06.12.2021

Wie Google “Verhaltensökonomie” in seinen Kantinen einsetzt & was wir davon lernen können

Die "Verhaltensökonomie" durchdringt immer stärker unseren Alltag und bietet wesentlich mehr als nur das Konzept des "Nudging". Was dieses "Mehr" ist, veranschaulicht Verhaltensökonom Felix Günther in einem Gastbeitrag am Beispiel der Google Kantinen, die für ihre Mitarbeiter:innen ungesunde Snacks nicht verbieten, sondern lediglich "unzugänglicher" machen.
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Wir alle kennen sogenannte “Fachidioten”: In der Regel handelt es sich um Menschen, die innerhalb ihrer “Blase” über eine ausgezeichnete Fachexpertise verfügen. Um dem entgegenzuwirken, gibt es vermehrt interdisziplinäre Studiengänge. Dazu zählen beispielweise Wirtschaftsingenieurwesen, Sport & Gesundheit oder eben auch die Verhaltensökonomie – eine Mischung aus Volkswirtschaftslehre (VWL) und (Sozial-)Psychologie. Durch diese Kreuzung wurden mehr Experimente aus der stark quantitativen VWL genutzt. Das Ergebnis ist bekannt: Der Mensch ist gar nicht so rational, wie es die traditionellen Modelle annehmen.

To be fair – eine Vorahnung gab es schon… 

Auf Grund der Schwierigkeit, irrationales Verhalten in Modellen darzustellen, ist man aber lieber bei Konsumentenverhalten à la Homo Oeconomicus geblieben (aka. 100 Prozent rational). Dies ist insofern gerechtfertigt, da entsprechende Modelle eine durchaus hilfreiche Basis für Vorhersagen ermöglichen.

Kommen wir von der Theorie zu uns – dem “echten Menschen”. Entscheidungen sind rückblickend häufig eine Mischung aus Rationalität und Emotionen. Ist die Entscheidung wieder einmal aus dem Moment gefallen, reden wir uns das Verhalten im Nachhinein einfach rational. Dadurch erhalten wir unser Selbstbild aufrecht und rechtfertigen “emotionale Konsumentscheidung”. So lassen sich mit gutem Gewissen die neuen Sneakers erklären, wenn man beim “Shopping” eigentlich eine Winterjacke gesucht hat. Wir argumentieren: “Die waren schließlich im Angebot und ich wollte sie schon immer haben.”

Emotionsgetriebenes Verhalten

Unser Verhalten als ausschließlich emotionsgetrieben zu erklären, ist aber auch nicht korrekt. Schließlich analysieren wir manchmal die Situation und entscheiden erst dann – faktenbasiert. Zur Verfeinerung haben wir über die Zeit komplexe Methoden entwickelt. Zu diesen wissenschaftlich ausgeklügelten Methoden gehört die von Prof. Theodore Evelyn “Ted” Mosby“ zelebrierte Pro-Contra Liste:

Woher kommt es, dass unsere Entscheidung manchmal dem eines “Sofortbelohnungs-Steinzeitlebemanns” und anderes Mal einem “eiskalten Wolf of Wallstreet Gewinnmaximierer” entspringt? Daniel Kahneman bietet in seinem Bestseller Schnelles Denken Langsames Denken eine Antwort.

“Biases”: Wir sind anfällig für Fehler

Demnach ist unser Gehirn eine Festplatte, die auf zwei Systemen läuft. Während das erste reflexartig und energieeffizient entscheidet, ist das zweite System langsam und benötigt Effort. Wieso nutzen wir dann das zweite System überhaupt? Nun ja, wie alles was eher schnell erfolgt, ist es weniger präzise.

Kahneman erklärt, dass es anfällig für systematische Fehler ist. Zu diesen sogenannten “Biases” gehören der Anker-Effekt (weshalb die teuren Gerichte zu Beginn des Restaurant Menüs stehen),eine Wahrscheinlichkeitsverzerrung (wovon Versicherungen leben) und der Halo-Effekt (was dazu führt, dass Coca-Cola auf Markenbotschafter wie Fußball-Star David Alaba setzt, um seinem positives Image mit dem Softdrink zu assoziieren). Inzwischen sind rund 200 dieser Biases dokumentiert.

Was hat das mit Googles Kantine zu tun? 

Die Kaffeemaschinen ist ein Ort der Entscheidung. Dabei meine ich nicht die Wahl zwischen Espresso oder Verlängerten, sondern was passiert, nachdem die entsprechende Taste gedrückt wurde. Aber, Felix, was soll da passieren? Genau. Nichts. Und das ist der Moment, in dem wir besonders anfällig sind. Nicht etwa für eine spontane Pro-Contra Liste, sondern für eine spontane Sofortbelohnung. Und was eignet sich da besser, als dieses unschuldige Raffaelo, das neben der Maschine ruht. So ein kleiner, unschuldiger Dopamin-Kick, der das Warten auf den Kaffee versüßt.

Dir war wirklich nach einem Raffaelo? I doubt it. Sei ehrlich, wenn Lebkuchen in Reichweite gewesen wäre, hättest Du doch genau so gedankenlos zugegriffen. Doch was hättest Du gemacht, wenn nichts dergleichen dort gelegen hätte?

Diese Frage hat sich Google auch gestellt und in seinen Büros die ungesunden Snacks von der Kaffeemaschine entfernt. Sie wurden aber – wie bei Nudges üblich – nicht verboten, sondern lediglich unbequemer gemacht. In diesem Fall in eine Box gelegt, die wenige Meter entfernt von der Kaffeemaschine im Regal steht. Als Ersatz gibt es für die Mitarbeiter:innen nun eine große Schale mit frischem Obst – in unmittelbarer Reichweite. 

Was kannst Du davon lernen?

Achte auf Entscheidungen, die Du unbewusst triffst. Solche, wo Du dich im Nachhinein fragst, ob das wirklich nötig oder sinnvoll war. Dies können Konsumgüter aller Art sein wie Snacks, Shots oder Mode. Überlege dir, wann Du in die Falle trittst, und baue Dir eine Welt, in welcher der Zugang erschwert wird. Das heißt nicht, dass Du 100 Burpees vor jedem Snickers machen musst – aber wie wäre es damit, sie aus der leicht zugänglichen Snackschublade in den Flur zu legen? 

Das Ganze funktioniert auch andersrum; wieder mal ein Workout geskippt? Mach es dir so leicht wie möglich und füge eine Prise “Social Pressure” hinzu. Dies könnte so aussehen, dass man die Sporttasche am Vortrag packt und sich zum Training verabredet. Keiner hat Zeit? Schreibe einem Freund, dass Du morgen ins Gym gehst und ihm ein Foto schicken wirst. Mach dir das “Skippen” unangenehm und den Weg zum Ziel so einfach wie möglich.


Zum Gastautor:

Felix Günther ist nicht nur Verhaltensökonom, sondern auch Gründer des Wiener Startups One Meal a Day. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Daniel Rieger und Peter Moser hat Günther im Oktober 2020 im Rahmen der Sustainability-Challenge der Universität Wien die Idee zu One Meal A Day geboren. Der Name verrät dabei schon die wesentlichen Kernpunkte der Unternehmensphilosophie. Ziel ist es, mit Hilfe einer Kochbox, die zu 100 Prozent pflanzenbasiert ist und sich aus regionalen Lebensmittel zusammensetzt, Menschen bewusst zu einer nachhaltigen Ernährung zu motivieren. Im Zentrum stehen allerdings nicht Ernährungsverbote und strickte Regeln, sondern Nudging und Erkenntnisse der Verhaltensökonomie, die motivieren und zugleich inspirieren.


One Meal A Day: Felix Günther zu Gast bei One Change a Week

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Joulzen
(c) Joulzen - (v.l.) Sebastian Rigger, Florian Schellnast und Christoph Markler von Joulzen.

Joulzen ist ein österreichisches Startup rund um Sebastian Rigger, Florian Schellnast und Christoph Markler, das sich der nachhaltigen Transformation des Energiemarktes verschrieben hat. Mit einer Technologie, die alte Öltanks in moderne Wärmespeicher verwandelt und die überschüssige Sonnenenergie nutzt – um CO2-Emissionen zu reduzieren – möchte es den Zugang zu leistbarer Energie in Österreich beschleunigen.

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Joulzen hat heuer im Juni den 1. Platz bei der Österreich-Entscheidung Climate Launchpad belegt und ist im europaweiten Semifinale gegen den späteren Sieger Terraversa aus Spanien ausgeschieden. Zudem ist es Teil des TU Wien i²c Inkubators.

Bei der hauseigenen Methode, bestehende Öltanks in effiziente Wärmespeicher zu transformieren, wird überschüssige Energie aus Photovoltaikanlagen oder dem Stromnetz gespeichert und für den Winter nutzbar gemacht. Dabei sollen, wie es per Aussendung heißt, die Heizkosten um bis zu 90 Prozent gesenkt und der CO₂-Ausstoß um bis zu 84 Prozent reduziert werden.

Umrüsten statt entsorgen

Ein weiterer Vorteil: Alte Öltanks müssen nicht mehr teuer entsorgt, sondern könnten umweltfreundlich umgerüstet werden. “So sparen Hausbesitzer bis zu 5.000 Euro allein an Entsorgungskosten. Mit Joulzen macht nachhaltiges Heizen Freude und wird zum Geschenk für kommende Generationen”, sagt Maschinenbau-Experte Rigger.

Aktuell haben die Wiener das Land Tirol im Visier. Gepaart mit Förderungsaktionen wie “Raus aus Öl und Gas” und “Klimafreundliches System” des Bundes und des Landes Tirol soll die Umrüstung auf erneuerbare Energien für alle Haushalte leistbar werden, so der Plan: “Mit Joulzen kommen wir dem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, einen großen Schritt näher”, so Rigger weiter. In Tirol werden bis zu 100 Prozent der Umrüstungskosten gefördert. Auf Bundesebene laufen die Förderprogramme noch bis Ende 2025.

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