02.08.2021

Medien und die Vertrauenskrise der Institutionen

In seiner aktuellen Kolumne beschäftigt sich Mic Hirschbrich mit fehlendem Vertrauen der Bevölkerung in die Medien.
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Mic Hirschbrich über die Vertrauenskrise der Medien
Brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich | Hintergrund: (c) Adobe Stock - Microgen
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Man staunte nicht schlecht, als dieser Tage der jüngste Vertrauensindex erschien (erhoben von OGM und APA). Wenn man sich nicht ständig damit beschäftigt und gewissermaßen abgehärtet von der Kälte dieser Zahlen ist, kommt einem dieser Index (der den Saldo aus Ver- und Misstrauen in Prozent ausdrückt) desaströs vor. Ausgerechnet bei jenen Organisationen, wo Vertrauen praktisch Teil der eigenen DNA sein sollte (Kirche, Medien, Versicherungen), fehlt es am meisten.

(c) APA

Medien in der Vertrauenskrise

Medien, seit dem Wegbereiter der Französischen Revolution Jean-Jacques Rousseau, auch als die “vierte Säule der Demokratie” bezeichnet, belegen den vorletzten Platz (minus 20 Prozent). Deutlich mehr als die Hälfte der Menschen misstrauen ihnen also pauschal. Und das, obwohl sie sich um starke 14 Prozent verbesserten. Die Steigerung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass “soziale Medien” nicht mehr Teil der Medien-Kategorie waren. Diesen misstraut man offenbar besonders.

Das Vertrauen in Print ist übrigens europaweit schlecht, innerhalb der gesamten EU vertrauen gerademal die Hälfte der Bürger*innen Print oder Fernsehen. In Österreich lagen die Werte fast immer etwas unter diesem EU-Schnitt.

Manipulation (von außen)

Die Gründe für dieses fehlende Vertrauen mögen vielschichtig sein und werden ja immer wieder diskutiert. Doch einem Faktor wird erstaunlich wenig Platz gegeben: Der organisierten Manipulation von innen und außen.

In den USA sind die Einmischungsversuche in den US-Wahlkampf auf medialer Ebene und in den sozialen Medien durch organisierte Gruppen und ausländische Staaten ein großes Thema. Präsident Biden wirkte dieser Tage ungewohnt aggressiv, nutzte sogar Kriegsrhetorik in seinem Bestreben, dem ein Ende setzen zu wollen. In Europa ist das Wirken diverser Akteure (etwa staatlicher “Trollfabriken”) kaum Thema. Derweil ist es deren primäre Aufgabe, unsere sozialen Medien mit Desinformation zu infiltrieren, um die Menschen zu manipulieren und ihr Vertrauen in Staat oder Gesellschaft zu schwächen. Dass es daher in internationalem Fokus stehen sollte, dies zu unterbinden, zeigen Berichte, wie dieser der Conrad Adenauer Stiftung.

Vor kurzem meldete Facebook, fast 7.000 Accounts gelöscht zu haben, die es verdächtigte “koordiniert die öffentliche Debatte für strategische Ziele zu manipulieren”. Besonders offensichtlich wurde das Problem bewusster Manipulation bei den letzten US-Wahlen. Nach der ungewöhnlich harten Entscheidung der großen Sozialen Medien, den Trump-Account und einige dessen Unterstützer*innen zu sperren, ging der Grad an bewusster “Missinformation um die Wahlen” gleich um 73 Prozent zurück (Sic!). Inländische und ausländische Kräfte waren dafür letztlich identifiziert und verantwortlich gemacht worden. Wir reden also bei bestimmten Themen nicht von kleineren Störungen in der öffentlichen Meinungsbildung, sondern von großer, gezielter und organisierter Manipulation der Menschen.

Wenn geschickte Meinungsbildner und Gruppen also Verschwörungstheorien und Fake News zu unterschiedlichen Themen (Wahlen, Klima, Corona, Migration, etc.) glaubhaft für anfällige Zielgruppen platzieren können, erscheinen die regulären Medien daneben als falsch und korrupt. Sie werden dann als “Systemmedien” desavouiert. Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, ob es sich um sogenannte Qualitäts- oder Boulevards-Produkte handelt. Die verführten Menschen haben nachhaltig Vertrauen in die etablierten Medien verloren.

Ja, wir sind als Demokrat*innen für freie Meinungsäußerung. Aber verdeckte (private wie staatliche) Manipulationsversuche in (sozialen) Medien zählen neben Cyber-Crime zu den aggressivsten Angriffen auf unsere Werte. Das vertrauenszersetzende Potential dieser verdeckt arbeitenden Organisationen kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden.

Westliche Gesellschaften verwundbar gegenüber Fake News

Kristina Stoeckl von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, machte in einem Interview auf diese Problematik aufmerksam. Bei Themen wie Corona oder dem Klimawandel zu verunsichern, falle organisierten Gruppen und staatlichen Trollfabriken relativ leicht. “Westliche Gesellschaften haben sich als extrem verwundbar gegenüber Fake News erwiesen”, so Stoeckl.

In welchem Ausmaß diese “strategischen Verunsicherungs-Attacken” (denn das sind sie eigentlich) für das niedrige Vertrauen der Menschen zu den Medien verantwortlich sind, das lässt sich nur erahnen. Man kann sie ja selbst schwer messen. Aber neben den oft diskutierten Gründen für Misstrauen, sollte diesem Thema mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es spricht einiges dafür, dass hier Organisationen, die es nicht gut mit uns meinen, die “Kunst des Krieges” von Sun Tzu (erschienen etwa 500 v. Chr.) gründlich studierten. Der klügste Feldherr führt demnach einen Krieg mit “nur wenigen Soldaten und guter Information”. Und der Bekriegte “bemerkt lange nicht, dass er bereits angegriffen wurde”.

Das Internet bietet uns heute mehr Informationsfreiheit und -Zugang, als wir uns das jemals hätten vorstellen können. Dass diese freie und nicht regulierte, globale Informations-Architektur nun ausgerechnet gegen die freien Gesellschaften eingesetzt und missbraucht wird, mag vielleicht nicht überraschen, aber dagegen müssen wir uns dennoch wehren.

Und die anderen Institutionen?

Das größte Vertrauen unter den Institutionen genießt, vielleicht für manche überraschend, die Polizei (53 Prozent positiver Saldo im Index). Das ist erfreulich, denn sie übt das staatliche Gewaltmonopol aus und da ist Vertrauen besonders wichtig. Rund drei Viertel der Menschen vertrauen ihr also. Das Bundesheer hat sich, dank seiner konstruktiven Rolle während der Pandemie, mit einem Plus von 18 Prozent zurück gekämpft und liegt bei guten 32 Prozent. Dass die Regierung und die EU und selbst die Opposition mehr Miss- als Vertrauen ernten ist zwar traurig, aber doch auch mit ihrer permanent kontrovers diskutierten und kritisierten Arbeit erklärbar.

Weniger erklärbar ist hingegen das Ver- und Misstrauen gegenüber dem Verfassungsgerichtshof. Zwar liegt er mit 45 Prozent relativ hoch im positiven Saldo, aber er ist auch das Herz der Demokratie, wenn man so will, die oberste rechtliche Instanz, Wahrer der Menschen- und Grundrechte in unserem Land. Diese Institution steht nicht im Wettstreit zu Oppositionskräften, die permanent ein Haar in der Suppe suchen, sie ist nicht Teil medialer Kampagnen und seine Organe sind geachtete und integre Persönlichkeiten. Dass dem Verfassungsgerichtshof weniger vertraut wird als der Polizei und er unter 50 Prozent im Index liegt, ist eigentlich inakzeptabel, wie -by the way- die meisten Werte in dieser Statistik.

Hier wird es bei einigen Institutionen, allen voran den Medien, mehr brauchen, als die sattsam bekannte Ankündigung: “Es gilt vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen”.

Zu Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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Ki-Expert:innen Mic Hirschbrich, Ana Simic und Florian Hasibar | Foto: Mic Hirschbrich, Yvonne Fetz, Gloria Krenn

Seit vergangenem Donnerstag ist eine Beta-Version von Manus AI online. Dahinter steckt das chinesische Unternehmen The Butterfly Effect. International hat es in der Branche bereits jetzt einen Hype ausgelöst, einige Medien sehen Chinas nächsten “DeepSeek-Moment” gekommen. Immerhin versprechen die Entwickler:innen den weltweit ersten General AI Agent. Die KI soll vollkommen autonom arbeiten können.

Testen konnten das bis jetzt nur einige wenige, das Modell ist aktuell nur mit Invite zugänglich. Aber was können wir uns von Manus AI tatsächlich erwarten? Brutkasten hat österreichische Expert:innen nach einer ersten Einschätzung gefragt. Testen konnte Manus AI bis jetzt niemand von ihnen.

Bei Manus AI “erstmal abwarten”

“Solange ich es noch nicht getestet habe, würde ich mich noch zurückhalten”, sagt Florian Hasibar, Co-Founder von mytalents.ai. Im KI-Bereich gebe es immer wieder Ankündigungen, die ihren Versprechungen am Ende nicht standhalten könnten. “Aber wenn sie wirklich liefern, wird es sehr spannend.”

Doch für revolutionär hält Hasibar Manus AI nicht: “Es ist eine Mischung aus OpenAI Operator, Deep Research und den bekannten Coding Tools.” Dass nur ein paar Leute mit Einladungen Zugriff auf das Modell haben, sieht Hasibar skeptisch. “Es zeigt mir, dass das nicht skalierbar ist.”

Ethische Fragen offen

Auch für Ana Simic, Gründerin von Propeller, ist es noch zu früh, um sich dem Hype anzuschließen. “Außerdem ist gar nicht wirklich klar, was dahintersteckt. Es scheint sich Claude Sonnet dahinter zu verbergen”, sagt Simic. Sie ortet einen ähnlichen Effekt wie bei DeepSeek: “Sie haben eine Innovation aus dem amerikanischen KI-Markt hergenommen und sie schlauer und effizienter verpackt.” Spannend finde sie hier hingegen, dass die Betreiber angekündigt haben, Teile als Open Source zur Verfügung zu stellen.

Für Simic stellt sich bei Manus AI aber vor allem eine zentrale Frage: “Wer braucht diese Technik? Wollen wir die Arbeit wirklich komplett von Menschen wegnehmen? Wenn wir in Richtung Vollautomatisierung gehen, ist die Frage, ob die Wertschöpfung tatsächlich so ist, dass man es komplett auslagern möchte”, sagt Simic. Nichtsdestotrotz geht die Propeller-Gründerin davon aus, “dass sich die amerikanischen Unternehmen schon sehr warm anziehen werden”. Sie sei sehr gespannt, wie die Börsen jetzt reagieren.

Wettrennen um KI-Funding

Mic Hirschbrich, Co-Founder von Apollo.ai, sieht wiederum einen Zusammenhang zwischen dem Funding und den Versprechungen von Manus AI: “Mein Eindruck ist, dass das globale Wettrennen beim KI-Funding einen derart kompetitiven Druck erreicht hat, dass der Anreiz, sehr rasch sehr hohe vermeintliche Ziele auszugeben, ein sehr großer ist.”

Die ersten Testwerte seien allerdings sehr positiv – wenn auch mit Vorsicht zu genießen. “Was meine Aufmerksamkeit erreicht hat, ist die Gaia-Testung. Das ist das Agenten-Testsystem, das aus der Meta-Ecke kommt. Und das ist schon anerkannt im Benchmarking von wirklich guten KI-Leistungen. Da scheinen sie in allen Bereichen gute Ergebnisse erzielt zu haben. Allerdings haben sie das selbst publiziert. Spannend wird es, wenn das von dritter Seite bestätigt wird”, sagt Hirschbrich.

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