13.04.2023

VERBUND X: “Eine Plattform, wo Leute zusammen anpacken, um Lösungen zu finden”

Die Proof of Concept-Phase des dritten Durchgangs des VERBUND X Accelerator-Programms ist abgeschlossen. Vorbei sind die entstandenen Kooperationsprojekte aber keineswegs.
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Beim VERBUND X Demo Day pitchten sieben Teams ihre Proo of Concept-Projekte | (c) VERBUND
Beim VERBUND X Demo Day pitchten sieben Teams ihre Proo of Concept-Projekte | (c) VERBUND
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“Ich liebe es, diese Energie hier zu haben, von jungen Leuten, die gemeinsam an Lösungen arbeiten”, sagt VERBUND COO Achim Kaspar. Er spricht vom VERBUND X !!Accelerator. Wenige Minuten später wird beim !!Demo Day Ende März im Wiener weXelerate verkündet, welche Kooperationsprojekte über die !!Proof of Concept-Phase (PoC) hinaus weiterverfolgt werden. Zurück liegen sieben Präsentationen vielversprechender Ansätze.

Co-Innovation: VERBUND holte OMV, voestalpine, Post, RHI Magnesita und Alperia ins Boot

Dabei geht es nicht nur um Kooperationen zwischen VERBUND und Startups – der brutkasten berichtete bereits. Auch OMV, voestalpine Steel, Post AG, RHI Magnesita und Alperia sind auf Corporate-Seite dabei. Neben Startups aus mehreren europäischen Ländern und den USA ist auch ein Forscherteam der TU Wien an einem Projekt beteiligt. “Wir bauen eine Innovationsplattform nicht nur für VERBUND, sondern für das ganze Land auf. Eine Plattform, wo Leute zusammen anpacken, um Lösungen zu finden”, sagt Achim Kaspar. Der VERBUND X Accelerator könne über seine “Innovations-Sandboxes” unbürokratisch arbeiten und werde so zum Beschleuniger für diese Lösungen im wahren Wortsinn.

vlnr. VERBUND X Accelerator-Lead Edward Feltmann, VERBUND COO Achim Kaspar und OMV Executive Officer Refining Martijn van Koten | (c) VERBUND
vlnr. VERBUND X Accelerator-Lead Edward Feltmann, VERBUND COO Achim Kaspar und OMV Executive Officer Refining Martijn van Koten | (c) VERBUND

Für OMV Executive Officer Refining Martijn van Koten ist klar: “Die OMV ist ein großes, internationales Unternehmen, das sich in vielen Bereichen ändern muss. Wir haben die Innovationskraft und den Willen dazu und arbeiten mit Hochdruck daran, unser Geschäftsmodell von einem linearen zu einem zirkulären System umzubauen. Dabei erfinden wir gerade die Lieferkette und das Energiesystem neu. Das kann man nicht alleine machen. Dazu braucht es Partnerschaften und eine Allianz der besten Köpfe”. Und dass sie bereit für diesen Co- !!Innovation-Ansatz ist, bewies die OMV im aktuellen Durchgang des VERBUND X Accelerators eindrücklich: Gleich drei !!PoC-Projekte mit Startups wurden durchgeführt, zwei davon gemeinsam mit den Corporate-Partnern voestalpine und RHI Magnesita.

PoC-Phase im VERBUND X Accelerator: 5 Monate um sich zu beweisen

Aus ursprünglich 191 Bewerbungen aus 32 Ländern waren im Oktober im Rahmen des ” !!Innovation Camps” die sieben !!PoC-Projekte hervorgegangen. In den folgenden Monaten mussten die gemeinsamen Teams aus Corporate- und Startup-Mitarbeiter:innen dann den Beweis antreten, dass ihre Konzepte den versprochenen Mehrwert erbringen können.


Das waren die sieben PoC-Projekte im VERBUND X-Accelerator

SmartHelio & VERBUND

Ein Team von VERBUND und dem Schweizer Startup SmartHelio will mit seinem System detaillierte Echtzeit-Datenanalysen zur Leistung von PV-Systemen liefern. Damit sollen Störungen viel früher als mit aktuellen Systemen erkannt werden. Das soll Einbußen verhindern und damit viel Geld sparen. In der !!PoC-Phase wurde das System unter anderem mit einer großen PV-Anlage von VERBUND in Österreich erprobt, wobei eine Produktionssteigerung von zehn Prozent erreicht und damit ein großes Einsparungspotenzial bewiesen werden konnte. “Heute ist es noch kein Riesen-Geldbetrag. Aber wenn das geplante exponentielle Wachstum von VERBUND im PV-Bereich umgesetzt wird, geht es zukünftig um große Beträge”, erklärt das Team im Pitch.

TU Wien & OMV, voestalpine und RHI Magnesita

Ein Team des Instituts für Materialchemie der TU Wien arbeitete in seinem !!PoC-Projekt mit OMV, voestalpine und RHI Magnesita zusammen. Dass das Thema für alle drei Corporate-Partner spannend ist, verwundert nicht: Es geht um CO2-Recycling. Der vom Team Entwickelte Katalysator “co2ol catalyst” wandelt CO2 und Wasserstoff zu Methanol. Im Gegensatz zu bestehenden Technologien soll das Endprodukt dabei viel geringere Verunreinigungen durch Schwefelverbindungen enthalten, der Wasserstoffverbrauch soll viel geringer sein.

Genau das wurde in der !!PoC-Phase zunächst mit Emissionsproben der OMV getestet. Die Tests werden mit Proben der anderen Partner fortgesetzt. Das bisherige Ergebnis: Die Technologie liefert bei sehr unterschiedlich zusammengesetzten Emissionen trotz verschiedener Verunreinigungen durchwegs gute Ergebnisse. Bis zur Serienreife ist es aber noch ein weiter Weg und ein Startup dazu muss auch erst einmal gegründet werden, räumt das Team ein. Im nächsten Schritt ist der Bau eines tragbaren Vollsystem-Prototypen geplant, um die Technologie in einer Betriebsumgebung am Standort der Industriepartner zu demonstrieren.

Lun Energy & VERBUND

Ein Team aus Mitarbeiter:innen des dänischen Startups Lun Energy und von VERBUND widmete sich in seinem Projekt dem Thema Wärmepumpen. Konkret geht es dabei um die Frage, wie der Weg vom Kund:innen-Erstkontakt über Beratung und Angebotslegung bis zur Installation effizienter gestaltet werden kann. Entsprechend wurde die Software des Startups in der !!PoC-Phase an die österreichischen Gegebenheiten angepasst und dann direkt mit fünf Testkund:innen ausprobiert. “Es gab jeweils ein Erstgespräch via Videocall und dann eine Beratung durch einen Partnerbetrieb vor Ort”, erklärt der Teamsprecher. Weitere Verbesserungen und Automatisierungen sollen in einem nächsten Schritt erfolgen, um VERBUND-Kund:innen einen komfortablen und schnellen Wechsel ihres Heizungssystems zu ermöglichen.

Compact Membrane Systems & OMV, voestalpine und RHI Magnesita

Auch im zweiten Projekt, das OMV, voestalpine und RHI Magnesita gemeinsam mit einem Startup durchführten, geht es um CO2-Recycling – allerdings um einen früheren Schritt im Prozess. Das US-Startup Compact Membrane Systems hat eine Membran entwickelt und patentiert, mit der CO2 aus Abgasen gefiltert und eingefangen werden kann. Im Vergleich zu bestehenden Systemen braucht dieses weniger Platz, Energie und Druck. In der !!PoC-Phase wurde die Membran nun mit Abgasproben der Corporate-Partner im Labor getestet – erfolgreich. Das Team gibt einen Ausblick: “Der nächste Schritt ist die Installation von ersten Schiffscontainer-großen Anlagen für den Testbetrieb vor Ort”. Die innovative Membran-Technologie soll mit einer kleinen mobilen Laboranlage bei OMV, voestalpine und RHI Magnesita eingesetzt werden.

Kraftblock & VERBUND

Das deutsche Startup Kraftblock hat ein neuartiges System zur Hochtemperatur-Energiespeicherung entwickelt. Der Speicher besteht komplett aus Recycling-Material, kann Temperaturen von mehr als 1000 Grad Celsius speichern und kann innerhalb von einer Minute vollständig geladen werden. Die gespeicherte Wärme steht dann etwa für Industrieprozesse zur Verfügung.

In der !!PoC-Phase wurde die Nutzung von Abwärme sowie unterschiedliche Power-2-Heat Use Cases am Kraftwerksstandort Mellach im Detail evaluiert. Bei letzterem soll das Net-Zero Wärmesystem, unter anderem Ökostrom in Wärme umwandeln und saubere Prozesswärme direkt für den Gasturbinenbetrieb liefern. Das Team zieht beim VERBUND X !!Demo Day ein Fazit zum Testbetrieb: “Das System funktioniert. An der Kosteneffizienz müssen wir aber weiterarbeiten”. Das gemeinsame Team will den Einsatz der Wärmespeichertechnologie deswegen auch mit möglichen Anwendern aus der Industrie besprechen.

Bamomas & Post

Das finnische Startup Bamomas hat eine Software zur Echtzeit-Analyse von Blei- und Lithium-Ionen-E-Auto-Batterien aus der Ferne entwickelt. Damit soll die tatsächliche Lebensdauer der “Akkus auf Rädern” besser eingeschätzt werden. Das machte das Startup für die Post besonders spannend als Kooperationspartner. Denn diese betreibt aktuell bereits eine Flotte von 3.000 E-Autos für die Zustellung. Bis 2030 sollen dann alle 10.000 gelben Post-Fahrzeuge in Österreich E-Autos sein.

Im !!PoC-Projekt wurden sechs vorhandene E-Fahrzeuge der ältesten Generation mit der Technologie untersucht. “Wir stießen dabei auf Hindernisse und konnten nicht alle Daten wie gewünscht auslesen. Unser Ziel der Bewertung der gesamten Flotte konnten wir daher vorerst nicht erfüllen”, räumt der Teamsprecher ein. Dennoch konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Das Projekt wolle man entsprechend mit adaptierter Zielsetzung fortführen.

Biofuel Technology & OMV

Biofuel Technology A/S aus Dänemark hat ein System entwickelt, mit dem organische Rohstoffe forst- und landwirtschaftlichen Ursprungs, etwa große Strohballen, in großem Maßstab in Biokraftstoffe umgewandelt werden können. Durch ein weltweit patentiertes System zur Vorverarbeitung des Rohmaterials können gepresste und vorbehandelte Briketts effektiv und wirtschaftlich eingesetzt werden. Das soll Engpässe bei der Herstellung von Zellulosekraftstoffen verhindern. In einem gemeinsamen Team mit OMV-Mitarbeiter:innen wurden nun in der !!PoC-Phase erste Tests durchgeführt. “Die ersten Resultate sehen vielversprechend aus. Der nächste Schritt wäre eine Anwendung direkt bei Bioethanol-Produzenten”, erklärt Veronika Ruthensteiner von OMV beim VERBUND X !!Demo Day.


In der Acceleration Phase wurde der Weg für langfristige Kooperationen geebnet

“So sieht es aus, wenn die Zukunft des Energiesektors geprägt wird. Das ist es, was wir tun können, um die Wirtschaft zu dekarbonisieren”, resümiert VERBUND X !!Accelerator-Lead Edward Feltmann nach den Pitches. Und welche Projekte werden nun weiterverfolgt? Die Jury sorgt für eine Überraschung: Alle sieben Kooperationsprojekte bekommen die Chance, gemeinsam weiter Richtung Markt-, Serienreife bzw. Rollout weiterzuarbeiten. “Jetzt ist der Weg frei, um die nächsten Schritte zu setzen”, so Feltmann.

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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