig standen die nächsten großen Chancen zum Greifen nahe: Mit Hansi Hansmann hatte man einen prominenten Pre-Seed-Investor, die Branche der Precision Medicine war im Trend. Auch für die Seed-Runde gab es Investment-Zusagen. Zusätzlich wurde das Startup auch in das Accelerator-Programm von Techstars in New York aufgenommen. Eine Pause machen konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht, dachte sie: “Dieses Narrativ gibt es in der Startup-Szene bis heute: Nur noch diese eine Aufgabe erledigen, nur noch die Finanzierungsrunde zu Ende bringen. Wir Gründer:innen sind so überzeugt von unserer Idee, dass wir alles andere hinten anstellen, auch unsere eigene Gesundheit.” Denn: “Als CEO darfst du keine Schwäche zeigen.” Sie brachte den Demo-Day noch über die Bühne, dann hieß es: Schluss.

Wenn ein CEO geht, wackelt das ganze Startup.

Bianca Gfrei

Schluss mit den USA. Und auch: Schluss mit dem Founder:innen-Traum. “Ich hatte genug von der Startup-Szene”, sagt Gfrei. Sie informierte Investor:innen und sprach sich mit ihrem Team ab. Für beide war das eine unsichere Zeit: “Wenn ein CEO geht, wackelt das ganze Startup.” Denn gerade in dieser frühen Phase entscheiden Investor:innen meist sehr personenfokussiert, welches Unternehmen sie finanzieren. Springt diese Person dann ab, sorgen sie sich natürlich um ihr Investment. Zurück aus New York, nahm sich Gfrei eineinhalb Jahre Zeit. Zeit für sich selbst, für das Reisen und um einige Ausbildungen zu machen. Sie war in Sri Lanka und Bali, lebte einige Zeit in Indien und zog schließlich nach Portugal. Schon als ihr Ausstieg publik wurde, begannen sich die ersten Unternehmer:innen mit ähnlichen Gefühlen bei ihr zu melden. Als die Nachfragen immer mehr wurden, startete sie ihr eigenständiges Coaching-Unternehmen. 

Wieder eine Unternehmensgründung, aber diesmal nicht wachstumsorientiert wie ein Startup. Das Ziel laute nicht mehr größer, höher, weiter. Gfrei hat in ihrer Auszeit somatische und traumatherapeutische Ausbildungen gemacht. Sie sei keine Psychologin, aber auch kein klassischer Business-Coach. Wer zu ihr kommt, hat meist schon klassisches Coaching ausprobiert. Gfrei arbeitet gesprächsbasiert, in Kombination mit körperbasierten Ansätzen: Menschen, die unter hohem Druck stehen und laut Gfrei “Meister der Emotional Suppression” sind, sollen wieder auf ihre körpereigenen Signale hören. Sie fragt zum Beispiel, wo genau sich der Stress bei ihnen manifestiert. Ist es ein Druck auf der Brust? Mit dieser Methode habe Gfrei bessere Erfahrungen gemacht als mit reinem gesprächsbasiertem Coaching. Auch bei Spark setzt Claudia Schwinghammer auf die “unbewusste Ebene”, wie sie es beschreibt. Ihre Therapiemethode verwendet Hynose-Ansätze, was vor allem bei konkreten Symptomen wie Schlaflosigkeit zu schnelleren Erfolgen führe.

Langsam bis zum Kern

Claudia Altmann ist hier anderer Meinung, sie setzt vor allem auf Gespräche. Die Arbeitspsychologin erzählt, dass Patient:innen oft mit einem arbeitsbezogenen Thema zu ihr kommen. Manchmal bleibe man in diesem Bereich, oft merke man aber nach einigen Gesprächen: Hier geht es um mehr. Oft darum, nichts an andere abgeben zu können. Das führt in der Arbeit zu Stress, weil immer mehr Aufgaben übernommen werden – kann sich aber auch in anderen Lebensbereichen niederschlagen. Wenn zum Beispiel immer mehr Fürsorgeaufgaben in der Familie zusammenkommen. In der Arbeit würden solche Probleme oft früher auffallen, sagt Altmann: “Man sucht sich den Bereich, der weiter weg ist. Der ist emotional nicht ganz so nah dran, dort kann man gut ansetzen. Und dann arbeitet man sich zum Kern vor.”

Sind Startups einmal in der Wachstumsphase, kommt bei vielen Founder:innen noch eine zusätzliches Problem hinzu: die Angst vor dem Versagen; davor, ihre Mitarbeiter:innen zu enttäuschen. Was dagegen hilft? Für Altmann ist es vor allem eine klare Kommunikation im Team. Welche Bedürfnisse haben die Mitarbeiter:innen? Wie sind die Rollen verteilt? Und: Eine Atmosphäre schaffen, in der auch Negatives angesprochen werden kann. Kein Chef und keine Chefin ist alleine für Versagen oder Erfolg eines Unternehmens verantwortlich. Geteilte Verantwortung sei wichtig, sagt Altmann. Sowohl für positive als auch für negative Entwicklungen. “Die Verantwortung für Befindlichkeiten, das Wohlbefinden und die Gesundheit, die haben alle Beteiligten.”

Wer bin ich ohne mein Startup?

Auch Bianca Gfrei kannte diese Angst vor dem Scheitern: “Die ist bei den meisten Gründern überdimensional groß. Was ist, wenn es den Bach hinunter geht? Wer bin ich dann überhaupt noch?” Zu sehr ist die eigene Identität mit dem Unternehmen verwoben. Selbst Gründer:innen, die einen Exit geschafft haben, gehe es ähnlich – obwohl gerade sie ihren Erfolg genießen könnten. Viele würden nach Jahren im Gründungsmodus nicht mehr wissen, wer sie ohne ihr Unternehmen sind. 

Nicht nur die Arbeit macht uns aus, sondern auch unsere Hobbys – wie für Gfrei das Surfen. (c) Peter Crane

Wie kann man diese Identitätsverschmelzung also verhindern? Für Gfrei ist es wichtig, den Selbstwert nicht nur auf einer Säule aufzubauen. Nicht nur die Arbeit mache uns aus, sondern viele verschiedene Säulen: unser Freundeskreis, Hobbys, Zeit in der Natur. Ähnlich beschreibt es auch Arbeitspsychologin Altmann: Unsere Identität bestehe aus mehreren Facetten. Arbeit und Leistung sei nur ein Bruchteil davon. Dazu kommen existenzielle Sicherheit, soziale Netzwerke, soziales Eingebundensein, körperliche Gesundheit. “Wenn ich mein Haus nur auf einer einzigen Säule aufbaue und die angeknackst ist oder kippt, dann fällt das ganze Haus um. Wenn ich mehrere Säulen habe und zwei von fünf ein bisschen wackeln, steht das Haus immer noch.”

Wichtig sei, sich bewusst zu machen, dass man mehr als seine berufliche Rolle ist. Auch die Fehlerkultur in Europa spiele hier eine Rolle. Ist es in den USA ganz normal, dass Unternehmer:innen scheitern und es mit einer neuen Idee von neuem versuchen, hätte man in Europa noch stärker Angst davor, als Versager:in zu gelten. Dazu trage auch der gängige Umgang mit Fehlern in sozialen Netzwerken bei, erklärt Altmann. Online werde meist nur über die Fehler gesprochen, aus denen man etwas gelernt habe oder die man erfolgreich überwunden habe. “Wenn ich einen Fehler mache, muss daraus etwas Grandioses entstehen. Das funktioniert aber nicht so. Nicht aus jedem Fehler habe ich ein Learning.” Diese Doppelbotschaften würden verunsichern.

Heute arbeitet Bianca Gfrei als Coachin und lebt in Portugal. (c) Andreas Weiss

Auch für Gfrei liegt der Ursprung des Problems im öffentlichen Umgang mit Stress und Überforderung: “Wir dürfen das toxische Narrativ der Gründer:innen verändern und Bewusstsein dafür schaffen, dass fast alle in Erschöpfung sind und der Druck massiv ist.” Keinen Tag in der Woche Pause zu machen, kein Wochenende zu haben – das seien Vorstellungen, die man verändern könne, indem man darüber spreche. Auch innerhalb der Branche, sagt Altmann. Natürlich wollen viele vor der Konkurrenz keine Schwäche zeigen. Mit Vertrauten in der Branche sollte man sich aber sehrwohl austauschen, hier ist oft mehr Verständnis zu finden als man glaube.

Der zweite Hebelpunkt liegt für Gfrei bei Investor:innen und Boardmembers. Gerade auf junge Founder:innen in ihren Mittzwanzigern können diese einen massiven Druck ausüben. Investor:innen haben in Gfreis Augen eine Verantwortung gegenüber den Neulingen in der Szene. In den letzten Jahren habe es hier aber bereits Verbesserungen gegeben. Immer mehr Investor:innen würden heute darauf achten, dass Startup-Teams auf ihre emotionale und mentale Gesundheit achten. In den USA gebe es zum Beispiel teilweise auch Abmachungen, dass ein bestimmter Prozentsatz eines Investments in Wellbeing investiert werden müsse. In der europäischen Startup-Szene sei das noch nicht angekommen, auch wenn das Thema Mental Health in der Gesellschaft generell enttabuisiert werde. Gfrei erwähnt hier die Hans(wo)man Group lobend. Hier habe Mental und Emotional Health sowie Wellbeing mittlerweile einen höheren Stellenwert. Diesen Themen werde heute mehr Raum gegeben – auch beeinflusst durch Erfahrungen wie jene von Gfrei.

Goldenes Gefängnis

Startups sollen auch Spaß machen dürfen, sagt Gfrei. “Das geht bei den meisten massiv verloren.” Gründer:innen würden oft aus einer Vision heraus gründen, mit dem Wunsch etwas zu verändern und aus dem klassischen 9-to-5-Berufsalltag auszubrechen. Viele bauen sich dann aber “das gleiche goldene Gefängnis”, sagt Gfrei. Es brauche mehr Leichtigkeit und viel mehr Selbstreflexion in der Startup-Szene.

Die meisten Founder:innen sind selbst ihre eigenen härtesten Kritiker, sagt Gfrei. Oft habe das den Ursprung in der Kindheit, wir seien schließlich alle in einer leistungsorientierten Welt sozialisiert worden. Schaffe man es aber, an einer Schraube zu drehen, könne man das ganze System verändern. Gfreis Erfahrungen zufolge entstehen oft dann die besten Ideen und Business-Möglichkeiten, wenn Mitarbeiter:innen aus dem Dauerstress aussteigen können. Dann könne das Startup “wieder zu atmen anfangen”. Gehe es dem Team gut, sei auch das Unternehmen erfolgreicher.

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