19.10.2015

Versicherungs-Startups: “InsuranceTech ist evolutionär, nicht disruptive”

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Die Versicherungsbranche steht vor einer sanften Revolution. Startups mischen den Markt auf und ziehen Investoren an, bleiben aber auf etablierte Produkte angewiesen. Deshalb glaubt Rick Huckstep nicht daran, dass die träge Versicherungswelt durch InsuranceTech auf den Kopf gestellt wird – wie etwa die Bankenbranche. “Versicherungen müssen nicht neu erfunden werden”, sagt der für Daily Fintech Advisers tätige Berater und Investor aus Oxford, Großbritannien. Im Gegensatz zur Bankenwelt sei InsuranceTech “evolutionär, nicht disruptive”.

Ein Startup das eine klassische, voll ausgebaute Versicherung sein will, sei ihm noch nicht untergekommen, sagt Huckstep im Gespräch mit DerBrutkasten. Neue Geschäftsmodelle seien vor allem auf Online-Vertrieb und Datentools gerichtet. “Startups wollen Wege finden, Versicherungen über digitale und soziale Kanäle zu verkaufen. Aber das Produkt bleibt das gleiche. Sie vertreiben es nur mit den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts”, so der FinTech-Experte.

“Versicherungen müssen nicht neu erfunden werden. InsuranceTech ist evolutionär, nicht disruptive.”

Damit haben Startups schon Erfolg: Über das in London ansässige Unternehmen Boughtbymany kann man Polizzen online vergleichen, Schutzklick aus Deutschland bietet im Web Versicherungen für Handys an und Portale wie Friendsurance oder Guevara setzen auf eine soziale Art der Versicherung – Prämien werden gebündelt und wer schadenfrei bleibt bekommt einen Teil der Beiträge zurück. Aus Deutschland stammt auch Clark, das Versicherungen online verkauft und zuletzt über eine Million Euro von Investoren eingesammelt hat. In Österreich ist vor kurzem der reine Online-Anbieter L’Amie gestartet, wie berichtet mit dem britischen Versicherungshaus Lloyd’s im Rücken.

Im Daten-Bereich geht es darum, Versicherungsunternehmen aufschlussreichere Informationen zu liefern, mit denen Risiken und Ansprüche besser – und vor allem effizienter – eingeschätzt werden können. Unternehmen sparen sich Kosten und Kunden kommen einfacher an ihre Polizzen, so lautet die Grundformel. Das Startup AnalyzeRE ist etwa auf Risikoanalyse spezialisiert und gilt als Vorreiter.

Konzerne hinken nach

Die großen, etablierten Versicherer halten mit den neuen Entwicklungen der Tech-Branche oft nicht Schritt. “Sie können von innen heraus nicht innovativ sein. Dafür fehlt die Kultur”, sagt Huckstep. Nur ein Bruchteil der Profite würde in Innovation fließen, weshalb es die Konzerne mit radikalem Wandel nicht sehr ernst meinen dürften. “Versicherer stecken jetzt Geld in eigene Fonds, holen sich die Innovation von außen und profitieren damit trotzdem von den neuen Möglichkeiten”. Am Ende würden die Großen die von Startups entwickelten Innovationen ausschöpfen – in manchen Fällen indem sie die neuen Player aufkaufen. “Oder die neuen Startups etablieren sich und werden selbst zum Teil des Ökosystems”, so Huckstep.

Dem womöglich unausweichlichen Schicksal der Geldinstitute könnten die großen Versicherer damit entgehen. Banken plagt laut dem Experten ein unlösbares Problem: Die Kunden hätten das Vertrauen in die Unternehmen verloren. Deshalb könnten Startups wie Transferwise, das die Kosten für internationale Überweisungen massiv gesenkt hat, die Branche frontal angreifen. “Bei Banken reden wir von disruption im Sinne einer Organtransplantation, eine Operation am offenen Herzen”, so Huckstep.

“Bei Banken reden wir von disruption im Sinne einer Organtransplantation, eine Operation am offenen Herzen”

 

In der Versicherungswelt sei damit nicht vergleichbar. Es fehle etwa eine globale Infrastruktur und damit auch die Möglichkeit für großflächige Veränderungen. Versicherungen arbeiten anders als Banken: Sie haben oft lebenslange Beziehungen zu ihren Kunden, während Versicherungen etwa einmalig eine Altervorsorge verkaufen, die schnell in Vergessenheit gerät. Häufig wechseln Menschen ihre Auto- oder Haushaltsversicherung alle paar Jahre. Zwischen Versicherungen und ihren Kunden gebe es anhaltende Beziehungen in dieser Form nicht, sagt Huckstep. Noch nicht. Soziale Versicherungsmodelle und der Vertrieb über das Web könnten das ändern.

“Technologie kann die Versicherungsbranche zum Besseren weiterentwickeln. InsuranceTech ist da und etabliert, es zieht nur noch nicht die großen Überschriften und Investitionen an so wie FinTech. Es ist eine evolutionäre Entwicklung und so sollte es auch sein”, sagt Huckstep.

 

 

 

 

 

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Wirtschaftsminister Martin Kocher während seiner Keynote am Technology Impact Summit | Foto: Technology Impact Summit
Wirtschaftsminister Martin Kocher während seiner Keynote am Technology Impact Summit | Foto: Technology Impact Summit

Über 300 Expert:innen und internationale Wissenschaftler:innen tauschten sich am vergangenen Donnerstag in der Grazer Seifenfabrik über unterschiedliche Aspekte Künstlicher Intelligenz aus. Ziel des Formats: Einen holistischen Blick einzunehmen und den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken. Der Technology Impact Summit ist eine gemeinsame Initiative von Universität Graz, Technische Universität Graz, Joanneum Research und FH Joanneum.

brutkasten präsentierte neue KI-Serie bei Pre-Event

Eingestimmt wurde sich auf den Summit bereits am Vorabend bei einem Pre-Event im Grazer Unicorn. brutkasten-Chefredakteur Dominik Meisinger stellte dabei die neue multimediale brutkasten-Serie “No Hype KI” vor, die gemeinsam mit mehreren namhaften Partnern – darunter die Universität Graz – umgesetzt wird.

Zudem lieferten Albin Skasa, Geschäftsführer des Startups medaia GmbH, das hinter der App SkinScreener steht, sowie Oliver Kröpfl, Vorstand der Steiermärkischen Sparkasse, im Interview Einschätzungen zu den Herausforderungen und der Finanzierungssituation von KI-Startups.

Keynote von Wirtschaftsminister Kocher am Technology Impact Summit

Am Donnerstag startete der Summit mit Großworten von Ministerin Karoline Edtstadler und der steirischen Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (beide ÖVP). Anschließend diskutierten die Rektoren der vier veranstaltenden Institutionen Horst Bischof (TU Graz, KI-Beirat der österreichischen Bundesregierung), Heinz Mayer (Joanneum Research), Martin Payer (FH Joanneum) und Peter Riedler (Universität Graz) kurz und prägnant mit Moderatorin Fanny Stapf über den akademischen Zugang zu Künstlicher Intelligenz.

Die erste Keynote hielt dann Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher. Er verwies dabei auf das Potenzial künstlicher Intelligenz im Kampf gegen den Fachkräftemangel: “Im demografischen Wandel mit weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter bieten Automatisierung und Künstliche Intelligenz die Möglichkeit, unseren Lebensstandard zu erhalten und zu verbessern”, sagte Kocher.

Die Arbeitsproduktivität steige in der Europäischen Union trotz zunehmender Digitalisierung aber nur schwach an. Das Wachstumspotenzial der Zukunft verortete Kocher in Effizienzsteigerungen, die durch neue Technologien erwirkt werden können. Die neue KI-Verordnung der EU, den AI Act, bezeichnete Kocher als “gute Kompromisslösung”.

Liessmann vs. Mayer-Schönberger

Philosoph Konrad Paul Liessmann (Universität Wien) und Viktor Mayer-Schönberger (Oxford University) diskutierten durchaus kontrovers über die Frage, wer künftig die Oberhand haben wird – Mensch oder Maschine. Liessmann sieht in Künstlicher Intelligenz eine Nivellierung nach unten, die Jobs mit intellektuellem Potenzial nicht gefährden wird. Chatbots greifen auf historische Daten zurück und hätten wenig Möglichkeiten, sinnvoll zu kontextualisieren und eigene Gedanken zu formulieren oder sinnerfassend in die Zukunft zu blicken. Mayer-Schönberger hingegen relativierte und argumentierte, dass weite Teile der Wissenschaft auf bereits erbrachten Inhalten aufbauen. Er warnte davor, kreative Schöpfungen überzubewerten.

Near Futures Debate: Wo steht Europa bei KI?

Ab Mittag ging es am Technology Impact Summit dann ab in die “Near Futures Debates”. Dabei standen sich jeweils zwei Speaker:innen gegenüber, die ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Jana Lasser, Professorin an der Universität Graz, diskutierte etwa mit Apollo.ai-Gründer Mic Hirschbrich über die Position Europas bei KI.

Jana Lasser (Universität Graz) und Mic Hirschbrich (Apollo.ai)

Lasser argumentierte dabei, dass es Europa an der Infrastruktur für die großen generativen Modelle mangele. Ihre Schlussfolgerung: “Die Chance liegt in der Spezialisierung und in qualitativ extrem hochwertigen Daten in einzelnen Segmenten. Das ist in Reichweite!” Die Austauschprozesse in der Europäischen Union im wissenschaftlichen Bereich würden “die optimale Basis für diese Vision” liefern.

Hirschbrich, der in der Vergangenheit als brutkasten-Kolumnist aktiv war, argumentierte, dass die aktuelle Diskussion zu stark auf ChatGPT fokussiert sei. “Der Diskurs muss weiter gefasst werden, um eine einheitliche Regulierung mit den Vereinigten Staaten zu finden und keine europäische Insellösung zu kreieren, die zu Wettbewerbsnachteilen führen kann”, sagte der Apollo.ai-CEO.

Near Features Debates: AI Act, Inklusiver Zugang zu KI, Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Thomas Burri (Universität St. Gallen) und Jeannette Gorzala (European AI Forum)

In einer weiteren “Near Future Debate” diskutieren Jeannette Gorzala vom European AI Forum und Thomas Burri von der Universität St. Gallen über den AI Act. Gorzala sieht den Gesetzesrahmen als Framework, das Unternehmen Sicherheit gibt und Skalierung auf einem attraktiven Markt ermöglicht. Sie verwies dazu auch auf das Beispiel OpenAI: Nach ursprünglichen Drohungen, sich aus Europa zurückzuziehen, eröffnet das US-Unternehmen nun Büros in Brüssel, Dublin und Paris. Burri hingegen spricht von einer enormen Verunsicherung und Rechtsunsicherheit, die durch die europäische Gesetzgebung ausgelöst wurden. 

In weiteren “Near Futures Debates” diskutierten einerseits Sonja Schmer-Galunder (University of Florida) und Markus Kneer (Universität Graz) die ethischen Aspekte der Künstlichen Intelligenz und hinterfragten dabei, ob es ausreichend inklusive Zugänge zur Technologie gibt. Andererseits debattierten Harald Leitenmüller von Microsoft und Stefan Thalmann von der Universität Graz die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt.

Aktuelle KI-Use-Cases in “Lightning Talks” am Technology Impact Summit

Julia Shaw (University College London)

Von den Debatten über die gesellschaftlichen Auswirkungen von KI richtete sich der Fokus am Nachmittag dann auf Use Cases aus der Wirtschaft. In den “Lightning Talks” stellten Unternehmen ihre Anwendungsfälle vor. Beispiele lieferten LexisNexis, PwC, Schiefer Rechtsanwälte, Erste Group, Aileen Health, Grant Thornton und ACP.

In der abschließenden Keynote widmete sich Julia Shaw (University College London) dem “Tanz des Gehirns mit der KI”. “Erinnerungen sind modifizierbar”, hält Shaw fest. Das System Gehirn sei dafür programmiert, sich gut, aber nicht perfekt zu erinnern. Ähnlich verhalte es sich auch mit KI.

“Das Beste, was Künstliche Intelligenz derzeit kann, ist fiktionale Geschichten zu erzählen”, kommentierte die Forscherin die hohe Fehlerquote der Ergebnisse. Auch darin erkennt sie eine Parallele zu Menschen, die im normalen Gespräch ebenfalls selbstsicher falsche Inhalte verbreiten.

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