02.10.2015

Versicherungs-Startup L’Amie: “Man kann es nicht jedem Recht machen”

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L'Amie-CEO Christian Pedak

Mit L’Amie haben Sie die erste reine Online-Versicherung in Österreich gestartet. Einen Außendienst gibt es nicht – wird im Privatkundenbereich der klassische Makler aussterben?

Christian Pedak: Heute ist Online-Banking weit verbreitet und trotzdem gibt es noch viele Filialen. Das eine wird das andere auch in der Versicherungsbranche gut ergänzen. Es wird immer Situationen geben, in denen man lieber mit einem Vertriebsmitarbeiter redet. Dass es zu einer Veränderung des Marktes kommen wird, sieht man aber auch in anderen Ländern.

Zur Person: Christian Pedak, 41, ist Jurist und Absolvent der London School of Economics. Er ist Geschäftsführer des Versicherungsmakler-Unternehmens Integral und Gründer der Online-Versicherung L’Amie.

Mit dem Tool Schadenshelfer helfen Sie Kunden dabei, Ungerechtigkeiten in Schadensfällen aufzudecken – machen Sie sich damit die Branche zum Feind?

Man kann es nicht immer jedem Recht machen. Wenn wir es uns aussuchen können, stehen wir aber immer auf der Seite der Kunden. Auch wenn wir aus der Maklerwelt kommen, die Kunden sind unsere Auftraggeber. Nachdem wir jeden Tag die Leidensgeschichten unserer Kunden hören und sehen, was da alles schlecht läuft in der Industrie, haben wir uns entschlossen, Kunden mit dem Schadenshelfer zu helfen. Meistens ist so ein Schadensfall auch mit einem persönlichen, emotionalen Stress verbunden. Es ist doppelt ärgerlich, wenn man dann noch eine lapidare oder gar ungerechtfertigte Schadensablehnung bekommt. Manchmal kommt dabei natürlich auch heraus, dass der Versicherer Recht hat. Unsere Experten schauen sich die Verträge genau an und geben dem Kunden einige Tipps für den Umgang mit seinem Versicherer.

Wie ist die Idee zu L’Amie entstanden? Was ist Ihre Geschichte?

Das klassische Maklerunternehmen Integral, ein Familienunternehmen, gibt es seit den 80er-Jahren. Der Maklermarkt hat seine eigenen Herausforderungen und nachdem wir die Produkte und die Versicherungsmathematik immer weiterentwickelt haben, wollten wir noch einen Schritt weiter in die Versicherungswelt gehen.

Wie ist Ihr Team aufgestellt?

L’Amie-Mitarbeiter und Interal-Mitarbeiter sind quasi eine Personalunion. Unsere Mitarbeiter kommen aus dem Bankenbereich. Unser Finanzvorstand hat in Wien als Fondsmanager gearbeitet und mathematische Physik studiert. Er ist ein absoluter Zahlenmensch aber mit einem guten Bezug zur realen Welt. Unser IT-Vorstand kommt von einem großen börsennotierten Unternehmen. Mein Bruder ist mit mir gemeinsam im Vorstand der L’Amie und kommt von der Großkanzlei Wolff-Theiss. Unser Marketingleiter wiederum war zuvor bei einem großen Mobilfunker tätig, einer Branche die durch hohe Wettbewerbsintensität geprägt ist. Wir haben uns wirklich schlaue Köpfe gesucht.

Wie kam es zu der Kooperation mit dem britischen Versicherungsmarkt Lloyd’s?

Ich hab in London an der LSE (London School of Economics, Anm.) studiert und bin schon damals in den Kontakt mit Lloyd’s gekommen. Dort habe ich von Anfang an schwierige Themen lösen können, wie man sie in Österreich damals gar nicht in die Hände bekommen hätte. Das war gleichzeitig mein Weg in die Versicherungswelt und zu Lloyd’s.

Wie ist das Verhältnis von Lloyd’s und L’Amie – bei wem schließe ich die Versicherung genau ab?

Lloyd’s ist der Risikoträger und wir zeichnen die Risken im Auftrag von Lloyd’s.

Gibt es internationale Vorbilder für L’Amie?

In Deutschland gibt es mittlerweile sieben namhafte Anbieter von Online-Versicherungen. Entstanden ist der Geschäftszweig aber in Großbritannien, wo auch unsere Vorbilder liegen. Wir sind aber auch von unseren eigenen Visionen getrieben, da wir tagtäglich sehen, was in der Branche nicht funktioniert.

Was wäre das konkret?

Vertriebsmitarbeiter sind oft provisionsorientiert und weniger zielgerichtet und objektiv. Oft ist die angebotene Lösung dann auch nicht zielgerichtet. Davon halten wir uns fern. In dem Industriekunden-Bereich, aus dem wir kommen, würden wir auch sofort einen wesentlichen Teil unserer Kunden verlieren. Man muss aber sicher auch zwischen sehr spezialisierten Maklern und Vertriebskanälen mit sehr breitem Fokus unterscheiden.

Die Versicherungsbranche ist ein sehr heikler Bereich, wie kann man online das Vertrauen der Kunden gewinnen?

Vertriebsmitarbeiter werden im Verkaufsgespräch nicht immer gleich alle negativen Bereiche ansprechen. Online ist die Beratung immer objektiv und der Ausschluss ist transparent. Das Medium Internet sorgt dafür, dass man Kunden eine objektive und immer gleich bleibende Beratung garantieren kann.

Steht man als Versicherungsstartup in Österreich vor besonderen Hürden?

Wenn Sie Marktteilnehmer aus dem Versicherungsbereich zu Online-Lösungen befragen, kommt meistens die Antwort: “das brauchen wir nicht”. Wir sehen ja in unseren Nachbarländern, dass sich der Markt in eine ganz andere Richtung bewegt. Ich glaube nicht, dass die Internetgewohnheiten der Österreicher da so unterschiedlich sind.

Woher denken Sie kommt die Sichtweise, dass Online bei Versicherungen keine Relevanz hat?

Ich denke, da ist ein Stück Bequemlichkeit dabei. Es funktioniert ja gut für die Versicherungen – in Österreich haben sie fantastische Ergebnisse. Es gibt keine Probleme bei der Profitabilität. Das ist eben gemütlich, da kann man am status-quo festhalten.

Fühlen sich die Altvorderen der Branche bedroht durch Online-Angebote und Startups?

Ich habe auch lange Zeit im Vertrieb gearbeitet. Damals kamen die ersten Online-Angebote auf und bei den ersten Berichten dachten wir alle, wir haben morgen keinen Job mehr. Jetzt ist es zehn Jahre später und Online-Versicherungen sind noch immer eine Nische. Natürlich wird sich der Markt verändern und es werden manche Strukturen verschwinden. Auch im Bankenbereich haben wir noch nicht das Jahr der Arbeitslosen ausgerufen und dort kommt die “Bedrohung” derzeit von zwei Seiten: es gibt das Online-Banking und wenn Sie heute ein Foyer betreten, stehen dort mehr Automaten als Mitarbeiter. Die Kompetenzen und Aufgabenbereiche haben sich verschoben und das wird auch im Versicherungsbereich passieren.

Haben Sie aus Ihrer Gründer-Erfahrung Tipps für junge Gründer in Österreich?

Man braucht eine Vision und Freude und Energie bei der Umsetzung der Vision – am besten gelingen die Sachen, die einem Spaß machen. Dann ist auch für die notwendige Durchsetzungskraft und Qualität gesorgt. Drittens braucht man sehr viel Sitzfleisch – auch dafür braucht man die Begeisterung und die Emotion.

 

 

 

 

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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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